Die Welt im Gleitflug: Das Wochen-Magazin zu Besuch bei den Niederrheinmeistern im Streckensegelflug
Philippe Held und Timo Angenendt haben eine ganz besondere Leidenschaft: Sie sind Segelflieger.
Es gibt viele Formen der Fortbewegung. Man kann laufen, mit dem Auto fahren oder mit dem Fahrrad. Die Lieblingsfortbewegungsmöglichkeit von Philippe Held und Timo Angenendt ist hingegen das Fliegen. Im April 2012 haben beide mit dem Segelfliegen beim Vfs Krefeld angefangen: „Ich war vorbelastet“, erzählt der Neukirchen-Vluyner Angenendt, „meine Eltern sind früher selber geflogen und mein Onkel fliegt auch noch als Lehrer hier im Verein“. Bei Held war es die Nähe zum Flugplatz, die ihm zum Fliegen gebracht hat: „Ich wohne hier direkt um die Ecke und war früher schon oft mit meinem Opa hier. Mit 14 bin ich dann zum Hangar gegangen und hab gesagt ‚Ich will fliegen lernen‘“.
So starteten beide mit 14 ihre Flugkarriere. Zu Beginn wird im Doppelsteuer geflogen, mit einem Fluglehrer hinten drin, erklärt Ansgar Heitkamp, Vorsitzender des Vfs Krefeld und Fluglehrer: „Danach geht es dann alleine in die Luft, selbstverständlich aber erst nachdem zwei Fluglehrer unabhängig voneinander der Meinung sind, das der Schüler soweit ist.“ Vorab erhalten die Segelfluglehrlinge auch theoretischen Unterricht: „In Fächern wie menschliches Leistungsvermögen, Meteorologie oder Navigation“ haben wir jedes Wochenende gelernt, worauf es beim Fliegen ankommt“, erklärt Held. Im Anschluss daran haben beide die Segelfluglizenz erhalten.
Ein ganz besonderer Moment ist zweifelsohne der erste Alleinflug, wie Heitkamp berichtet: „Der erste Alleinflug ist ein sehr einschneidendes Erlebnis. Egal ob man danach eine Motormaschine oder 'nen A 380 fliegt – den ersten Alleinflug vergisst man nie!“ Das kann Held auch nur bestätigen: „Es war ein tolles Gefühl, alleine verantwortlich zu sein und ein befreiendes Gefühl. Aber natürlich ist es auch immer wieder eine kleine Herausforderung.“
„Segelfliegen ist nicht nur starten und landen.“
Das Segelfliegen erfordere aber vor allem ein gutes Gespür für das Wetter, erklärt Heitkamp: „Segelfliegen ist nicht nur starten und landen. Es geht um die Auseinandersetzung mit dem Wetter.“ Das Wetter richtig einschätzen zu lernen sei etwas, was man nur durch viel Erfahrung lerne: „Manchmal sieht man sich in der Luft schon auf dem nächsten Acker landen und dann ist man auf einmal wieder in einer Höhe von 1.000 Metern.“ Das Kennen und Deuten des Wetters ist die eigentliche Kunst des Segelfliegens, denn „wenn sie beim Auto mal eine schlechte Wetterfront oder ein Problem haben, können sie rechts ran fahren – das geht beim Segelfliegen nicht.“
Natürlich gibt es trotzdem auch Situationen, wo der Pilot es nicht auf den Flugplatz zurück schafft. So etwas heißt unter den Segelfliegern „Außenlandung“ und ist nicht unbedingt eine Seltenheit: „Bei mir kommt es ungefähr vier bis fünf Mal im Jahr vor“, berichtet Angenendt. Durch so eine Außenlandung sammle der Pilot aber auch viel Erfahrung, erklärt Heitkamp: „Für uns ist so eine Außenlandung auch nicht unnormal. Es sind eher die anderen Menschen, die dann panisch die Polizei anrufen, weil ein Flugzeug neben ihnen auf dem Acker gelandet ist“, so Heitkamp grinsend.
Im Prinzip gehe es immer darum den Aufwind bestens zu nutzen, um möglichst lange gleiten zu können. Da sich das Wetter und die Aufwinde aber nicht 100 Prozent vorhersagen lassen, „erlebt man auf so einem Flug zwischen Euphorie und Frustration alles“, so Heitkamp. Euphorie haben Angenendt und Held auf jeden Fall beim Gewinn der Niederrheinmeisterschaft verspürt: „Der Wettbewerb ging mehrere Tage und wir mussten eine gewisse Strecke zurücklegen. An einem Tag sind wir 350 Kilometer geflogen – einmal bis zu Eifel und zurück“, erklärt Angenendt.
Für beide ist klar: Im Berufsleben soll ihr Hobby auf jeden Fall eine Rolle spielen. Angenendt ist bereits fertig mit der Schule und will in Bonn Meteorologie studieren. Held möchte nach der Schule gerne im Flugzeugbereich etwas machen: „Wenn man einmal angefangen hat, ist man infiziert“, so die einstimmige Meinung der Niederrheinmeister.
KOMMENTAR:
Sie müssen vorab wissen, dass ich wirklich ein kleiner Angsthase bin. Aber wenn man schon mal ein Interview mit den Niederrheinmeistern führt und diese zu einem Flug einladen, sagt man ja nicht nein. Obwohl ich darauf hingewiesen habe, dass ich jetzt nicht unbedingt mit nach oben müsse. Mein Einwand wurde aber einfach belächelt. Nachdem unsere Fotografin voller Euphorie ihre Runde mit Philippe Held geflogen war, ging es auch für mich los. Eine Motormaschine brachte uns auf die richtige Höhe. Beim Blick aus dem Fenster konnte ich den ersten Blitz sehen und sagte zu meinem Piloten, Timo Angenendt, dass wir auch gerne wieder zurück können. Sein Kommentar, dass das locker passe, hat mich dann beruhigt. Zumindest etwas. Es war schon eine einmalige Sicht. Rechts die komplette Regen- und Gewitterfront – links Sonne mit leichten Wolken. Unter uns Krefeld-Traar, auf der einen Seite Hüls und Uerdingen. Auf meine Frage, wo denn genau Moers sei, flog Angenendt eine kleine Kurve. Hätte ich mal lieber nicht gefragt. Dann konnte ich Moers aber sehen. Und Neukirchen-Vluyn. Aus der Luft alles winzig klein, aber vor allem extrem viel Grün. Nach mehreren Schleifen und einigen Zwischenfragen meinerseits „ist das normal, dass wir jetzt noch so hoch sind?“ oder „kommen wir wirklich rechtzeitig vor dem Gewitter runter?“ ging es dann wieder Richtung Flugplatz. Ich glaube, ich werde wahrscheinlich keine ambitionierte Segelfliegerin, aber ein tolles Erlebnis, den Niederrhein aus der Vogelperspektive zu sehen, war es allemal. Danke an meinen geduldigen Piloten.
Alle Fotos: Heike Cervellera
Autor:Sarah Dickel aus Moers |
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