Vor 100 Jahren
Höchstens dreimal Lachs pro Woche für die Dienstboten
Aus einem vor ziemlich genau 100 Jahren erschienenen Arbeitsbuch „Der Regierungsbezirk Düsseldorf, Ottsen, Verlag Steiger Moers lässt sich erahnen, wie reich einst unser stolzer Heimatstrom, der Niederrhein mit Fischen gesegnet war. Der Bericht beginnt mit:
"Der Salm oder Lachs ist heute (1925) durch Dampfschiffahrt, Verunreinigung des Wassers, Abpflasterung der Ufer usw. viel seltener als vor 50 – 100 Jahren. Noch 1850 wurde in vielen Dienstverträgen am Mittel- und Niederrhein ausdrücklich vereinbart, daß man den Dienstboten und Handwerkern nicht mehr als höchstens dreimal die Woche Lachs zum Essen geben sollte."
Der Lachs wäre vielleicht noch viel seltener geworden, vielleicht schon ausgestorben, wenn nicht schon vor 30 Jahren von allen Rheinuferstaaten ein Vertrag geschlossen worden wäre, Künftig für die Erhaltung des Lachses zu sorgen. An bestimmten Stellen innerhalb der Stromstrecke von der Schweiz bis zur Mündung der Sieg werden in der Hauptfangzeit im Winter Lachseier den weiblichen Tieren entnommen und in besonderen Anstalten ausgebrütet. Die jungen Fische werden im März oder April als Jungbrut in Nebenbächen des Rheins an geeigneten Stellen ausgesetzt. Sie bleiben in den Bächen und Nebenflüssen etwa 2-3 Jahre und wandern dann zum Meere, um 3-4 Jahre später als erwachsene Lachse zurückzukehren. Dies ist dadurch genau nachgewiesen, daß schon seit Jahren eine große Anzahl junger Lachse vor dem Aussetzen in irgendeiner Weise gezeichnet wird, so daß beim Fang solcher Tiere genau fest gestellt werden kann wann und und wo sie ausgesetzt sind.
Allein Preußen muß auf der Strecke von Bingen bis zur holländischen Grenze jedes Jahr 2 Millionen junger Lachse aussetzen. Ähnliche Verpflichtungen haben die anderen deutschen Staaten übernommen.
Der im preußischen Rhein gefangene Lachs gilt bei Feinschmeckern als der beste in Deutschland.
Es ist das um so auffallender, als alle Lachse, auch die in Ems, Weser, Oder und Weichsel gefangenen, aus dem Atlantischen Ozean kommen und die Nordsee passieren.
Die im Niederrhein gefangenen Lachse gehen zum größten Teil nach Paris, wo sie die höchsten Preise erzielen, obschon dort Lachse aus aller Welt zusammenkommen, namentlich aus Norwegen, Schottland und Kanada.
Nach dem Jahresbericht des Rheinischen Fischereivereins für das Jahr 1908/09 wurden in dem Berichtsjahre gefangen in:
1. Regierungsbezirk Trier (Mosel- und Saargebiet) 1 258 Stück
2. Regierungsbezirk Koblenz (Klodt bei St.Goar, Örtchen bei Oberwesel) 105 Stück
3. Regierungsbezirk Köln (im Rhein 696, in der Sieg 325, in der Agger 3) 1 024 Stück
4. Regierungsbezirk Düsseldorf 3 951 Stück
Im Moselgebiet sind Sauer und Dur, die Grenzflüsse zwischen Preußen und Luxemburg, weitaus am wichtigsten für den Fang in ihnen wurden allein 748 Stück gefangen; an zweiter Stelle steht
der Prümbach mit 157 Lachsen. Das Durchschnittsgewicht betrug
im Moselgebiet etwa 5 kg.
Weit größer waren die im Bezirk Koblenz gefangenen 105 Stück,
deren Durchschnittsgewicht reichlich 8 kg betrug.
An erster Stelle steht, wie die Übersicht zeigt, der Regierungsbezirk Düsseldorf. Hierzu folgende genauere Angaben:
1. Försterei Dornick (oberhalb Emmerich) 264 1 602
2 Strommeister-Bezirk Spyck (unterhalb Emmerich) 208 1 040
Emmerich 685 4 841
Wesel 772 5 150
Lohmannsheide (b. Baerl) 1 406 7 656
Homberg 216 1 367
Hamm (b Düsseldorf).. 392 2 798
Ruhr 8 54
Zusammen 3951 24 508
Die Zahl der in der Rheinprovinz gefangenen Lachse ist großen
Schwankungen unterworfen. Sie betrug in den Jahren:
1893/94 1621 1897/98 8400 1901/02 4628 1905/06 6277
1894/95= 565 1898/99 7045 1902/03 4908 1906/07 8775
1895/96 2691 1899/00 3950 1903/04 5402 1907/088119
1896/974274 1900/01 = 5677 1904/05 6776 1908/09 6338
Nun soll noch die Art und Weise des Fanges am Niederrhein kurz geschildert werden.
