Mülheim: Tag des offenen Denkmals 2022
Basilisken am Giebel fangen fette Fliegen - was symbolisieren diese Darstellungen im öffentlichem Raum?
Kulturspur - ein Fall für den Denkmalschutz - so lautet das Motto des Denkmaltages 2022 am Sonntag, dem 11. September 2022.
In der Kunststadt Mülheim an der Ruhr können am Wochenende zahlreiche Denkmale bewundert werden - an diesem Tag ist auch die denkmalgeschützte VILLA ARTIS in der Ruhrstraße 3 / Ecke Delle - direkt am Innenstadtpark "Ruhranlage" mit dabei - man kann dort im Haus stöbern, den malerischen Innenhof besichtigen oder über die Hintergründe der Fassadengestaltung durch die damaligen Eigentümer - die Gründerfamilie des Tengelmann-Konzerns Wilhelm und Louise Schmitz-Scholl - spekulieren.
Ort: Ruhrstraße 3 / Ecke Delle SA+SO - Uhrzeit: 13 bis 17 Uhr - Eintritt frei
ZUM THEMA "DARSTELLUNGEN AN DER FASSADE DES HAUSES RUHSTR. 3" HIER DIE GEDANKEN VON PROFESSOR DR. HEINER TREINEN AUS MÜLHEIM AN DER RUHR
"Es handelt sich um die freie Darstellung des mythischen Viehs, das Basilisk genannt wird und eine Mischung von Drachenleib, Hahnen- (oder Hunde)kopf, Schlangenschwanz und anderen aggressiven Tier-Merkmalen koppelt, also analog zur Figur der Chimäre konstruiert ist und ebenso vieldeutige Sinnbezüge zuläßt. Der Basilisk frißt, wie die Mythologie des Basilisken vorschreibt, Schlangen - siehe die Schlangenornamentik in der oberen Fassadenrundung - und Insekten, was gegen den Augenschein auf Hahnenkopf statt Hundeschnauze hindeutet, während der in sich verschlungene Schwanz wiederum den zentralen Schlangenanteil des Basilisken-Mythos verdeutlicht.
Beides bezieht sich auf antike Vorbilder und literarisch verklausulierte magische Denkweisen. Ich würde die ungebrochen weitergeführte magische Botschaft als abwehrzauberisch bezeichnen; von außen betrachtet als zerstörerisch gegenüber bösen Einflüssen, aus interner Sicht hingegen wie der chinesische Drache als Verteidigung gegenüber feindlichen Kräften.
Ich denke, daß die spät-mittelalterliche ( oder früh-neuzeitliche) Nutzung von Basilisken-Darstellungen modernes Denken vorwegnimmt: in bildlichen Darstellungen von Inhalten der Naturalienkabinette ab dem späten 17. Jahrhundert (Darbietung realer Objekte als "Kuriositäten" im Sinne von Dingen, die wissenschaftliche Neugier erregen) tauchen plötzlich neben empirischen Tier- und Insektendarstellungen ausgedachte Basiliskenzeichnungen auf; ein ungelöstes Rätsel für die heutigen Interpreten, die Aberglauben vermuten.
Ich habe den Verdacht, daß mit solchen Basilisken-Bildnissen eher darauf hingewiesen werden sollte, daß man bei naturwissenschaftlichen Erklärungsversuchen auf religiöse Deutungen verzichten muß; der Bezug zur Antike hatte mit Glauben nichts zu tun, sondern mit Bildung und mit antiken Mythologien, die als solche und nicht als geglaubt erkannt wurden.
Was die Auftraggeber und Gestalter der Fassade getrieben hat, Basilisken darzustellen, lässt sich nur erahnen. Für Importeure bislang als exotisch und damit zunächst als ungewiss-gefährlich geltende Konsumgüter mag der Basilisk genau diese Ambivalenz ausdrücken, wobei der antike Bezug einen ironischen Bildungsbeitrag im Sinne von 'fürchtet Euch nicht' beisteuert."
Autor:Alexander Ivo Franz aus Mülheim an der Ruhr |
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