Filzen im verzauberten Türmchen
„Phatansie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt“, sagte bereits Albert Einstein. Diese Phantasie besitzt Sabine Chrastek, die Besitzerin von „Kreativ im Türmchen“ allemal.
Das Türmchen, in dem die Workshops von Sabine Chrastek stattfinden, gehörte früher der Familie Averdunks. Überlieferungen besagen, dass der bekannte Moerser Dr. Zahn hier damals seine Teestube gehabt hatte. Ob das stimmt, ist leider nicht belegt, aber vorstellbar ist es in jedem Fall, denn die Atmosphäre des märchengleichen Türmchens lädt zum Verweilen ein und ist wie geschaffen für Floristik-, Näh- und Filzarbeiten.
Chrastek bietet regelmäßig Filzworkshops an, heute steht ein reiner Freundinnennachmittag auf dem Plan. Mit Sektflöten werden die Frauen begrüßt und ein gemütlicher Nachmittag eingeläutet. Wie kommt man denn überhaupt dazu, Filzen zu lernen? Insbesondere in der heutigen Zeit, in der die einzige Verbindung zum Filzen wahrscheinlich in verfilzten Stoffen oder gar Haaren liegt?
Chrastek erzählt: „Ich habe vor 13 Jahren meinen ersten Filzworkshop belegt. Das war allerdings die totale Katastrophe. Ich konnte mir nichts darunter vorstellen. Das Endstück sah allerdings sehr schön aus und fortan war ich vom Filzvirus infiziert.“
Zu Beginn wurde in der alten Waschstube im Wohnhaus des Averdunkshofs gefilzt, aber schon bald war der Platz nicht mehr ausreichend und eine neue Lösung musste her: Hier kam das Türmchen ins Spiel. Seit 2012 ist Chrastek stolze Mieterin des Türmchens und bietet seitdem verschiedene Workshops an. Und nicht nur das Filzen versprüht seinen eigenen Charme. Die ganze Atmosphäre trägt dazu bei, dass man sich wie in einer anderen Welt fühlt: „Wenn man durch die weiße Tür in der Mauer tritt, ist es, als ob man in eine andere Welt eintaucht und lässt alles hinter sich“, beschreibt Chrastek.
Das Türmchen wird zur Filzstube
Bevor es an den „Ort des Geschehens“ geht, wird im oberen Teil des Türmchens etwas geklönt und Kuchen gegessen - auch das gehört für Chrastek zu ihren Workshops dazu. „Egal ob es um Kindergeburtstage geht oder Workshops für Erwachsene - ich bereite immer eine Kleinigkeit vor und versuche so einen schönen Nachmittag für die Teilnehmer zu schaffen.“
Im unteren Teil des Türmchens geht es dann aber richtig los: Als erstes benötigt man Olivenseife (am Stück) und warmes Wasser. Dieses Gemisch wird später mit Hilfe einer Ballbrause auf die Wolle gespritzt.
Bevor es ans Filzen geht, wird eine Vorlage aus Noppenfolie ausgeschnitten und auf den Tisch gelegt. Bereits hier sei gesagt, eine Menge Handtücher liegen am besten direkt parat, denn es kann mitunter etwas nass werden.
Nun wird die erste Schicht Wolle ausgelegt. Chrastek verwendet hierfür Merinowolle, da man mit ihr „wunderschöne Farbverläufe hinbekommt“, so die Expertin. Nachdem die erste Schicht Wolle ausgelegt ist, wird diese durchnässt. Insbesondere für Kinder, so Chrastek, ein riesen Spaß: „Manche der Kleinen können sich stundenlang damit beschäftigen die Ballbrause mit Wasser aufzufüllen und wieder zu leeren.“ Wenn die Wolle komplett durchnässt ist, kommt wieder eine Schicht Noppenfolie darauf, alleswird platt gedrückt und gewendet. Dieser Prozess wird mit einer zweiten Schicht wiederholt. „Hier muss vor allem darauf geachtet werden, dass die Wolle gut durchnässt ist und gleich viel Wolle an allen Stellen liegt. Wenn an einer Stelle zu wenig Wolle liegt, kann dies später zu Löchern führen“, erläutert Chrastek.
„Es ist ein Gefühl“
Sind all diese Vorbereitungen erledigt, geht es ans Filzen: Dafür werden Gardinenreste auf die Wolle gelegt, Olivenseifenkrümmel und dann wird die Wolle bearbeitet. Dies ist der eigentliche Prozess des Filzens. Doch woher weiß man, wann die Wolle „fertig“ ist?
„Es ist ein Gefühl. Das kann kein Ratgeber beschreiben. Man muss die Wolle fühlen und dann merkt man, wenn sie fertig gefilzt ist.“
Als Laie mit Sicherheit nicht so einfach, aber umso öfter man filzt, umso mehr entwickelt man ein Gefühl dafür, versichert die Filz-Expertin.
Chrastek geht auch regelmäßig, insbesondere zur Weihnachtszeit auf Märkte, um ihre Filzarbeiten zu verkaufen. Hier zeigt sich auch immer wieder, so erzählt sie, der individuelle Charakter der Filzarbeiten: „Auch wenn auf einem Markt mehrere Frauen mit Filzartikeln stehen, sind alle doch individuell, da jeder etwas anders filzt und dadurch die persönliche Note miteinfließt.“
Langsam dämmert es und die Kulisse des Türmchens tut ihr Übriges, sich wie in einem verwunschenen Zaubertürmchen zu fühlen. Doch jeder Aufenthalt in einer anderen Welt ist einmal vorbei. Die zauberhaften Stunden bleiben jedoch in Erinnerung und unsere Fotografin stellt abschließend fest: „Jede Frau braucht ein Türmchen“. Ein Türmchen, indem man seiner Kreativität freien Lauf lassen kann und für einige Stunden fernab der stressigen Alltagswelt ist.
Autor:Sarah Dickel aus Moers |
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