60 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei
„ Ich bin auf einem langen Weg“ AWO lud zur „niederrheinischen Kaffeetafel“ in das Kulturzentrum Rheinkamp.

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Zum Jubiläumstag am 30. Oktober hatte das Organisationsteam von der AWO um Olga Weinknecht und Asiye Koc, Leiterin des Internationalen Zentrums der AWO in der Repelener Talstraße, in das Kulturzentrum eingeladen. Es kamen viele aus der 1. Generation, die sich vor 60 Jahren auf den Weg gemacht hatten, aber auch aus der 2., der 3. Generation und auch die 4. Generation war bereits mit einem kleinen Wirbelwind vertreten. Rasch füllte sich das Kulturzentrum, Stühle mussten zusätzlich gestellt werden. Liebevoll gedeckt waren die Tische mit Kaffee, Kuchen, Kerzenlichtern. Rüdiger Eichholtz, Vorsitzender des Vereins „Kulturprojekte Niederrhein“, hatte mit „Yhprum´s Law“ ein internationales Musikensemble mitgebracht, das mit traditionellem Liedgut aus Armenien, der Türkei, aus Serbien das Publikum begeisterte. Ein Film wurde erstaufgeführt, der am Beispiel der Ehepaare Kezban und Bahattin Sen und Nurullah Çikoglu aus er 1. Generation erzählte, wie es damals war, als man sich auf den Weg in ein fremdes Land machte.
Der Präsident AWO Kreisverband Wesel e.V. und Landtagsabgeordnete Ibrahim Yetim fand eindringliche, berührende Worte, schlug einen Bogen von der Ankunft der Gastarbeiter aus der Türkei, aus Italien, aus Südeuropa , ohne die weder ein deutsches Wirtschaftswunder noch unserer heutige wirtschaftliche Stärke zustande gekommen wäre, erinnerte aber auch an den Brandanschlag in Solingen bei dem zwei junge türkische Frauen und drei Mädchen in ihrem Haus verbrannten ,an die Blutspur der NSU, an den Terrorakt in Hanau, die sich alle gezielt gegen ausländische Mitbürger* innen richtete: „Wenn in Istanbul 400 Leute in den Zug stiegen, dann waren mindestens 1000 da, um sie zu verabschieden. … Gefüllt bis auf den letzten Platz machten sich die Züge auf ihren langen Weg ins unbekannte Deutschland. … Einige waren traurig, weil sie nun von ihren Familien getrennt waren. Aber auf der anderen Seite war da die Hoffnung: ich werde Geld verdienen, Freunde finden, ein neues Land sehen. Und außerdem bin ich ja in ein paar Jahren wieder zurück in der Heimat. Für einige kam es auch genau so, für viele andere aber kam es anders als erträumt und erhofft. Wieder andere sind dann am Ende sogar in Deutschland geblieben. Wie auch bei meinen Eltern, das erstes Kind sollte die sollte die Grundschule beenden, dann kehren wir zurück, dann kam ich zur Welt, dann mein jüngerer Bruder und dann meine jüngere Schwester: Aus wenigen Jahren wurden viele Jahrzehnte. Aus dem fremden Land wurde unserer heimat! Man sollte glauben, dass nach 60 Jahren die Fragen der Integration und Migration längst zufriedenstellend geklärt sein müssen. Doch weit gefehlt! Die junge Generation fühlt sich benachteiligt, und das nicht zu Unrecht. Bewerbungen mit einem türkischen Nachnamen – schwierig. Empfehlung für den Besuch eines Gymnasiums für einen jungen Menschen mit türkeistämmigen Wurzeln – schwierig. Wohnungssuche mit Kopftuch – mindestens schwierig. Deshalb müssen an Tagen wie heute, die nach wie vor bestehenden oder neuen Herausforderungen deutlich benannt werden. Ich will als sozialdemokratischer Abgeordneter beispielhaft die notwendige Reform des Staatsbürgerschaftsrechts nennen. Die doppelte Staatsbürgerschaft für die erste Generation – von der jetzigen Landesregierung angekündigt, aber nicht verwirklicht! Und ganz zu schweigen vom Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Bürger – in weiter Ferne. Zum Teil seit 60 Jahren in Deutschland und noch nie den Ratskandidaten gewählt“
Zum Abschluss hatten sich die Organisatoren der AWO etwas Wunderbares einfallen lassen und mit der Einladung darum gebeten Erinnerungsstücke mitzubringen und so tauchten die unvermeidlichen Häkeldecken auf, die in jeder Familie angefertigt wurden, jeder Ablege zierten und bei Familie Yetim sogar im XXL Format, als Tagesdecke, das elterliche Bett. Die wdr Sendung in türksicher Sprache mit Nachrichten aus der Heimat, bei der die Straßen leergefegt waren und alle zuhörten, Briefe die 3 Wochen unterwegs waren und 6 Wochen auf Antwort gewartet wurden, unüberwindbare Hindernisse eine Telefonverbindung in die Türkei herzustellen, Behördengänge zum Ausländeramt, zur Aufenthaltsverlängerung zum türkischen Konsulat, immer mit langen Wartenschlangen, immer ein Tagesausflug. Es war ein herzliches fröhliches Miteinader im Kulturzentrum Rheinkamp mit dem schönen Gefühl hier nach einem langen Weg auch angekommen zu sein.

Ibrahim Yetim, MdL, mit Asiye Koc, Leiterin AWO Internationales Zentrum Moers-Repelen, Talstraße
Autor:

Konrad Göke aus Moers

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