Kommt Obama aus Deutschland?

Die Ecuadorianer können feiern: Karneval bedeutet Partys und Umzüge - bei tropischen Temperaturen. In der närrischen Zeit findet sich eine bunte Mischung aus kolumbianischen Salsatänzern, peruanischen E-Gitarristen und ecuadorianischen Marimberos, und selbstverständlich eine Wahl zur Karnevalskönigin mit tobendem Publikum. Fotos: privat
8Bilder
  • Die Ecuadorianer können feiern: Karneval bedeutet Partys und Umzüge - bei tropischen Temperaturen. In der närrischen Zeit findet sich eine bunte Mischung aus kolumbianischen Salsatänzern, peruanischen E-Gitarristen und ecuadorianischen Marimberos, und selbstverständlich eine Wahl zur Karnevalskönigin mit tobendem Publikum. Fotos: privat
  • hochgeladen von Marjana Križnik

"Ver-rückte" Welt: "Hier liegt der Halbmond immer auf dem Rücken" schreibt die Neukirchen-Vluynerin Carolina Lottkus in ihrem Blog-Eintrag. Die 20-Jährige leistet seit sechs Monaten einen Freiwilligendienst in Ecuador ab (der Lokal-Kompass berichtete) und erfährt die Welt dort sprichwörtlich aus einem anderen Blickwinkel.

"Ich habe ihn noch nie vorher aufrecht abnhmend von links nach rechts und umgekehrt gesehen “, wundert sie sich. Für die 20-jährige ist die zweite Halbzeit im Norden des südamerikanischen Landes angebrochen.
Was haben wir es doch gut: Am Ende des Jahres steht praktisch jeder Ecuadorianer ohne Arbeit da. So will es das Gesetz. Carolina durfte auch sechs Wochen nicht zu ihren Schützlingen in den Kindergarten des SOS-Kinderdorfes.

In Ecuador herrscht am Jahresanfang ein Riesenchaos in den Städten. „Alle sind auf der Suche nach Arbeit, die Ämter sind voll, die Straßen leer“, erzählt Carolina, für die die zweite Halbzeit ihres einjährigen Aufenthalts in Esmeraldas, im Norden Ecuadors, angebrochen ist.
Alle Arbeitsverträge enden im Dezember, spätestens aber nach elf Monaten. Erst nach zweimaliger Verlängerung, folgt beim dritten Mal ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. „Ich habe mir sagen lassen, dass das hier praktisch nie passiert“, erzählt die 20-Jährige.

Bürgermeister im Hawaiihemd und Safarihose

Eine andere, schlimme Auswirkung des Ganzen sei es, dass alle Kindergärten in der Provinz Esmeraldas geschlossen waren und ungewiss war, wann sie wieder öffnen würden. Zum einen, weil neue Verträge mit neuen Kräften abgeschlossen werden mussten und weil finanzielle Mittel fehlten. Carolina ist froh, dass dies wieder der Fall ist:„Ich freue mich sehr auf die Kleinen“, schreibt sie.
Auch die jüngsten Wahlen seien ein Ereignis für sich gewesen: „Der Bürgermeister kam in Hawaihemd und Safarihose zum Wahlkampf“, wundert sie sich. Wer nicht wähle, müsse Strafe zahlen. Manche Parteien stimmten Wähler mit Verköstigung positiv. „In solch armem Land zieht diese Strategie natürlich“, weiss Carolina.

Ansonsten ist im Leben der Neukirchen-Vluynerin viel passiert : Sie ist bei ihrer Gastfamilie ausgezogen, weil es ihr dort „zu bunt“ geworden sei. „Wie die neunjährige Pflegetochter behandelt wurde und dass meiner Gastschwester mich rausekeln wollte - das war einfach zu viel.“ Obwohl die Pflegetochter Alejandra kaum Kind sein dürfe, könne sie sich wenigstens weiterbilden. Keine Selbstverständlichkeit dort. „Eine 15-Jährige fragte mich neulich, ob der Mann auf dem Foto (Barack Obama, die Redaktion) aus Deutschland käme.“
Carolina hatte da mehr Glück: Sie fand ein hübsches, möbliertes Zimmer mit Küche, Balkon und Ventilator. „Ich habe das Gefühl, nun endlich angekommen zu sein“, freut sie sich.

