"Das ist alles Schrott!"
Nach vier aufregenden Tagen mœrs festival sprach das Wochen-Magazin mit Tim Isfort über seine Premiere als künstlerischer Leiter des Musik-Spektakels.
Von Karsten Schubert
Das erste mœrs festival mit komplett neuer Mannschaft ist bereits Geschichte. Tim Isfort stand gefühlt bei jeder Anmoderation auf einer der vielen Bühnen.
"Wir hatten ein durchgetaktetes Programm und mir war es wichtig, Verantwortung zu zeigen. Wir haben viel versucht und jetzt halte ich auch mein Gesicht dafür hin."
Und dafür gab es bisher nur Schulterklopfen und positives Feedback?
"Nicht nur, es gibt natürlich auch immer ein paar Nörgler. Einer zum Bespiel schrieb ins Gästebuch auf unserer Homepage: "Das war alles Schrott". Das lassen wir dann auch einfach mal so stehen. Was absolut nicht in Ordnung ist, wenn es zu persönlichen Beleidigungen kommt, da ist es unser Recht und auch unsere Pflicht, so etwas zu löschen. Aber das Positive hat überwogen. In unserem Kummerkasten vor Ort war sehr viel gewesen. Im Endeffekt war das sogar ein besseres Gästebuch, denn es waren einige, zum Teil sehr motivierende Sachen, darin. Und auch in den Medien hatten wir durchweg eine positive Resonanz. Kleinigkeiten wurden eher bemängelt. Zum Beispiel vermisste jemand den roten Faden. Ganz wenige haben auch die Biertische in den ersten Reihen der Hauptbühne moniert. Wir haben aber bewusst eine Mittelbühne installiert. Und die funktioniert nur, wenn sich das Publikum davor auch umdrehen kann."
Pflänzchen gesetzt
Wie gut wurde das Festival angenommen?
"Wir hatten an den vier Tagen insgesamt rund 8.000 Zuschauer in der Halle, auf dem Gelände zwischen 25.000 und 30.000. Und was ich spitze fand, war der Montagabend, an dem sonst immer eine Abwanderung zu verzeichnen ist. Aber: Die Festivalhalle war bis zum Ende voll. Auch die Spielorte in der Innenstadt wurden sehr gut angenommen. Das ist das Pflänzchen, das wir dieses Jahr gesetzt haben. Darauf können wir jetzt aufbauen."
Was hat nicht geklappt?
"Wir haben dieses Jahr schon versucht einen Fahrradverleih ans Bord zu holen. Das ist natürlich eine Kostenfrage und einen Sponsor dafür haben wir noch nicht gefunden. Alternativ könnte auch ein Shuttlebus für die Besucher eingesetzt werden, aber den kann man dann wohl nicht kostenlos anbieten. Und dann haben wir selbst erlebt, dass man, wenn man morgens auf das Festivalgelände kam, dort keine Brötchen kaufen konnte. Wir schauen dann im nächsten Jahr, dass wir einen regionalen Bäcker vor Ort haben, der Camper, Mitarbeiter und Beschicker vor Eröffnung des Marktes mit Kaffee und Frühstück versorgen kann."
Viele Moerser trauen der Zeit im Park hinterher
Was ist besser als früher?
"Der Sound in der Halle ist super. Die Firma contour hat das Jahr für Jahr verfeinert, das ist nicht mehr mit der Akustik im Zelt vergleichbar. Viele Moerser trauen ja der Zeit im Park hinterher, dagegen steht jetzt der, wie Claus Arndt gerne zu sagen pflegt, uncharmante Parkplatz, den ich auch nicht schönreden kann. Wir können nur versuchen, ihn ansehnlicher zu gestalten. Das haben wir dieses Jahr schon mit den Paletten und Sitzmöbeln versucht; das werden wir Step by Step weiterverfolgen."
Gabs da keine Probleme mit den Anwohnern?
"Die Damen und Herren von der Anwohnerinitiative am Park waren super. Die haben gesehen, dass wir uns an Ruhezeiten und Absprachen halten. Eine hat uns angerufen und meinte, dass sie es super findet, was wir machen würden, aber ihr würde die Musik nicht gefallen. Damit kann ich leben und es war ein sehr angenehmes Telefonat. Prinzipiell ist zu sagen, dass die Anwohner sehr vorurteilsfrei reagiert haben."
Dann konnten diese ja alle beruhigt schlafen. Wie sah es bei Ihnen aus?
"In den zwei Wochen vor und auch während des mœrs festivals habe ich maximal vier Stunden in der Nacht geschlafen und war fit. Jetzt nach dem Ganzen schlafe ich wieder sieben Stunden, es kommt mir aber nach wie vor so vor, als wenn es nur zwei wären. Irgendwie waren wir alle nach den vielen Schichten ziemlich durch."
Kein Festival ohne fleißige Helfer
Sie sind schon beim Festival 2018 oder noch im vergangenen?
