Der "Grafschafter" berichtet 1853
Wie's im Goldlande Kalifornien zugeht
gefunden und aufgeschrieben von Hansfried Münchberg
Die zweimal wöchentlich zum Preis von vierteljährlich 10 Silbergroschen erscheinende Zeitung "Dorf Chronik & Grafschafter" unterrichtet die Leser in der Grafschaft Moers im Jahr 1853 über die Zustände in Goldgräberkreisen in Kalifornien. Ein dort gelandeter Goldgräber hat einen Brief nach Moers geschrieben, in dem er sehr detailliert und anschaulich über das Leben und die Bedingungen im gelobten Lande schildert. Der "Grafschafter" schreibt:
Aus einem langen Briefe, den ein Deutscher unterm 30. April v. J. aus Kalifornien geschrieben hat, wollen wir unseren Lesern doch ein paar Stellen mitteilen, damit wir auch etwas vom Goldlande erfahren.
Die Stellen aus dem Briefe lauten nun:
„Das Klima Kaliforniens, besonders hier in unserem Gebirge, ist ein sehr gesundes und in mehr als einer Beziehung ausgezeichnetes. Ich habe gar manche Nacht im Freien bei Regen und Schnee, selbst ohne wollene Decke geschlafen und bin dabei doch fortwährend gesund geblieben. Die Arbeit und die Strapazen haben meinen Körper so abgehärtet, daß ich Ermüdung nur den Namen nach kenne und ohne die mindeste Beschwerde die höchsten Gebirge erklimmen kann.
Der Sommer, der vom April bis November dauert, ist zwar sehr warm; es wird jedoch die Hitze durch die täglich von 11 Uhr früh bis 3 Uhr nachmittags wehende See Luft angenehm abgekühlt. Die Nächte sind, ohne schwül zu sein, angenehm warm, und die Abendluft ist sehr erquickend. Während des ganzen Sommers regnet es gar nicht; der Winter aber ist eigentlich nur eine mehr oder weniger streng anhaltende Regenzeit. Obgleich wir uns hier in einem über 3000 Fuß hohen Gebirge befinden, so ist doch der Schnee selten und wird, wenn er nachts gefallen, am Morgen von der Sonne sofort wieder aufgeleckt.
Der Boden des Landes ist besonders in den großen Ebenen am Sacramento, am San Joaquim und anderen Flüssen äußerst fruchtbar und ergiebig. Namentlich rentiert der Gartenbau sehr gut, da die Gemüse hier einen hohen Preis haben. Kostet doch z. B. ein Kohlkopf einen halben Dollar. Obstbäume aller Art, Feigen, Mandelbäume, Granatapfelbäume, auch der Weinstock, gedeihen ganz vorzüglich im Freien. Welchen Reichtum könnte hier aber ein fleißiger Ackerbebauer gewinnen, vorausgesetzt, daß er sich in die eigentümlichen Verhältnisse des Landes zu finden wüßte!
Ackerland gibt es hier im Überfluss und es wird von der Regierung für ein wahres Spottgeld verkauft. Den Morgen von 250 Quadrat=Ruthen erhält man zu 1¼ Dollar bei ¼ Dollar Anzahlung. Freilich muß man gleich eine ganze Sektion oder 160 Morgen auf einmal nehmen. Aber wie wenig Geld braucht man auch zu einem solchen Ankaufe! Und hat man späterhin das Ackerland nicht ganz steuerfrei? Wie viel könnte man auch durch gute Viehzucht, die jetzt hier ganz vernachlässigt ist, gewinnen! Milch und frische Butter sind kaum im Lande zu haben! ein Ei kostet ½ Dollar.
Die Arbeit bei dem Goldgraben ist zwar hart und mühsam; wenn man 6—7 Stunden täglich gearbeitet hat, so ist der tägliche Erwerb auf 6 Dollars anzunehmen. Freilich muß man dabei nur kräftige Speisen genießen, weil sonst gar zu leicht der Skorbut sich einstellt. Ich habe viele Leute hier gekannt, die das, was sie dem Munde abgeizten, dem Arzte geben mußten. Mit einer Ausgabe von 10 Dollars für Speise und Trank in der Woche kann man ausreichen. Rechnet man nun für Handwerkszeug und Kleidung noch 2 Dollars ab, so kann man, selbst bei nur geringem Glück, 20 Dollars in der Woche erübrigen.
