Erfolgreiche Inklusion am Arbeitsmarkt in Moers
Glücksgriff für beide Seiten
Berührungsängste sollte ein Physiotherapeut nicht haben. Bei der Praxis „Physio da Magri“ gilt das nicht nur für die Arbeit am Patienten, sondern auch für die Beschäftigung von Menschen mit Handicap. Hier arbeitet seit März eine junge Physiotherapeutin mit einer starken Sehbehinderung und fühlt sich in dem familiären Team sehr wohl.
Physiotherapeuten sind gefragt und offene Stellen entsprechend schwer zu besetzen. Umso froher waren Giuseppe Magri und Lena Althaus über die Bewerbung von Lena Simons, als sie eine Fachkraft für ihre neue Praxis im Moers suchten. Die Physiotherapeutin punktete in ihrer E-Mail-Bewerbung mit Berufserfahrung und Zusatzkenntnissen wie Lymphdrainage. Zum Vorstellungsgespräch brachte die 27-Jährige ihre Mutter mit – weil sie eine sehr starke Sehbehinderung hat. „Das war neu für mich, aber sie war uns direkt sympathisch“, berichtet der Arbeitgeber. „Wir haben uns gut verstanden“, bestätigt Lena Simons und erklärt: „Meine Mutter habe ich mitgenommen, weil sie Blicke besser deuten kann und sieht, was mir entgeht.“
Auch wenn man ihr kaum etwas ansieht, beträgt ihre Sehkraft lediglich 3 Prozent. Damit geht sie seit jeher ganz offen um, auch gegenüber Patienten. „Ich bekomme eigentlich immer positives Feedback darauf“, schildert sie ihre Erfahrungen. Dafür spricht, dass sie in der neuen Praxis bereits Stammpatienten hat. Für Giuseppe Magri kein Wunder, denn gerade ihre Sehbeeinträchtigung habe für ihren Beruf Vorteile: „Sie kann viel, viel besser fühlen. Was wir uns erst lange Jahre erarbeiten müssen, hat sie bereits drauf. Das war ein Grund, warum wir Lena gerne einstellen wollten.“
Trotzdem war der Start im März nicht leicht. Zunächst wegen den einsetzenden Beschränkungen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie. Obwohl die Praxis kontinuierlich geöffnet blieb, kamen deutlich weniger Patienten als sonst. Dennoch hielt der Arbeitgeber an der neuen Mitarbeiterin fest – nicht selbstverständlich, wie Stefan Schapfeld, Teamleiter Rehabilitanden und Menschen mit Schwerbehinderung, weiß. „Bei der steigenden Arbeitslosigkeit durch die Corona-Pandemie wird es für Bewerberinnen und Bewerber mit gesundheitlichen Einschränkungen noch schwieriger auf dem Arbeitsmarkt. Ihre Chancen auf eine Einstellung sind grundsätzlich etwas schwächer, obwohl sie bei der Suche nach Fachkräften mit in den Blick genommen werden sollten.“ „Umso mehr braucht es engagierte Arbeitgeber, die für Inklusion offen sind und diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem Team schätzen“ ergänzt Martina Tück vom gemeinsamen Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit Wesel und des Jobcenters Kreis Wesel.
Unterstützung für Arbeitgeber
Unabhängig von der Pandemie musste sich Lena Simons zunächst an ihrem neuen Arbeitsplatz zurechtfinden. Dabei halfen und helfen drei Teamkollegen kräftig mit. So begleitet Christine Honnen, die sich um den Empfang kümmert, die junge Frau zu den Behandlungsräumen und zum Pausenraum. Mittlerweile kennt sie die Wege und findet sich selbstständig zurecht. Besonders freut sie sich über weitere Hilfestellungen, wie sie hervorhebt: „Ich bekomme den Arbeitsplan per Foto, damit ich ihn größer zoomen kann oder die Rezepte meiner Patienten werden herausgesucht – alles ist organisiert und dafür bin ich sehr dankbar!“
Unterstützung für das Unternehmen gibt es zudem durch einen Zuschuss zum Entgelt von der Arbeitsagentur. Martina Tück berät Arbeitgeber zu Fragen der Einstellung sowie technischen und/oder finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten. Für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen gibt es ebenfalls spezialisierte Ansprechpartner sowohl in der Berufsberatung als auch in der Arbeitsvermittlung.
Aktuelle Daten zur Situation auf dem Arbeitsmarkt im Kreis Wesel
• 2018 (= aktuelle Zahlen) waren im Kreis Wesel 5.213 Menschen mit einer Schwerbehinderung beschäftigt.
• Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Schwerbehinderung ist von 2014 bis 2018 im Kreis Wesel dabei überproportional gestiegen (+15,7 Prozent – in NRW +9,6 Prozent). Einen Anteil daran hat allerdings auch die Alterung der Belegschaften mit den bereits beschäftigen Schwerbehinderten.
• Im November 2020 sind im Kreis Wesel 1.436 schwerbehinderte Menschen arbeitslos. Das sind 164 Personen oder 12,9 Prozent mehr als im Vorjahr – bei den Arbeitslosen insgesamt liegt die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum VJ allerdings um 17,5 Prozent höher.
• Von der Herbstbelebung konnten die Menschen mit Handicap weniger stark profitieren – es gab kaum einen Rückgang zum Vormonat (-4 oder -0,3 Prozent), während die Arbeitslosigkeit insgesamt um 1,8 Prozent zurückging.
• Arbeitgeber mit mind. 20 Arbeitsplätzen müssen 5 Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Menschen besetzen. Diese Quote wird im Kreis Wesel erreicht, und der Trend ist positiv. Zuletzt (2018) lag der Anteil bei 5,31 Prozent und damit erneut höher als in den Jahren zuvor (2016: 5,20%; 2015: 5,11%).
Kontakt für Arbeitgeber: Martina Tück, Tel. 0281/9620-357, E-Mail: Wesel.Arbeitgeber-Team141@arbeitsagentur.de.
Autor:Agentur für Arbeit Wesel aus Wesel |
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