"Fühlen wird ganz groß geschrieben!"

Bäcker Gerrit Scheidt beim Brot in den Ofen schieben. | Foto: Heike Cervellera
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  • Bäcker Gerrit Scheidt beim Brot in den Ofen schieben.
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An der urigen Mühle am Moersbach können Backbegeisterte Kurse zu den verschiedensten Themen besuchen. Mehl bestäubte Kleidung, Einblicke in eine kleine Weizenkunde und Probieren inklusive.

Bei dem Betreten der Mühle wird gleich klar, was uns in den nächsten gut drei Stunden erwartet: Es riecht nach Holz. Der Steinholzofen ist bereits seit drei Stunden an. Das ist notwendig um ihn auf die richtige Temperatur zu bringen, erklärt Bäcker Gerrit Scheidt.Überhaupt hat so ein Steinholzofen seine Tücken. Sobald das Feuer aus ist, sinkt auch die Temperatur, es ist also eine wahre Kunst herauszubekommen, wann genau die Brote rein müssen und wann wieder raus. Probleme, mit denen die Menschen früher täglich zu kämpfen hatten. Sich nicht einfach auf die Gradzahl verlassen können und genüßlich abwarten, bis das Backwerk fertig ist, sondern ständiges Nachgucken und letzten Endes einfach eine Menge Erfahrung.

So ist auch, bevor es überhaupt ans Teig herstellen geht klar, welche Kunst das Backen ist. Ein Handwerk, vor dem ich nur meinen Hut ziehen kann und gespannt bin, was mich in den nächsten Stunden noch alles erwartet. Zu Beginn widmen wir uns dem Chiasamen-Teig, aus dem wir später ein Brot herstellen wollen. Chiasamen sind „die“ Körner der Südamerikaner, mit denen momentan relativ viel gemacht wird. Um ein Gefühl für den Teig zu bekommen, fordert Bäcker Scheidt die Gruppe auf, den Teig anzufassen. Schnell wird so nämlich klar, was der Teig noch benötigt: Etwas Mehl, etwas Wasser oder etwas Milch. Im Prinzip, so Scheidt, müsse man sich beim Backen nur auf die Sinnesnerven verlassen. Die Zeigen meist relativ gut, ob ein Teig etwas wird oder eben nicht. Wirkt einleuchtend.
Nachdem wir uns einig waren, das der Teig gut ist, muss er, bevor es an die weitere Herstellung geht, noch eine halbe Stunde ruhen. Dies ist nicht nur für einen Hefeteig wichtig: „Wenn ein Teig noch zu stramm ist, ist es kaum möglich ihn auszurollen, daher muss man ihm noch etwas Ruhe geben“, erläutert Scheidt.
Währenddessen widmen wir uns schonmal dem nächsten Teig. Zusätzlich zu dem Soja-Milch-Chiasamen-Brot werden noch Roggen-Brötchen gebacken. Zu diesem Teig wird ein Sauerteig hinzugegeben, da Roggenteige immer sehr bröselig sind und so nur sehr schwer verarbeitet werden können. Bei der Verarbeitung der Zutaten wird schnell deutlich, dass dieser Teig eine klebrige Angelegenheit ist. Scheidt beruhigt uns aber direkt: „Alles, wo Roggen drin ist, muss kleben. Wenn es nicht klebt, wird es auch nichts.“ Wieder etwas dazugelernt. Also ab mit den Händen in den klebrigen Teig und wieder fühlen. Der Unterschied zum vorherigen Teig ist deutlich ertastbar.

Nachdem auch dieser Teig fertig ist, geht es an die Zubereitung des Brotes. Jeder bekommt seine Teigportion und muss diese in eine Laibform bringen. Im Anschluss daran muss die eine Hälfte des Teiges auf die andere gelegt und dann leicht gerollt werden. So entsteht die bekannte Brotlaibform. Wer möchte, kann das Brot noch in Kürbiskernen wälzen. Bevor es später gebacken wird, kann es noch eingeschlitzt werden. Auch hier darf sich jeder „Neu-Brotbäcker“ kreativ ausleben. Ob einfach nur einen geraden Strich oder Kreuze, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Das sorgt dann dafür das die Brote auch alle unterschiedlich aussehen. Überhaupt gehe es beim Backen nicht zwangsläufig um Uniformität, so Scheidt und rät „Haltet euch nicht immer strikt an die Mengenangaben, sondern schaut, was euer Teig noch braucht.“ Genauso verhält es sich beim Backen im Ofen. Die Minuten- und Gradangaben sind Hilfestellungen, die auch genau als diese gesehen werden sollten. Der 24-jährige Bäcker weiß, wovon er spricht. Seine dreijährige Bäckerausbildung hat er in Moers absolviert, danach hat er zwei Jahre in einer Bäckerei in Essen gearbeitet, bevor er begonnen hat zu studieren. Er will Lehrer für Berufschüler werden. Natürlich für solche, die später selbst Bäcker werden wollen. Da hat jemand auf jeden Fall seinen Beruf zur Berufung gemacht. Der Mann, weiß, wovon er spricht.

