Dag oder Hallo! Der kleine, aber feine Unterschied!

Bei einem „lekker kopje koffie“ treffen sich die Niederländer alle zwei Monate: Mijntje Rosenberger, Annie Seliger, Kees Smits und Hetty Bierbauer. | Foto: Heike Cervellera
  • Bei einem „lekker kopje koffie“ treffen sich die Niederländer alle zwei Monate: Mijntje Rosenberger, Annie Seliger, Kees Smits und Hetty Bierbauer.
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Herzlich werde ich von dem Vorsitzenden des ersten Niederlande-Clubs am Niederrhein, Cornelis Jan Smits, begrüßt: „Dag
Sarah!“ Siezen ist bei den Niederländen nämlich nicht üblich. Also, Kees und du. Und mit dieser netten Begrüßung fängt ein „gezelliger“Abend an.

Schade fand Kees es, dass er in seiner neuen Heimat seine Muttersprache kaum noch sprechen kann. Deshalb hat er kurzum die Initiative ergriffen und einen Niederlande-Club ins Lebens gerufen. Einzige Bedingung für neue Teilnehmer: Es müssen Niederländer sein, die nach Deutschland ausgewandert sind, denn an den Treffen soll nur Niederländisch gesprochen werden. Gar nicht mal so einfach, gesteht mir Hetty Bierbauer: „Ich habe hier kaum Freunde, die Niederländisch sprechen und lebe zudem so lange schon hier, dass ich beim ersten Club-Treffen echt gemerkt habe, wie ungewohnt es ist, wieder Niederländisch zu sprechen. Schreiben geht mittlerweile auch gar nicht mehr.“

Wie eigentlich alle in dem Club ist auch Mijntje Rosenberger wegen der Liebe nach Deutschland gekommen. Ihr Mann hat vor gut 50 Jahren mit seinem Fußballclub in ihrem Dorf gespielt. Dann passierte, was passieren musste: Sie verliebten sich ineinander und die Niederländerin folgte ihrem Mann nach Deutschland: „Das war damals noch nicht so einfach. Wir hatten kein Auto und ich konnte kaum nach Hause fahren, um meine Eltern zu besuchen. Deshalb haben meine Elten sich extra ein Telefon angeschafft, damit wir mal telefonieren konnten.“ Am Anfang sei es aber doch schon schwierig gewesen, hier Freunde zu finden: „Die Niederländer sind irgendwie offener. Wenn ich zuhause auf der Straße laufe und jemanden mit einem Kinderwagen sehe, guckt man automatisch rein und fragt, wie es dem Kleinen geht und kommt so ins Gespräch. Hier sind die Menschen etwas zurückhaltender.“

Zehn Jahre hat es gedauert, bis Mijntje sich hier zuhause gefühlt hat. Mittlerweile ist sie komplett angekommen, auch wenn es damals eine Menge Vorurteile gab, als sie ihren neuen Freund vorstellte: „Viele in meinem Dorf haben nicht mehr mit mir gesprochen, weil ich mit einem Deutschen zusammen war. Auch meine Eltern waren erstmal etwas geschockt. Es war damals halt noch eine andere Zeit. Der Krieg war noch nicht lange vorbei und die Geschehnisse waren bei den Menschen noch sehr präsent.“ Nach und nach wurden die Vorurteile allerdings abgebaut und der Schwiegersohn herzlich in der Familie aufgenommen.

Deutsche Jungs, die die niederländischen „Meisjes“ mitnahmen

Aber auch Kees erzählt mit einem Grinsen, dass viele Niederländer früher den Eindruck hatten, dass die deutschen Jungs in die Niederlande kamen und „ihre“ niederländischen Mädchen alle einfach mitgenommen haben. Da fiel dann schon mal der ein oder andere böse Kommentar. Aber heute ist das alles Geschichte, denn das Verhältnis der beiden Länder hat sich wesentlich verbessert.

Aber trotzdem gibt es sie, die vielen kleinen, aber feinen Unterschiede. Dies merke ich auch direkt am Anfang des Treffens. Während es bei einem deutschen Kegelclub wahrscheinlich eher Bier zu trinken gäbe, trinken die Niederländer erstmal einen Kaffee. Auch abends um acht Uhr. Natürlich wird auch gern mal ein Bier getrunken, keine Frage. Aber Kaffee steht bei den Niederländern trotzdem hoch im Kurs.

Een kopje koffie

Es hat für sie einfach auch etwas mit der „gezelligheid“ zu tun. Niederländer mögen es nämlich gern „gezellig“. Das ist zu übersetzen mit der deutschen Geselligkeit, hat jedoch für die Niederländer eine weitreichende Bedeutung. Es entspricht im Prinzip etwas dem niederländischen Lebensgefühl: Sich zusammensetzen, den Tag ausklingen lassen, bei einem leckeren Kaffee. Oder auch einfach zwischendurch bei der Arbeit eine kurze Pause machen für einen kleinen Plausch unter Kollegen und natürlich einen Kaffee.

Das bestätigen auch die Mitglieder des Clubs. Während in Deutschland oft lange geplant wird, wenn ein Kaffeetrinken vorbereitet wird, meist mit Kaffee und Kuchen, läuft es in den Niederlanden viel kurzfristiger ab. Es wird einfach beim Nachbarn vorbei gegangen, geklingelt, kurz ein Kaffee zusammen getrunken und wieder nach Hause gegangen. Direkt sei man, so Karin Bond: „Während die Deutschen sehr höflich und oftmals zurückhaltend sind, sprechen die Niederländer frei heraus, was sie wollen. Wenn man dann auf einen Kaffee vorbeikommt und derjenige hat keine Zeit, dann bekommt man das auch gesagt. Bei den Deutschen würde es dann doch eher den Kaffee geben, der Höflichkeit wegen.“ Aber gerade diese Höflichkeit kommt in manchen Situationen dann doch nicht zu Tage. Karin hat immer noch Probleme damit, dass es in Deutschland oftmals so ist, dass gewisse Wünsche oder Aufforderungen zwar mit einem „bitte“ am Schluss versehen werden, aber letzten Endes reine Befehle sind. Das ist im Niederländischen anders. Dort heißt es dann „Mag ik een foto van je maken?“ Also zu deutsch: Darf ich ein Foto von dir machen? Es wird immer gefragt, wohingegen sie das Gefühl hat, dass es im Deutschen eigentlich oftmals keine Frage ist. Dem muss ich zustimmen.

Es ist interessant, das einem selbst erst einige Verhaltensweisen auffallen, wenn man von anderen darauf gestoßen wird. Oftmals wird gedacht, dass es sich bei vielen Vorurteilen eben um solche handelt. Um reine Vorurteile, die keinen Wahrheitsgehalt haben. Doch bei einigen Besonderheiten handelt es sich eben nicht nur um reine Stereotypen, sondern um reale Besonderheiten der verschiedenen Nationalitäten. Und letzten Endes sind es gerade diese Besonderheiten, die ein Volk auszeichnen und es - oftmals - liebenswert machen. So ist das Stereotyp, dass Niederländer immer Kaffee trinken, eben nicht nur ein Klischee, sondern eine Tatsache und so verhält es sich auch mit manch anderen Vorurteilen.

Am Ende des Abends bin ich fast ein wenig traurig, dass ich leider nur Niederländisch studiert habe und keine gebürtige Niederländerin bin, denn dieser Abend hat mir eine Menge Spaß gemacht und so herzlich aufgenommen wurde ich bisher selten.

Autor:

Sarah Dickel aus Moers

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