Buch "Autre Monde, Märchen mit keltischer Seele" NEU beim BOD-Verlag! - 3. Leseprobe -
DAS GOLDENE FOHLEN
In einem kleinen Haus, direkt am Meer, lebte einmal ein Bauer, dem es nie an irgendetwas mangelte. Er hatte immer eine reiche Ernte und es war immer genug da, um nicht hungern zu müssen. Seine Vorratskammer war immer voll, denn was er nicht auf dem Markt verkaufte, lagerte er sich für den Winter ein.
Als er nun schon über neunzig Jahre alt war, sagte er zu seinem Sohn: „Gareth, ich bin des Lebens müde geworden. Es ist nun an der Zeit für mich, zu sterben. Aber vorher muss ich dir vom Geheimnis unserer Familie erzählen. Der Grund, warum es uns immer so gut ging, ist das goldene Fohlen. Dein Urgroßvater hatte es von einer Fee bekommen, weil er ein gütiger und weiser Mann gewesen war. Dieses Fohlen lebt in einer Höhle nah am Wald und solange wir es füttern und gut behandeln, wird das Glück und hold sein. Aber eines darfst du nie vergessen, Gareth! Du darfst das Fohlen weder reiten, noch vor den Karren spannen. Der Zorn der Feen würde uns sonst treffen und wir würden alles verlieren, was wir besitzen." So sprach also der Vater, dann schloss er die Augen und verstarb. Gareth beerdigte ihn auf dem alten Friedhof neben dem Grab der Mutter und ging dann wieder zum Haus zurück. Und da saß er nun und dachte daran, wie es wohl sein würde, das Feld ganz alleine zu bestellen und auch ganz allein die Ernte einzubringen. Bei dem Gedanken an so viel Arbeit wurde es ihm ganz schwer ums Herz. Er erledigte seine täglichen Pflichten nur widerwillig. Zwar ging er jeden Tag zu dem goldenen Fohlen, um es zu füttern, aber er fragte sich insgeheim, ob der Vater nicht übertrieben hatte. "Was würde wohl geschehen, wenn ich dieses Fohlen einfach vergessen würde?" fragte er sich. "Ich würde mir gerne den langen Weg zur Höhle hinauf sparen." Einige Zweifel beschlichen ihn dennoch, mit Feen war ja bekanntlich nicht zu spaßen. Also ging er weiterhin Tag für Tag hinaus und legte dem Fohlen sein Heu vor. Doch eines Tages, als er seinen Karren mit Kartoffeln für den Markt belud, fand er, dass die Ladung eine zu große Last für ihn war. Er besann sich nicht lange. Er lief hinauf zur Höhle, holte das goldene Fohlen und spannte es vor den Karren. Dann rief er: "Los!" und das Fohlen zog den schweren Kartoffelkarren den langen Weg bis zum Markt. Dort verkaufte Gareth die gesamte Wagenladung und machte sich beruhigt wieder auf den Heimweg. "Es ist ja gar nichts geschehen", sagte er zu sich. "Vielleicht haben es die Feen nicht bemerkt oder vielleicht ist alles nur Aberglaube." Er brachte Abend das Fohlen zurück zur Höhle und ging dann seelenruhig und siegesgewiss nach Hause.
Während er aber in den süßesten Träumen lag, kamen in der Nacht die Feen, um das goldene Fohlen wieder zurückzuholen. Und als Gareth am nächsten Tag kam, fand der eine leere Höhle vor. Das Fohlen war verschwunden.
"Umso besser, nun brauche ich nicht mehr hierher zu kommen", dachte er. Aber damit war die Sache keineswegs vorbei, wie er wohl glaubte. Denn schon im nächsten Frühjahr, als Gareth das Saatgut auf den Acker streute, kamen hunderte von schwarzen Raben, die in der Erde wühlten und schließlich das gesamte Saatgut aufgepickten.
Am nächsten Tag versuchte er es noch einmal und dieses Mal ging er mit Steinen bewaffnet auf das Feld. Die Raben ließen sich nun nicht mehr blicken. "Na also, das war ja gar nicht so schwer", sagte er und glaubte sich in Sicherheit. Jedoch hielt der Frieden nicht lange, denn gerade als die Saat zu keimen begann und sich die ersten zartgrünen Pflänzchen zeigten, gab es ein schreckliches Unwetter. Der Regen peitschte das Land und der Wind riss die Saat aus der Erde, sodass kein einziges Pflänzchen übrig blieb. Er versuchte es noch einige Male, aber jedes Mal gab es wieder Regen, Sturm und Gewitter und seine Saat wurde aufs Neue vernichtet.
Nun musste Gareth wohl einsehen, dass es wirklich die Feen waren, die ihm da so übel mitspielten. Er beschloss also, um Verzeihung zu bitten. Er packte ein wenig Verpflegung zusammen und ging dann nach Westen, denn dort vermutete er die Festung der Feen.
Als er schon einen Tag lang gewandert war, kam er zu einem prächtigen Schloss mit goldenen Zinnen und Fenstern aus rotem Rubin. Er näherte sich vorsichtig und fragte: „Ist dies hier die Festung der Feen?“ „Unsere Herrin ist wahrlich feengleich“, antwortete die Wache, „aber wenn du sie sehen willst, musst du schon ein Prinz sein.“ „Ich bin nur ein Bauer“, sagte Gareth und zog weiter, denn er kam zu dem Schluss, dass dies nicht die Festung der Feen sein konnte.
Am nächsten Tag kam er zu einem stattlichen Gutshof. Er ging bis an die Pforte und fragte dort: „Ist dies hier die Festung der Feen?“
„Meine Tochter ist wahrlich feengleich“, sagte der Mann, „aber wenn du sie sehen willst, musst du schon ein reicher Gutsherr sein.“ „Ich bin nur ein Bauer“, sagte Gareth und ging weiter.
Am dritten Tag kam er in eine hügelige Gegend, in der es weder Menschen noch Tiere zu geben schien. Alles war in eine gespenstische Ruhe getaucht, nur seinen eigenen Herzschlag konnte Gareth hören.
Er schaute sich um und es kam ihm so vor, als wäre er lange im Kreis gelaufen. „Was ist das nur für eine merkwürdige Gegend?“ fragte er sich. „Ein Hügel gleicht dem anderen.“ Er setzte sich in das weiche Gras und es überfiel ihn eine starke Müdigkeit, sodass er einschlief...............................................
Aus "Autre Monde, Märchen mit keltischer Seele" ISBN 978-3-8482-1311-5
Jetzt auch bei AMAZON erhältlich!
Autor:Sanja Cook aus Mülheim an der Ruhr |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.