Zu Anfang des April machte ich vor einigen Jahren mit meinen Kindern und einem jungen Freunde einen Gang an den Rhein. Bei Grunland (östlich von Rheinberg) betraten wir seine Ufer, und nordwestlich davon hatten wir bald Gelegenheit, den Salmfang aus der Anschauung kennen zu lernen. Wir waren zu günstiger Stunde gekommen; denn bei unserer Ankunft waren Fischer im Begriff, ihre Boote ins Wasser zu lassen, um einen Zug zu tun.
Wir waren selbstverständlich eifrige Zuschauer.
Sechs Mann an der Arbeit! Wie mögen sie ihre Geschäfte verteilen? Drei halten das Ende des langen Netzes am Ufer fest, während die anderen drei ins Boot steigen und mit kräftigen Ruderschlägen den Kahn 100-150 m in den Strom hinaustreiben.
Die starke Strömung des Rheins erfasst das kleine Fahrzeug und treibt es schnell flußabwärts. Währenddessen wird das lange Netz allmählich vom Kahn aus ins Wasser gelassen. Nachdem auch das letzte Stück den Händen der Fischer entglitten ist, steigen die flinken Leute aus dem Boote ins seichte Wasser des Ufers, dem man sich allmählich wieder genähert hat.
Was haben nun die Fischer, die am Lande blieben, in der Zwischenzeit getan? Sie sind langsam dem abwärts segelnden Boote gefolgt, während sie mit Mühe das von der Gewalt der Strömung erfasste Netz an dem einen Ende festhalten. Man sieht, wie alle drei sich fest in den Sand des Ufers stemmen, um dem scharfen Zuge des Netzes zu widerstehen. Nachdem die ihnen im Boot vorausgeeilten Genossen dieses verlassen haben, wird das Netz eingezogen.
Wir haben nun Gelegenheit, es zu betrachten. Die kräftigen Seile, die es halten, sind an starken Hölzern von mehr als Armdicke befestigt. Die obere Seite des Netzes wird im Wasser durch etwa 10 cm lange, 2 cm dicke und 4-5 cm breite Pappelhölzchen nach oben gezogen, während die Bleilote an der Unterseite es in die Tiefe ziehen.
Wir blicken nun mit Spannung dem Erfolg des Fischzuges entgegen, der etwa eine halbe Stunde gedauert hat. Die schweigsamen Männer wechseln einige wenige, uns unverständliche Worte, die uns aber ahnen lassen, daß der Zug nicht vergeblich gewesen ist. Noch liegt ein großer Teil des Netzes im Wasser, aber allmählich wird es eingeholt. Bald erkennen wir nun auch die wichtigste Beute dieses Zuges: ein großer Rheinsalm ist ins Netz gegangen. Wird der stattliche Fisch nicht durch einen kühnen Sprung aus dem Netz heraus sich der Gefangenschaft entziehen? Auf meine Frage antworten die Fischer: Wahrscheinlich nicht!" Ich schließe daraus, daß es doch wohl mitunter vorkommt.
Nun die letzten Züge, und der prächtige Fisch wird im Netz ans Land gezogen. Er schlägt mit dem Schwanz das Wasser so stark, daß wir unwillkürlich einige Schritte zurücktreten. Doch alle Anstrengung hilft ihm nicht. Einer der Fischer nimmt einen 30-40 cm langen und 3-4 cm dicken Stock, versetzt dem Gefangenen ein paar Schläge damit auf den Kopf, und der Salm rührt sich nicht mehr.
Der Fischer fasst unter die Kiemen und wirft ihn ans Land.
Jetzt können wir ihn genauer betrachten. Ich messe die Körperlänge: ziemlich genau 1 m. Wie schwer mag er sein? Man sagt mir: 8-9 kg. Die Oberseite ist blaugrau, Seiten und Bauch sind silberweiß. In der Mitte der Seite zieht sich eine Reihe von kräftigen schwarzen Punkten hin.
Natürlich möchten wir wissen, wie viel ein solcher echter Rheinsalm kostet. Die Preise sind schwankend. Sie betrugen damals (zu Anfang April 1925) 6-8 M. für das kg. Ein Fischzug, der auch nur einen Salm ins Netz führt, ist also schon lohnend; aber mancher Zug wird auch erfolglos getan.
Was hat das Netz sonst eingebracht? Recht wenig! Nur einige Weißfische und einen Flußbarsch. Sie würden die Kosten des Fischzuges nicht decken. Diese müssen aus dem Salmfang bestritten werden.
Quelle Bilder und Text: „Der Regierungsbezirk Düsseldorf, Ottsen, 1925 Verlag Aug. Steiger
Autor:Hansfried Münchberg aus Moers |
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