Die Olympischen Spiele - „Sport ist Leistung, und gedopt wurde schon immer“
Noch fünf Tage laufen die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Bis jetzt haben sich die deutschen Sportler gut geschlagen und stehen auf Platz Eins der Rangliste. Günter Krivec aus Moers hat vor 50 Jahren an den Sommerspielen in Tokio teilgenommen. Mit uns hat der erfolgreiche Pharmazeut über seine Erfahrungen bei Olympia, seine Einstellung zum Sport und seinen weiteren Werdegang geredet.
Wochen-Magazin: Herr Krivec, Sie haben 1964 bei den Sommerspielen als Dreispringer teilgenommen, wie kamen sie zu diesem Sport?
Günter Krivec: „Ich war schon als Kind immer in Bewegung. Mein Vater und meine Onkel waren Turner, aber das war nichts für mich. Beim Turnen herrschte nach meinem Geschmack zu viel Drill. Bis ich 13 war habe ich daher ganz klassisch Fußball gespielt. Mein Sportlehrer am Franz-Haniel-Gymnasium in Duisburg-Homberg, der selbst Leichtathlet war, erkannte dann mein Talent. Da gab es erst einmal eine Diskussion mit meinem Fußballtrainer.“ (lacht)
Und der Sportlehrer hat die Debatte gewonnen?
„Meine Eltern haben letztlich entschieden, dass Leichtathletik das richtige für mich sei. Und sie sollten Recht behalten, mein Herz hängt bis heute an dem Sport. Da mein linkes und rechtes Bein gleich stark sind, was sehr selten ist, hatte mein Lehrer mir den Dreisprung näher gebracht. Und von da an ging das Training los.“
Dann haben sie nach und nach eine ganze Reihe an Preisen nach Moers geholt?
„Naja, einiges war schon dabei. 1960 wurde ich deutscher Jugendmeister im Dreisprung. 1964 brach ich den deutschen Rekord und qualifizierte mich damit für die Olympischen Spiele in Tokio und 1966 wurde ich deutscher Meister.“
Und damit haben sie nur einige ihrer Titel genannt. Sie scheinen sehr bescheiden. Was war für sie ihr größter sportlicher Erfolg?
„Die Olympischen Spiele waren schon etwas Besonderes. Leider aber auch enttäuschend für mich, da ich keine Medaille nach Hause mitgebracht habe.“
Wie war ihr Eindruck von den Olympischen Spielen vor 50 Jahren?
„Meine Euphorie war natürlich erst einmal groß. Aber ich war nicht daran gewöhnt jeden Tag zu trainieren. Dort ging es nur um Leistung. Die dreiwöchige Trainingszeit hat mich mürbe gemacht. Und da wir damals noch nicht so kaserniert wurden, wie die Sportler heute, habe ich mich davon gemacht und mir wie ein Tourist die Stadt angeschaut. Nur so konnte ich das durchstehen.“
„Mit 26 habe ich den Sport komplett an den Nagel gehängt.“
Das klingt in meinen Ohren sehr symphatisch. Leider haben sie dann auch den Endkampf verpasst, aber das lag nicht an mangelnder Vorbereitung?
„Nein, ich war sogar einer der Favoriten. Leider habe ich mich dann beim ersten Sprung verletzt. Das Finale habe ich nur um zwei Zentimeter verpasst. Das war natürlich ein harter Rückschlag.“
Aber aufgegeben haben sie nicht?
„Nein, ich habe mich nach meiner Teilnahme auch auf mein Studium konzentriert, aber der Sport spielte weiterhin eine wichtige Rolle in meinem Alltag. Ich hatte großes Glück, dass der Leiter des Instituts für Sport in Mainz ein gutes Wort für mich eingelegt hat. So konnte ich das Studium direkt beginnen und musste keine Wartesemester einlegen. Damals hatte Sport auch noch einen größere Bedeutung. Etwa wie in Amerika heute noch.“
Also haben sie weiter trainiert und sich schließlich 1968 für die Spiele in Mexiko qualifiziert.Warum sind sie dann nicht angetreten?
„Ich dachte ich könnte mit 26 Jahren in Mexiko den Höhepunkt meiner sportlichen Karriere erreichen. Doch dann brach ich mir acht Wochen vor Start der Spiele den Knöchel an. Ich machte mir den Gips vier Wochen zu früh eigenständig ab, um es trotzdem zu versuchen. Die Qualifikation klappte, allerdings erbrachte ich die gleiche Leistung wie 64`, darum habe ich den Platz freigegeben. Denn für mich stand fest, ich würde keine Medaille holen. Von diesem Tag an habe ich den Sport an den Nagel gehangen.“
Aber doch nicht bis heute? Dafür sehen sie nämlich sehr fit und agil aus.
„Doch ich treibe bis heute keinen aktiven Sport. Ich wollte keinen ,Hobby-Sport`wie Tennis oder Ähnliches machen. Ich war Leistungssportler von 14 bis 26 Jahren und damit hatte sich die Sache für mich erledigt.“
Das überrascht mich sehr. Was haben sie denn von ihrer Zeit als Leistungssportler mitgenommen?
„Ich habe den Leistungsgedanken in meinen Beruf gesteckt. Und arbeite bis heute sehr gerne als Apotheker in der Adler Apotheke in Moers. Es kommt gut bei den Leuten an, wenn man Leistungssportler war. Denn mit Sport verbindet man stets Leistung, Tüchtigkeit und Fleiß. Für mich gehört Sport zur Jugend und darum fördere ich bis heute Jugendliche des Moerser SC beim Volleyball. Die Volleyballabteilung habe ich 1985 meiner Tochter zu Liebe gegründet, da sie gerne spielen wollte und es in der Gegend keinen passenden Verein gab.“
Und die Gründung war ein riesen Erfolg. Bis heute spielen sie in der Bundesliga und haben so einige Titel geholt. Haben sie ihre Sportlichkeit an ihre Sieben Kinder weiter gegeben?
