Rhein-Hochwasser: „Die Bedrohung ist real!“

Wann kommt die Flut? Nur eine Frage der Zeit ....
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Wochenlang haben uns die Bilder der Flut von Donau und Elbe in Atem gehalten. Hier bei uns am Niederrhein blieb „Vater Rhein“ in seinem Bett. Aber: Wie lange noch?

"Deutschland geht einer Katastrophe entgegen"

Hans-Peter Feldmann, Sprecher der HochWasserSchutz-Initiative am Niederrhein, warnt: „Die Bedrohung ist real. Wenn alles so bleibt, wie es ist, geht Deutschland sehenden Auges und völlig unvorbereitet einer Hochwasserkatastrophe entgegen. Und das Gefährdungs- wie Schadenspotenzial im „deichgeschützten“ Überflutungsgebiet des Niederrheins ist weitaus größer als an der Elbe: in etwa beträgt es das Zehnfache von dem der Elbe. Bedingt durch die Auswirkungen des Bergbaus gibt es weltweit kein Gebiet, das ein höheres Risiko trägt.“

Im Falle eines Hochwassers sind 1,35 Millionen Menschen betroffen

Seit Jahren schon findet Feldmann deutliche Worte, um die Menschen am Niederrhein aufzurütteln und ihnen nicht nur die jetzige Situation, sondern auch die Folgen einer Hochwasserkatastrophe zu verdeutlichen: „Der Rhein bedroht den Niederrhein – und damit die Menschen, das Land, die Wirtschaft. Im Falle eines Hochwassers wären allein am Niederrhein 1,35 Millionen Menschen betroffen, denen der Verlust von Leben und Eigentum droht.“

Bergbauregionen würden unbewohnbar werden

In den Bergbauregionen von Xanten bis nach Moers/Duisburg würde Dauervernässung zur Unbewohnbarkeit führen. Die Höhe des Schadens würde sich auf schätzungsweise 125 Milliarden Euro belaufen – zehnmal höher als aktuell an der Elbe. Kevelaer, Xanten, Hamminkeln bis Duisburg wären extrem überflutungsgefährdet, Repelen stünde bis zu zehn Metern unter Wasser.

Das Wasser kann nicht mehr abfließen

Die Wetterverhältnisse werden immer extremer, hunderte Kilometer Deichanlagen am Niederrhein weisen erhebliche Mängel auf – und bei einem Deichbruch würde das Gebiet hinter den Deichen am Niederrhein unweigerlich volllaufen. Schlimm genug, aber: Das Wasser könnte dann auch nicht mehr abfließen. Denn durch den Bergbau wurde ein Teil des bereits potenziellen Überflutungsgebietes abgesenkt: Das Umland liegt bis zu zwölf Meter tiefer als die Rheindeiche. Früher lagen die Siedlungen höher als der Rhein, heute ist es umgekehrt.

"Nicht im Osten und Süden, sondern bei uns wäre die Katastrophe da gewesen"

Ingenieure der Universität Bochum bestätigten: „Das Risiko der einmaligen Überschwemmung innerhalb von 100 Jahren liegt immer noch bei 18 Prozent.“ Peter Feldmann nimmt diesen Ball auf: „Bricht der Damm an der falschen Stelle, ist die Katastrophe da.“ Plakatives Beispiel: Hätte sich das Wetter vor fünf Wochen an die Prognose gehalten, wäre die Katastrophe nicht im Süden und Osten präsent gewesen, sondern bei uns am Niederrhein.Unverantwortlich: Es gibt kein Konzept zum Hochwasserschutz

Es geht ihm, seinen Mitstreitern, Deichverbänden wie dem „Runden Tisch Hochwasserschutz“ um den Erhalt des Lebensraumes von Millionen Menschen. „Wir leben im Einzug des wichtigsten und zugleich gefährlichsten, weil begradigstem Stromes, dem Rhein. „Schon jetzt wären rund 300 Quadratkilometer große Gebiete ohne künstliche Absenkung des Grundwassers nicht mehr bewohnbar.“ Wohin sollten die Menschen fliehen, wenn es zum Hochwasserfall kommen würde? „Es gibt in Deutschland kein einheitliches Konzept zum Hochwasserschutz, geschweige denn zur Vorbeugung beziehungsweise zur Schadensbegrenzung“, führt Tjerk Miedema aus, der beim Shell-Konzern für den Katastrophenschutz verantwortlich zeichnete. „Keiner weiß, was zu tun wäre. Und das schon seit Jahren. Das ist schlicht unverantwortlich.“

"Polder am Niederrhein nützen gar nichts"