Stimmung wie bei Justin-Bieber-Konzert

Was den Deutsch-Unterricht im Colegio angeht, kämen ihre Schüler immer noch pünktlich, regelmäßig und motiviert. „Das freut mich sehr, denn diese Einstellung findet man hier selten“, weiss Carolina.
Ach ja, dann waren da noch die Karnevalstage: Diese habe sie hauptsächlich am Strand verbracht. Eine Attraktion sei die Wahl der Karnevalskönigin gewesen. Herrlich, wie etwa die Kandidatinnen im „dritten Alter“ voller Stolz und Selbstbewusstein ihre Bäuche, Krampfadern und Cellulitis präsentiert haben. „Die Stimmung war vergleichbar mit einem Justin-Bieber-Konzert“, erzählt Carolina. Junge Mädchen, die - ihre „reina del barrio“, die Königin ihres Viertels , anbeteten, geworfene Handküsse, die eine ähnliche Hysterie, wie ein ins Publikum geworfenes getragenes „Bieber-Shirt“ auslösten.

An ihren freien Vormittagen zu der Zeit, als der Kindergarten geschlossen hatte, widmete sich Carolina der ecuadorianischen Küche. Ihr Geheimtipp: Arabischer Melonensaft und Hähnchen in Pfirsichsauce. Auch das Zubereiten von echtem „chocolate“ hat die „gringa“ inzwischen voll drauf: Das in der Kakao-Schote enthaltene Fruchtfleisch ablutschen, Kern (= Kakaobohne) ausspucken, trocknen, in der Pfanne rösten, pellen, mahlen, Milch erwärmen, Pulver mit Zucker hineingeben, filtern und - tadaa: „Ein Traum und nichts gegen das, was Herr Nestlé verkauft“, sagt sie.

Die denken wohl, ich sei aus Plastik

Immer noch schwierig: Ihr auffallend europäisches Aussehen. Joggen am Strand verkneift sie sich, zum Kindergarten fahre sie immer noch mit dem Bus. Denn: Blicke, anzügliche Bemerkungen und sogar Berührungen gäbe es immer noch. „Die denken wohl, ich sei aus Plastik“, wundert sich Carolina. Sie lasse die Menschen in dem Glauben, sie käme aus New York oder einem anderen „amerikanischen Pittbull“ (so übersetzte tatsäschlich jemand den Begriff „Stadt“ ins Englische). +Im Laufe der Zeit habe sie einfach gelernt, weniger zu erwarten, sondern Dinge einfach auf sich zukommen zu lassen: „Jedesmal aufs Neue überrascht mich hier die Denkweise der Menschen“, sagt sie. Das Einzige, was sie immer erwarte, sei, dass ihr jeweiliger Treffpartner zu spät komme. Was verrückt sei: „Dass der Halbmond hier immer auf dem Rücken liegt und ich ihn noch nie vorher aufrecht abnhmend von links nach rechts und umgekehrt gesehen habe“, erzählt sie. Ja, man sähe die Welt dort nicht nur sprichwörtlich aus einem anderen Blickwinkel, sinniert sie.

Sie sei jedenfalls unglaublich dankbar für die vielen Erfahrungen, werde so Vieles mit nach Hause nehmen - abgesehen natürlich von den Kochbananen und dem Yucca-Mehl. „Hierher zu kommen war die richtige Entscheidung - trotz der Tatsache, dass ich mich im Oktober auf überfüllte Hörsäle in Deutschland einstellen muss“, ist sie überzeugt.

Wer mehr über das Projekt und die Arbweit von Carolina wissen möchte, kann sich in Carolinas Blog informieren.

Carolinas freiwilliges soziales Jahr wurde vom Internationalen Jugendfreiwilligendienst (IJD) vermittelt. Dieser wird gefördert vom Bundesfamilienministerium.Weltweit engagieren sich derzeit 18 Deutsche in sozialen Projekten. Unterstützt werden Entwicklungsprojekte von der Organisation „World-Horizon“, die dazu beitragen, dass Kinder ihr Potential nutzen können: in der Schule, auf dem Fußballplatz oder beim internationalen Austauschprogramm in Deutschland. Spenden sind möglich unter: Konto 1235035, BLZ 300 700 10, Stichwort: Carolina Lottkus

Autor:

Marjana Križnik aus Düsseldorf

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

2 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.