Bei dem Formen unserer Brötchen wird eine Technik angewendet, die dem ein oder anderen Teilnehmer nochmal alles abverlangt. Der Teig wird zwischen eine Hand genommen, die zu einer Kralle geformt wird, dann wird der Teig mit kreisenden Bewegungen zu der typischen Brötchenform verarbeitet. So die Theorie. In der Praxis sieht es bei den meisten der acht Kursteilnehmer allerdings etwas anders aus. So ganz einfach ist es dann doch nicht, muss es aber auch nicht, beruhigt Scheidt. Schließlich gehöre bei vielen Tätigkeiten, die in einer Backstube getätigt werden, eine Menge Erfahrung dazu.
Der nächste „Programmpunkt“ ist nicht weniger spannend. Unsere fertigen Brote dürfen, nachdem sie nochmal etwas geruht haben, in den Backofen. Und dabei dürfen wir auch helfen. Ein Brot in einen Holzbackofen zu schieben, hört sich einfacher an, als es ist. Macht aber auch eine Menge Spaß und ich komme mir in der Tat wie ein kleiner Brotbäcker vor. Nachdem unsere Brote nun vor sich hinbacken, widmen wir uns unserem letzten Teig für den Abend: Vegane-Pekannuss-Cookies. Da vegan bedeutet, dass kein Ei mit in den Teig darf, gibt Scheidt uns einen Tipp, was wir stattdessen benutzen können: Apfelmus. Klingt komisch, ist aber durchaus möglich. Die Konsistenz ist ähnlich und der Geschmack ist hervorragend. Der Teig wird mit den Händen, wie sollte es auch anders sein, zusammen geknetet. Und das macht auch Sinn, denn nur so bemerken wir den Moment, in dem der Teig nicht mehr zu flüssig ist, sondern eine krümmelige Form annimmt. Und die brauchen wir für unsere Cookies.

Warme Cookies - herrlich

Langsam aber sicher macht sich ein sehr leckerer Geruch breit. Frischgebackenes Brot in einem Steinholzofen verströmt einen sehr angenehmen Duft. Mein Magen meldet sich auch direkt mit einem laute Knurren und mit großen Augen wird immer mal wieder Richtung Ofen geguckt, wann die Cookies fertig sind.
In der „Wartezeit“ dürfen wir uns noch die Mühle anschauen und erfahren zudem noch einiges Interessantes über Weizen. So bedeuten die Zahlen, die bei einer Mehlpackung hinter der Type stehen, die Anzahl des Aschenrestes. Und hierbei bedeutet die meiste Asche, die meiste Anzahl an verhandenen Mineralien. Das heißt, bei einem Mehl Type 405 sind 405 Miligramm Mineralstoffe in 100 Gramm Mehl zu finden. Ich bin verblüfft, was es alles über Weizen zu wissen gibt. Nach und nach wird der leckere Duft von dem frisch gebackenen Brot immer stärker. Als dann endlich nach einer knappen Stunde das Brot rauskommt, wird der „Gartest“ gemacht. Wenn das Brot gar ist, hört man es daran, dass es beim Klopfen hohl klingt. Und das tun unsere Brote. Wir halten unsere ersten selbst gebackenen Steinofenbrote voller Stolz in den Händen.
Das Läuten der Uhr bedeutet zudem, dass unser erstes Blech Cookies fertig ist. Mit freudigen Gesichtern warten wir, bis sie leicht abgekühlt sind und beißen voller Genuss herein. Was soll ich sagen? Es geht nichts über warme Cookies, die zudem enorm gut schmecken. Nachdem auch noch unsere Brötchen fertig sind, dürfen wir uns alle etwas einpacken, um auch zuhause unsere „Backstücke“ zu präsentieren. Und natürlich auch, um sie zuhause weiter zur Probieren. Lange gehalten haben sie allerdings nicht. Spricht für den Bäcker und seine gelungenen Rezepte.

Bäcker Gerrit Scheidt beim Brot in den Ofen schieben. | Foto: Heike Cervellera
Apfelmus kann bei veganen Rezepten prima als Eiersatz verwendet werden. | Foto: Heike Cervellera
Autor:

Sarah Dickel aus Moers

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