Die immer mal wieder im Raum stehende Forderung von „mehr Raum für den Rhein“ sei nicht realisierbar, da die Entwicklungen der letzten 200 Jahre längs der Rheinschiene durch Besiedlungen und wirtschaftliche Ansiedlungen nicht mehr rückgängig gemacht werden können. „Ist das Extrem-Hochwasser erst im Hauptstrom, dann nützen keine Polder am Niederrhein. „Bedingt durch zu geringe Schutzgrade im Gebiet des Regierungsbezirkes Köln/Düsseldorf werden hier - amtlich belegt - Deichüberströmungen stattfinden, die weite Teile des linken Niederrheins überfluten werden. Und das unwiederbringlich, weil das Wasser nicht mehr abfließen kann. Wir haben hier einen Flussabschnitt, wo der Wasserspiegel über dem angrenzenden besiedeltem Gebiet liegt.“

Der Niederrhein gilt für eine Notflutung als "besonders geeignet"

Damit nicht genug: Das niederrheinische Überschwemmungsrisiko werde durch überregionale Notmaßnahmen-Strategien sogar vergrößert, so Bundes-Innenminister Otto Schily schon im Jahr 2001, indem der Niederrhein als „Oberlieger“ für eine Notflutung für „besonders geeignet“ gelte. Insbesondere das linksrheinische Gebiet stelle eine Art Großpolder dar, der das geringste Schadenspotenzial aufweise. Heißt im Umkehrschluss: Um den Unterlieger, die Niederlande, vor größerem Schaden zu bewahren, könnte das linke Niederrheingebiet bis zur Maas als Notflutungsgebiet geopfert werden.

Pläne zur Deichsanierung liegen vor, passiert ist nichts

Nicht nur der Bezirksregierung würden Pläne zur Sanierung der Deiche schon seit Jahren vorliegen. Passiert ist nichts. „Ohne Bewilligung können keine Gelder abgerufen werden, ohne Gelder keine Deiche saniert werden. Es ist uns ein Rätsel, wieso sich die Politik dermaßen bedeckt und offenkundig desinteressiert zeigt“, so Martin Kuster, Fraktionsvorsitzender der Vereinigten Wähler-Gemeinschaft im Kreis Wesel (VWG). Eine Farce ist in diesem Zusammenhang: Die Pflicht zum Hochwasserschutz ist in NRW nicht gesetzlich geregelt – sie ist weder dem Land, noch den Kommunen, noch dem Bürger zugewiesen. Allein auf freiwilliger Basis können sich Bürger in Wasser- beziehungsweise Deichverbänden zusammenschließen, um überhaupt irgendetwas zu erreichen. Der Politik wirft Feldmann vor, es nicht ernst zu nehmen, die Menschen zu schützen. Im Gegenteil: Die Mittel für den Deichbau sollen sogar gekürzt werden.

Einzige "Rettung" für den Niederrrhein: Eine Art Bypass auf der ehemaligen Napoleon-Trasse

„Wir kämpfen für den Erhalt unseres Lebensraumes, da es nicht möglich ist, mehr Platz für den Rhein zu schaffen oder die Deiche zu erhöhen. Es muss der Abfluss des Wassers auf ein Maß beschränkt werden, dass es nicht zu einer Katastrophe führt“, fordert Feldmann. Seine Lösung: „Eine Art Bypass, der zwischen Neuss und Antwerpen auf der Strecke der ehemaligen Napoleon-Kanal-Trasse zur Ableitung von Hochwasser dienen könnte. Ein neuer Kanal Richtung Niederlande und Belgien könnte für einen Abfluss zur Nordsee sorgen. Eine solche zusätzliche Schifffahrtsstraße würde nicht nur aus Sicht des Hochwasserschutzes das Risiko beträchtlich verringern, sondern auch wirtschaftlich von großer Bedeutung sein. Ein schiffbarer Wasserweg, der bereits existierende Kanäle in den Nachbarländern Richtung Rhein verlängert, käme der Wirtschaft zugute.Eine Win-Win-Situation, zumal sich Widerstände gegen zusätzliche Bahnschienen und verstopfte Autobahnen regen.“

Fazit: Es mangelt an einheitlicher Verantwortung, an Konzepten. Das Schadenspotenzial von circa 128 Milliarden Euro ist wesentlich höher als die Kosten für die Deichsanierung: Für acht Milliarden Euro könnten rund 3000 Kilometer Deiche neu gebaut werden. Und: Wie will man diese Ziele in die Tat umsetzen, wenn Finanzmittel gestreckt und der Blick für das „große Ganze“ fehlen?

Hier gibt´s weitere Informationen von der HochWasserSchutz-Initiative Niederrnein

Autor:

Monika Meurs aus Moers

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