Bürokratie-Dschungel stresst Schwangere: Job-Angebot für Psychiatrie
Faules Osterei oder früher Aprilscherz? Stur in Sachen Arbeitslosengeld stellte sich die Agentur für Arbeit kürzlich bei einer Schwangeren, die demnächst ohne Job dasteht. Schickte Einladungen zur Job-Vermittlung und Job-Vorschläge - für die Geronto-Psychiatrie. Ein Horror-Szenario, in dem sich die Neukirchen-Vluynerin Andrea Baumann unlängst wiederfand.
Jeder weiß, dass Stress und Sorgen während der Schwangerschaft der Mutter und dem Ungeborenen schaden können. Es ist allerhand, wie viel Bauchschmerzen Andrea Baumann, die nicht fotografiert werden wollte, in der vergangenen Zeit in Zusammenhang mit der Beantragung von Arbeitslosengeld zugemutet wurden. Zahlreiche Anrufe, Rückruf-Bitten, Faxe und die Intervention des Wochen-Magazins waren nötig gewesen, bis die Agentur für Arbeit sich nun endlich gewillt zeigte, ihren Antrag zu bearbeiteten.
„Das Riesen-Hin-und-her und dass man nie mit einem zuständigen Sachbearbeiter persönlich sprechen konnte, war der Horror. Ich wusste nicht, ob ich ab dem ersten Mai meine Miete bezahlen kann“, sagt die gelernte Altenpflegerin. Sie habe sich wie eine Akte gefühlt. Hintergrund: Während ihrer als Jahresvertrag ausgelegten Beschäftigung bei der der Vluyner Altenheimat wurde die junge Frau schwanger. „Wie in der Pflege üblich, sprach mein Arbeitgeber ein Beschäftigungsverbot aus, mit der Zusage, mich nach der Mutterschutzfrist weiter zu beschäftigen“, erzählt sie. Das war im November vergangenen Jahres.
Infektionsgefahr und körperliche Belastung
Ein Beschäftigungsverbot für Schwangere kann durch Arbeitgeber in Pflegeberufen ausgesprochen werden, denn in der Pflege sind Schwangere einer erhöhten Infektionsgefahr und körperlichen Belastung ausgesetzt.
Ende März nun endet der Jahresvertrag von Andrea Baumann, und so galt es für die Mutter einer sechsjährigen Tochter, für den Zeitraum von April bis Mitte Juni (Beginn ihrer Mutterschutzfrist) ihren Lebensunterhalt sicher zustellen. Obwohl die junge Frau alle erforderlichen Unterlagen bei der Arbeitsagentur eingereicht hatte, fehlte zu guter Letzt ein entscheidendes Detail: Der schriftliche, ärztliche Nachweis ihrer Schwangerschaft. Andrea Baumann war der Nachweispflicht ihres „Zustandes“ mit einer Kopie des Mutterpasses nachgekommen und war sicher gewesen, dass dies genüge.
Es kommt noch besser: Obwohl die Agentur vom Beschäftigungsverbot Kenntnis hatte, schickte sie der Schwangeren Job-Vorschläge, da sie ab dem ersten April „für den Arbeitsmarkt wieder frei“ sei! Sie sollte sich in einer Geronto-Psychiatrie und in einem Pflegeheim bewerben!
„Im Prinzip hat Frau Baumann sehr viel richtig gemacht“, sagt ein Sprecher der Agentur für Arbeit in Wesel. Aber: „Der Sachbearbeiter kann nicht nachprüfen, ob eine Kundin schwanger ist, im Prinzip kann sich jemand ein Kissen unter den Pullover stecken und eine gefälschte Kopie des Mutterpasses vorlegen.“ Weiter räumt er ein: „Die Agentur für Arbeit ist eine alte Behörde und die Kollegen mussten gemäß der bestehenden Vorschriften handeln“. Sprich: Zur korrekten Bearbeitung des Antrages fehlte ein, durch die behandelnde Ärztin ausgefülltes Formular, das die Schwangerschaft bestätigt. Dieses habe die Agentur für Arbeit zwar in einem mehrseitigen Schreiben an die Schwangere angefordert. Aber die Info „verbarg“ sich hinter reichlich „Paragraphen-Deutsch“. Unter dem Betreff „Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz“ und mehreren beigefügten Zusatzblättern wurde der jungen Frau mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für die Zahlung von Arbeitslosengeld geprüft werden müssten. So weit so gut.
Aber im Kleingedruckten auf den Zusatzblättern war die Rede davon, dass der behandelnde Arzt die Bescheinigung für das Beschäftigungsverbot ausstellt. Und folglich war Andrea Baumann davon ausgegangen, dass diese Formulare nicht von ihrer Ärztin ausgefüllt werden müssten, da nicht ihre Ärztin das Beschäftigungsverbot ausgesprochen hatte. Dem war ja nicht so. Gott sei Dank. „Ich fühle mich ja gut“, sagt Andrea Baumann. „Wäre ich zwei Monate später schwanger geworden, wären mir die ganzen Unannehmlichkeiten und der Stress erspart geblieben“, sagt die 28-Jährige.
Ein „Witz“ am Rande: „Die Kundin kann gerne ihr Lob auf unserer Internetseite hinterlassen“, äußerte der Sprecher der Agentur für Arbeit abschließend.
Wo können Kunden sich beschweren?
Kunden, die sich durch die Agentur für Arbeit ungerecht behandelt fühlen, steht ein sogenanntes „Kundenreaktions-Management“ zur Verfügung: Auf der Internetseite www.arbeitsagentur.de/wesel kann unter dem Punkt „Beschwerden, Lob und Anregungen“ ein Kontaktformular ausgefüllt werden. Wer keinen Internetanschluss besitzt, kann sich persönlich an das Arbeitsamt vor Ort wenden oder die Service-Hotline Tel: 01801/555111 anrufen (diese wird demnächst auf eine kostenfreie 0800-Nummer umgestellt.
Autor:Marjana Križnik aus Düsseldorf |
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