"Sowohl als auch. Es ist noch endlos viel Nachbereitung. Es sind einige Gegenstände an Fundsachen von den Künstlern liegen geblieben, das haben wir jetzt erst einmal alles bei uns im Festivalbüro gesammelt und werden nun organisieren, dass alles wieder bei den rechtmäßigen Eigentümern ankommt. Abbau und Müllentsorgung haben wir schon, auch dank einigen Volontärs, geschafft. Bei denen werden wir uns auch noch einmal mit einer Aftershowparty im September bedanken. Ohne diese fleißigen Helfer hätte es das ganze Festival so nie gegeben. Von daher war es mir auch wichtig, dass ich, auch wenn es nicht alle waren, am Abschlussabend mit auf die Bühne geholt habe. Da ist eine tolle Truppe zusammengewachsen."
Was lief nicht so rund?
"Verpasste Flüge, verlorengegangenes Cello in New York, ein Musiker, der auf einmal nicht mehr auffindbar war, aber das ist der übliche Stress, den man im Hintergrund noch wuppen muss."
Sie sind Vollblutmusiker, Produzent und Arrangeur. Wie zufrieden waren Sie mit den Darbietungen auf den Bühnen?
"Sehr, ich war sogar positiv überrascht von so manchen Sachen. Bei der Dramaturgie in der Halle habe ich mir im Vorfeld viele Gedanken gemacht, inwiefern etwas gegeneinander schlägt oder zueinander passt, dass das eine zu dem anderen Bezug nimmt oder einen Kontrapunkt darstellt. Das war mir wichtig, genauso wie die Mittelbühne, dass von da eine Überraschung kam mit Acts, die man so auf der Hauptbühne nicht erwartet hätte. Und von der Außenbühne war ich total überrascht. Wir haben seit diesem Jahr eine Kooperation mit der Werner Richard - Dr. Carl Dörken Stiftung, welche sich um die Gage der Nachwuchskünstler kümmert und wir um die Logistik. Da waren richtig tolle Sachen dabei mit Potential für das Hauptprogramm."
Stichwort mœrsify, geht es damit im nächsten Jahr weiter?
"Unbedingt, mœrsify wollen wir sogar ausbauen. Wir hatten jetzt insgesamt 17 verschiedene Konzerte, 2018 sollen es dann über 20 werden. Wir haben das dieses Jahr als Investition gesehen, indem wir alles übernommen haben. Mein Wunsch ist, dass das in den nächsten zwei Jahren zum Selbstläufer wird und durch die Moerser Kaufmannschaft für die Moerser getragen wird."
Das Festival ist finanziell nicht auf Rosen gebettet. Wo haben Sie den Rotstift angesetzt?
"Wir haben jede einzelne Position angeschaut, was wir noch sparen können. So ist zum Beispiel das Essen beim Bürgermeisterempfang gestrichen worden und wir haben dieses Geld lieber in das Programm gesteckt. Ich fand es im Übrigen von Christoph Fleischhauer großartig, dass er sich dahin gestellt hat und das auch so verkauft hat."
Wie war die Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister?
"Da kann ich wirklich nur Positives berichten. Er hat vom ersten Moment an gesagt, er würde uns unterstützen, indem er auch zu den Pressekonferenzen mitgeht. Man merkt, dass er hinter dem mœrs festival steht, auch weil er gesehen hat, dass wir in die Stadt gehen. Ich erlebe ihn, dass Christoph Fleischhauer einfach da ist. Er ist ein Macher, genauso wie wir es sind. So kann man miteinander arbeiten."
Wie schauen die Planungen für 2018 aus?
"Die sind natürlich schon im vollen Gange. Einiges, was wir für dieses Jahr schon auf dem Zettel hatten, steckt jetzt in der Kladde fürs kommende. Dazu gehört auch, den neuen musikalischen Improviser in Residence rechtzeitig zu finden."
Die Musik war bunt, von den ruhigen bis zu den ganz lauten Tönen.
"So soll es sein. Und es klappt, dass erst eine Punkband auftritt und danach direkt ein kammermusikalisches Orchester mit 45 Leuten der Kategorie Weltklasse. Dass das nebeneinander funktioniert ist einfach auch ein Statement. Und es ist auch eine Aussage, dass man mit Brian Blade einen der weltbesten Jazzschlagzeuger nach Moers holt, der dann aber einen Auftritt als Singer-Songwriter darbietet. Geil wäre natürlich noch gewesen, er hätte am Samstag noch die Moers Sessions gestaltet, das ging aber wegen eines anderen Auftritts in Nijmegen aus organisatorischen Gründen nicht. Gewisse Statements gehen nur in Moers. Die kann man nur in Moers bringen, das darf Moers aber auch."
Atemlos
Das heißt, wir können uns nächstes Jahr auf Helene Fischer freuen?
"Wenn Helene Fischer bereit ist, mit einem sehr speziellen Künstler zusammen zu arbeiten, dann würde ich gar nichts ausschließen. Cocaine Piss feat. Mette Rasmussen ist da ein gutes Beispiel. Beide einzeln hat es in Moers schon stilistisch so gegeben, aber zusammen noch nicht. Aber dafür ist Moers die Plattform und das darf dann grandios werden, darf aber auch scheitern."
Autor:Lokalkompass Moers aus Moers |
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