Glück auf, Glück auf - der Segway kommt!

Gemeinsam starteten die Teilnehmer der Tour „Bergbau erfahren“ am Rathausplatz in Kamp-Lintfort. | Foto: Heike Cervellera
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  • Gemeinsam starteten die Teilnehmer der Tour „Bergbau erfahren“ am Rathausplatz in Kamp-Lintfort.
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Der Bergbau. Eine Institution, die eine lange Tradition hier am Niederrhein hat. Doch für jüngere Menschen ist das Thema oftmals etwas „verstaubt“. Die Stadt Kamp-Lintfort hat reagiert und bringt den Bergbau neuerdings innovativ rüber - Fahrtwind inklusive.

Der Bergbau hat eine lange Geschichte und nicht selten trifft man am Niederrhein auf Menschen, Männer, die selbst unter Tage gearbeitet haben. Die Zechen haben das Stadtbild und die Geschichte geprägt. Grund genug, um Führungen zu wichtigen Ankerpunkten des Bergbaus, wie zum Beispiel dem Lehrstollen in Kamp-Lintfort, zu unternehmen.

Doch dabei noch eine Stadtführung einbauen? Und das alles in knapp drei Stunden? Kaum machbar. Außer, ja, außer, es wird ein Fortbewegungsmittel verwendet, mit dem die Teilnehmer mit bis zu 18 Stundenkilometern von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit düsen können. Wie das möglich ist? Mit einem Segway.

Segways sind Fahrzeuge, die als personelle Transporter verwendet werden. Gerade in Bereichen, wo Menschen viele Kilometer zurücklegen müssen, wie auf Flughäfen, Golfplätzen oder bei Stadtführungen, eignen sich die Fahrgeräte besonders.

Schildkrötenmodus für die Segway-Einsteiger

Zu Beginn wurden wir also erstmal von der Firma Fit4Seg in die Handhabung des Segways eingeführt. Das bedeutet, Aufsteigen auf den Segway und Probe fahren. Natürlich erstmal im gedrosselten Modus. Schildkrötenmodus nennen die Experten das. Das heißt, mit sechs Stundenkilometern fahren. Um erstmal mit dem Gerät vertraut zu werden, ist das optimal. Die Teilnehmer haben so die Möglichkeit, sich mit dem Segway vertraut zu machen. Wenn das einigermaßen klappt, wird der Schildkrötenmodus herausgenommen und die Segways können bis zu 18 Stundenkilometer fahren.

So fuhren wir dann zum ersten Stopp durch die Kamp-Lintforter Innenstadt und wurden bereits von neugierigen Blicken begleitet. Menschen, die auf Segways fahren, sind immer noch für die Vielzahl der Bevölkerung, insbesondere in kleineren Städten, ungewohnt. So war es nicht verwunderlich, dass unsere Truppe von neugierigen bis zu begeisterten Blicken begleitet wurde. Oftmals wurde uns auch zugewunken und die Autos hielten gerne an, um uns passieren zu lassen.
Der erste Stopp war am Milchbüdchen am kleinen Markt. Wie an jedem Stopp erzählte Bernhard Kames vom Verein Niederrhein einige Besonderheiten zu den Sehenswürdigkeiten. Das Besondere an der alten Zechensiedlung, durch die wir durchgefahren sind, war, dass es dort früher keine Kneipen oder ähnliches geben durfte. Nur außerhalb der Siedlung war das erlaubt. Das heißt, die Bergmänner, die nach der Arbeit ein Bier trinken wollten, mussten dies außerhalb ihrer Siedlung machen. Heutzutage kaum vorstellbar. Anhand ein paar Fotos zeigte uns Kames, wie es auf dem kleinen Markt früher aussah, bevor wir uns auf zum nächsten Stopp machten.

Anfangs gab es noch etwas Startschwierigkeiten beim Wiederaufsteigen, aber da wir von mehreren Experten von Fit4Seg begleitet wurden, war immer schnell jemand da, der geholfen hat. Der nächste Stopp war am Haus der Bergmanns. Die eine Hälfte des alten Häuschens ist im Stil einer Bergarbeiterwohnung der 1920er Jahre nachempfunden und eingerichtet worden. Die andere Hälfte vermittelt durch technische Geräte, Grubenlampen und historische Foto, Eindrücke von der Arbeit unter Tage.

Unser nächster Halt war am Lehrstollen der Zeche Friedrich-Heinrich. Der alte Stollen wurde Anfang der 1970er Jahre von Auszubildenden erbaut und dient heute zur Veranschaulichung der Arbeit der Bergmänner. Während unseres 30-minütigen Stopps wurden wir von Günter Müller, ehrenamtlicher Guide, durch den Lehr- stollen geführt. Zu Beginn erzählte er uns, was für jeden Bergmann unabdingbar war: „Wenn die Männer unter Tage fuhren, musste jeder eine Grubenlampe und einen CO-Selbstretter mit dabei haben. Die Geräte wurden an einem Bauchgürtel befestigt. Oftmals hat es nach einiger Zeit ganz schön gescheuert und abends hatte man wunde Punkte.“ Aber lebenswichtig waren sie, denn wenn es zu Explosionen oder Brandschwaden kam, konnte der CO-Selbstretter eben machen, wofür er konzipiert war: Leben retten.

Müller zeigte uns die verschiedenen Kabelstärken, mit denen unter Tage gearbeitet wurde. Die stärksten haben 10.000 Volt: „Da musste man schon enorm vorsichtig sein, dass kein Kabel beschädigt wird“, so Müller. Die letzte Kohle wurde auf Friedrich-Heinrich Silvester 2012 gefördert und liegt auch heute noch zur Besichtigung aus. Mit der Förderung der letzten Kohle ging auf dem Bergwerk eine lange Geschichte zu Ende und es ist schön, dass Besucher durch den Lehrstollen die Möglichkeit haben, sich diese Geschichte noch lebendig anzuschauen. Insbesondere Schulklassen und kleine Kinder haben viel Spaß, wenn es in die Tiefe des Lehrstollens geht, so Müller.

Wieder draußen am Tageslicht ging die Tour weiter. Nun lag eine weite Strecke vor uns, wir konnten einmal richtig Gas geben und die Landschaft um uns herum genießen. Durch das Stephanswäldchen ging es Richtung Kloster Kamp.
Mittlerweile war es schon Abend geworden und man spürte den Fahrtwind um die Nase. Gut, dass die Organisatorin vorab geraten hatte, sich warm einzupacken. Nachmittags in der Sonne sah es noch etwas komisch aus, mit einem dicken Mantel und Handschuhen bewaffnet herumzufahren, aber mittlerweile war ich sehr froh um meine Handschuhe.

Am Terrassengarten angekommen, erzählte uns Kames einiges zu dessen Besonderheiten: „Den Auftrag zum Bau des Terrassengartens erteilte Franziskus Daniels aus Grevenbroich, Abt im Kloster Kamp, bereits im Jahr 1740. Somit liegt die Bauzeit einige Jahre vor der Bauzeit des Terrassengartens von Schloss Sanssouci in Potsdam. Es wird gemunkelt, dass der Terrassengarten in Kloster Kamp als Vorlage diente.“

Nach unserem letzten Stopp führte uns die Fahrt durch das Stephanswäldchen, entlang der Friedrich-Heinrich-Allee, über den Campus der Hochschule Rhein-Waal, zurück zum Rathaus. Eine abwechslungsreiche Tour ging zu Ende und alle Teilnehmer waren sich einig, dass dies mal eine Stadtführung im ganz anderen Stile war. In diesem Sinne: Glück auf!

Autor:

Sarah Dickel aus Moers

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