Moers präsentiert Japan, Namibia und die Welt
mœrs festival 2024: Das übliche, nicht Weltbewegende Großfamilientreffen
Die traditionelle Vorstellung des diesjährigen Festivalprogramms via einer theatralischen Vorführung ersetzte das Festival-Team durch eine hochprofessionelle Präsentation in der Konzernzentrale der mörzz-Enterprise, einem Unternehmen, dass das Jazz-Festival für Musik, BeSinnung, Politik und Superheldinnen und -helden veranstaltet. Die CEO’s Tim Isfort und Jeanne-Marie Varain erläuterten den anwesenden Shareholdern (Bürgermeister Christoph Fleischhauer und Finanzminister Wolfgang Thoenes) das Investitionsprojekt „Bringt Musiker*innen aus der ganzen Welt nach Moers und entzückt die Bürger!“ Ein Unternehmen mit solch einer Erfolgsgeschichte überträgt das Ereignis selbstverständlich live mittels WorldWideWeb zu allen potentiellen Anlegern. Dass sich auch die zahlreichen Musikinteressierten messbar einschalteten, erhöht den Wert dieser Veranstaltung für die Investoren des guten Hörens immens.
In einem unterhaltsamen Schlagabtausch zwischen Varain und Isfort wurden die investigativen Reisen nach Japan und Namibia visuell vorgestellt – Isfort sprach gar mit Einheimischen in Tokyo und Windhuk, unternahm Exkursionen in die jeweiligen Provinzen, konnte dort das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen und sie zu einer fernen Reise in dieses Deutschland überreden. Sie sagten zur Überraschung zu und gaben kund, den Moersern ihre Art der Musik, ob Jahrhunderte Jahre alt oder kürzlich komponiert, vorzuspielen. Und nicht nur das, sie sagten zu, Tanz, Ausdruck, Bewegung, Kreativität und ein Museum mitzubringen.
Bislang erreichten den musikalischen Leiter, Tim Isfort, Zusagen aus 21 Ländern, von Australien über Irland und Österreich hin zu Uganda und somit werden mindestens 80 Auftritte in der Festivalhalle, am Rodelberg, im Gymnasium Filder Benden sowie auf dem gesamten Stadtgebiet verteilt, stattfinden. Die diesjährige Improviser in Residence, Virginia Genta, ist nun bereits seit zwei Monaten fleißig dabei, die Stadt zu erkunden und immer wieder schafft sie es, die Bürger mit unangekündigten Solo-Konzerten zu überraschen. Dabei kommt des Öfteren heraus, dass etliche Moerser die seit dem Jahr 2008 existierende Institution einer Stadtmusikerin oder Stadtmusikers noch nicht kennen. Die sympathische Italienerin wird an Pfingsten mehrfach aktiv zu hören sein. Auch die im letzten Jahr gestartete Kooperation mit dem Cafe OTO in London wird fortgesetzt, bislang ist das Quartett „Brüssel/Charles/ Hawkins/Wittbrodt gesetzt. Zeena Parkins aus den USA wird zum achten Mal in Moers auftreten, aus Deutschland zum x-ten Mal Carolin Pook und Sebastian Gramms, um nur wenige als Beispiel zu nennen.
Der beliebte Wettbewerb der jungen Komponistinnen und Komponisten, bislang unter den Labels „composer kids“, „mœrsterclass“ und „le petit macabre“ bekannt, heißt in diesem Jahr „Captain Niederrhein im Rausch des Unimœrsums“ und wird kuratiert von Lukas Döhler und, neu, Leticia Isabel Carrera. Der Komponist Döhler und die Trompeterin Carrera werden die eingereichten Musikstücke werten, Arrangements erstellen und diese werden an Pfingsten auf großer Bühne von den jungen Talenten und den professionellen Festivalmusikern präsentiert.
Zu den Örtlichkeiten verändert sich in diesem Jahr wenig. Vor der Festivalhalle befindet sich ein Teil des Festivaldorfes mit den Verkaufsständen und den Ess- und Trinkangeboten. Der größte Teil ist wiederum am Rodelberg platziert und der Hof am Gymnasium bietet Leckeres aus Nah und Fern.
Als ein Highlight des letzten Jahres erwies sich (abseits der Musik) das „Wo-die-wilden-Kinder-wohnen-Land“ – massenhaft besucht, genutzt und von den Kleinen geliebt! Besondere Beachtung erfuhr die kleine Bühne, hier präsentierten die Profis den Kindern diverse Musikinstrumente, teils in Minivarianten für die Kinderhände. Die Musiker aus dem Festivalprogramm zeigten den Kleinen, wie sie Trompeten, Posaunen et cetera blasen und auf Percussionsinstrumenten schlagen konnten. Es war interessant zu beobachten, dass etliche interessierte Mütter und Väter ihre Kinder vorschickten, das ein oder andere Instrument auszuprobieren. Eventuell sollte das Festival-Team überlegen, diesen Service auch Erwachsenen anzubieten.
Auf der „mœrs-festival.de“ – Website sind zeitnah aktuelle Informationen einzusehen sowie die jeweiligen Auftritte der Bands und Solo-Musikerinnen und Musiker, die Orte und die Zeiten werden vom Festival-Team in Kürze zusammengestellt.
Das mœrs festival steht seit der Erstausgabe 1972 auch für eine gesellschaftliche und eine politische Aussage. In den 1990er Jahren gab es in vielen Ländern dieses Planeten eine positive Stimmung, der Ost-West-Konflikt schien aufgelöst, kein militärisches Wettrüsten mehr nötig, Europa rückte zusammen trotz der Jugoslawienkriege – die Welt mutete friedlicher an. Nach dem Jahrtausendwechsel gab es neue Kriege, neue Radikalitäten, einen kuriosen Präsidenten jenseits des Atlantiks und einen mehr und mehr befremdlichen im Osten. Statt in Menschen muss nun wieder in Kriegsgerät investiert werden. Das ist traurig. Kann ein Independent-Festival in Moers, einer 100000-Einwohner-Stadt, dem entgegentreten? Ja. Diese Stadt kann den mehr als 83 Millionen Menschen, die in diesem Land leben, für vier Tage zeigen, was möglich ist. Und genau das möchten alle Musikerinnern und Musiker, die anreisen.
Moers freut sich auf vier Tage des Friedens an Pfingsten, auf helle Tage, auf Lust, auf Neugierde, was die fernen Gäste darbieten werden.
Klaus Denzer
Autor:Klaus Denzer aus Moers |
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