„Ja der Club hat schon einige Erfolge gefeiert. Alle Mitwirkenden können stolz darauf sein. Einige meiner Kinder sind im Volleyball sehr fit. Allerdings sind sie alle nicht so groß gewachsen und daher nicht ideal für diesen Sport geeignet. (lacht) Die Jüngste fängt bald an Sport auf Lehramt zu studieren. Meine Jungs aus zweiter Ehe hat mein beruflicher Werdegang stärker beeinflusst. Zwei sind Pharmazeuten und zwei Mediziner. Ich habe meine Kinder nie in eine Richtung gedrängt. Sport sollten sie immer nur als Hobby machen.“
„Heute wird Doping wenigstens ärztlich kontrolliert.“
Also mussten ihre Nachkommen den Traum von einer olympischen Medaille nicht nachholen?
„Auf keinen Fall. Ich habe den Sport nur für mich gemacht. Selbst die Freude über einen Erfolg habe ich selten geteilt. Dieses Glück wollte ich ganz für mich behalten. Und auch bei Niederlagen bin ich in mich gegangen und habe keinen Trost bei Anderen gesucht. Bei Sport geht es um Leistung. Jeder ist an der Startlinie sowie auf dem Platz für sich selbst verantwortlich.“
Hat sich der Gedanke hinter Olympia oder von Sport an sich in Vergleich zu damals stark verändert?
„Eigentlich nicht. Auch heute geht es um Leistung und Enthusiasmus. Und auch damals ging es schon um Anerkennung, häufig in Form von Geld. Das Geld ist dabei allerdings nur eine Zwangsläufigkeit. Auch der berühmteste Fußballer hat einmal mit Begeisterung und Leidenschaft angefangen, ohne auch nur an Geld zu denken. Bei großen Veranstaltungen wie einer Olympiade sind es immer wieder die gleichen Themen, die diskutiert werden: Damals war es der Zweite Weltkrieg, der noch nicht sehr lange beendet war und heute ist es die Angst vor Terroristen. Am Ende wird die Olympiade in Sotschi eine der schönsten gewesen sein und alle Sorgen sind dann verflogen.“
Was sagen sie zu den ständigen Doping-Skandalen? In Russland soll jetzt ein neues Präparat verkauft worden sein, dass sich nicht nachweisen lässt.
„Das Thema war auch schon in den frühen 60ern aktuell. Ich habe bei der Olympiade und auch bei anderen Wettbewerben sehr viel ungeplantes Doping erlebt, was sehr gefährlich ist. Ganz nach dem Motto: Eine Tablette ist gut, Zehn sind besser. Heute wird es wenigstens ärztlich kontrolliert. Und ich bin mir sicher, auch die alten Griechen hatten schon ihre Tricks, um Nebenbuhler auszuschalten. Sei es nun indem man die eigene Leistungsfähigkeit stärkt oder die des Anderen schwächt. Und auch in Zukunft werden sich die Hochleistungssportler weiter dopen müssen. Denn anders können sie die Leistung, die von ihnen verlangt wird gar nicht erbringen. Das liegt nicht an den Sportlern, sondern an denjenigen, die Geld an ihnen verdienen wollen.“
Warum ändert sich das nicht?
„Weil beim Sport immer der Wettbewerb im Mittelpunkt steht. Jeder der von Sozialförderung durch Sport spricht, redet für mich Quatsch. Beim Sport geht es immer darum sich zu messen. Man könnte beinahe sagen, Leistungssport macht asozial.“
Trotzdem fördern sie bis heute den Sport für Jugendliche. Warum?
„Weil es, wie bei mir, den Ehrgeiz eines Kindes weckt. Sport hält fit und führt zu Glücksgefühlen. Ich bin nicht der Meinung, dass Sport schlecht ist. Doch im Fokus steht immer die Leistung und selten der Teamgedanke. Wenn ich die Jugendlichen voller Begeisterung jubeln sehe, ist es eine große Freude für mich. Jemand, der so etwas erlebt, bewahrt es bis an sein Lebensende in sich.“
Haben oder hatten sie vor ihrer sportlichen Karriere ein besonderes Vorbild?
„Nein, ich Selbst und mein Ehrgeiz waren stets mein Vorbild. Heute hängt mein Herz immer noch an der Leichtathletik, darum gucke ich mir die Leichtathleten besonders gern an. Aber ich bin kein Fan von einer bestimmten Person. Der Sport an sich hat mich stets begeistert, keine Person.“
Also drücken sie auch in Sotschi niemanden besonders die Daumen?
„Nicht direkt. Möge der Beste gewinnen. Aber auf jeden Fall gucke ich mir bei Gelegenheit auch diese Winterspiele mit Freude an.“
Zur Person:
>Geboren am 28. Juli 1942 in Moers; verheiratet in zweiter Ehe, sieben Kinder.
> Hochschulreife 1962.
> Von 1964 Teilnahme an den olympischen Spielen in Tokio im Dreisprung
> 1965 bis 1969 Studium der Pharmazie in Mainz.
> 1966 deutscher Meister im Dreisprung
> Seit 1968 Qualifikation Olympische Spiele Mexiko. Keine Teilnahme.
> 1985 Gründung des Moerser Sportclubs mit der Hauptabteilung Volleyball
> Neben dem SC Moers fördert er seit 2009 die Moerser Adler HSG
Autor:Laura da Silva aus Gelsenkirchen |
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