Freilich gibt es hier Goldsucher genug, die weniger verdienen und mehr verzehren; allein sie sind entweder allzu träge oder fangen die Arbeit nicht richtig an. Ich muß hier nämlich noch bemerken, daß zum Geschäft des Goldgrabens große Ausdauer gehört. Man darf es sich nicht verdrießen lassen, wenn man 8 Tage, ja, oft mehrere Wochen lang, täglich kaum 1 Dollar gewinnt, sondern muß in solchem Falle auf das spätere Glück rechnen, wo man in der Woche vielleicht 2 Unzen und noch mehr finden kann.
Es gibt hier Leute, die so vom Glücke begünstigt wurden, daß sie, arm angekommen, die Minen schon nach kurzer Zeit mit einem großen Vermögen verlassen konnten. Das wird nicht Wunder nehmen, wenn ich bemerke, daß selbst in unserer Nähe das Gold in Stücken von 10, 20, 50, ja, in einem vorgekommenen Falle von 92 Pfund gefunden wurde; daß ich selber vor nicht langer Zeit aus einem Eimer zersplitterten Grundfelsens 355 Dollars oder 1 Pfund 10 Unzen und 3 Dollars reines Gold wusch, ja, daß ich mit einem Freunde einst aus einer 12 Fuß langen, 8 Fuß breiten und 20 Fuß tiefen Grube durch 8tägige Arbeit 61 Unzen oder etwa 1000 Dollars gewann. Einige Meilen von uns hatten Franzosen mehrere Gruben von 50—75 Fuß Tiefe geöffnet, deren Ausbeute so ergiebig war, daß sie mitunter aus einer einzigen Grube 100 Pfund Gold und noch mehr nahmen, dadurch aber auch den Neid der Amerikaner in hohem Grade reizten.
Von Zeit zu Zeit werden die Minen von Goldaufkäufern besucht, die das gefundene ungeprägte Gold gegen geprägtes Gold und Silber eintauschen. Zu uns kommt häufig ein deutscher Jude, Namens Holberg, der erst vor Kurzem 200 Dollars für ein einziges Stück Gold an mich zahlte, das ich am 31. Dez. abends 5 Uhr, in einer Grube, und zwar im nämlichen Augenblicke fand, als ich eben die Arbeit verlassen wollte. Schon hatte ich mich zum Fortgehen angeschickt, da sehe ich mich noch einmal in der Grube um und gewahre unter einem noch nicht losgebrochenen Stein etwas Schimmerndes. Bald war der Stein gehoben und ein Stück soliden Goldes, das ein Pfund und ein Loth wog, befand sich in meiner Hand. Sie können denken mit welchem Jubel ich zu den Gefährten in unserem Häuschen zurückkehrte. Draußen war es Nacht geworden, aber in unserem Hausraume loderten bald die Wachskerzen und das Kaminfeuer und wir feierten eine herrliche Neujahrsnacht, der Lieben im fernen Vaterlande gedenkend.
Die Gesetzgebung ist nur in einzelnen, vorzugsweise notwendigen Stücken gehörig ausgebildet, in diesen dann aber auch das Gesetz streng. Dies gilt vorzüglich von der Sicherheit des Eigentums.
Für die persönliche Sicherheit sorgte die Gesetzgebung weit weniger, als für die Sicherheit des Eigentums, und daher sind blutige Streitigkeiten, Raufereien zwischen Einzelnen, Duelle an der Tagesordnung; ja, sie gehören für die Zuschauer nicht selten zu den besonderen Vergnügungen.
Der Mord wird nicht eben streng genommen, oft selbst nicht einmal zur Anzeige gebracht, und geschieht es dennoch, so wird er vom Gerichte leicht so angesehen, als ob er zur Verteidigung des Eigentums, auf dessen Verletzung Todesstrafe steht, notwendig gewesen sei. Wenn mich daher Jemand auf irgend eine Weise angreift, und ich schieße ihn mit meinem rasch gezogenen Pistole über den Haufen, so heißt es von mir: ich habe das meiner Verteidigung halber tun müssen. Ich werde alsdann sofort freigesprochen.
Von einem religiösen Leben (von Gottesfurcht) ist unter den Goldgräbern keine Spur.“
Autor:Hansfried Münchberg aus Moers |
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