Vor 440 Jahren
Als die Rheinberger „geMoersert“ wurden
Von Hansfried Münchberg
Unruhige Zeiten brachen zu Beginn des Jahres 1583, also vor 440 Jahren, über die gottesfürchtigen, treu katholischen Rheinberger herein. Das beschauliche Städtchen war zu dieser Zeit eine starke Festung. Umgeben von einer Stadtmauer, Wällen und Gräben war sie nur zugänglich über die vier Stadttore. Berckh, wie es damals hieß, damals noch direkt am Rhein gelegen, war mit seinem Zoll-Turm über die erhobenen Schiffs-Zölle eine wichtige Einnahmequelle des Kölner Erzbischofs.
Dieser Kirchenmann namens Gebhard Truchseß hatte zu Weihnachten des vorangegangenen Jahres 1582 seinen Übertritt zum Protestantismus erklärt. Dadurch war es ihm möglich, trotz seines geistlichen Standes, die Gräfin Agnes von Mansfeld zu ehelichen. Ursprünglich hatte er vor, die Würde des Kölner Erzbischofs und damit die Regierung niederzulegen. Von diesem Vorhaben ließ er aber ab, wie es ihm seine protestantischen Berater geraten hatten.
Als in Rheinberg die Nachricht von dem Übertritt Gebhards eintraf, war man bestürzt. Man erkannte daß das auch für die Stadt eine Schicksalsfrage werden würde. Wusste man doch, daß in der Nachbarschaft der Graf von Moers, Adolf von Neuenahr, ein besonderer Vertrauter des Erzbischofs war. Auch hatte sich die nun dem Erzbischof angetraute Agnes von Mansfeld lange Zeit in Moers aufgehalten.
Der Amtmann von Rheinberg Heinrich Wolf, genannt Metternich, rief den Rat der Stadt in der Burg zusammen um mit ihm die politischen Zukunftsaussichten zu diskutieren. Er legte dar, daß Köln weit, der Feind aber praktisch schon vor den Toren sei. Der Protestant Adolf von Moers würde sicher versuchen, dem Bischof Truchseß die starke Festung Rheinberg zu erhalten.
Um für den Fall eines Angriffs besser gerüstet zu sein, die Stadt besser verteidigen zu können, wurde beschlossen einige Soldaten anzuwerben. Die Werbetrommel ging in Rheinberg um, sowohl die Schloß-Besatzung als auch die Torwachen erhielten Verstärkung.
Die Maßnahmen des Amtmannes wurden in der Bürgerschaft heftig diskutiert. Würden diese ausreichen die Festung „Berckh“ dem Erzstift erhalten können? Unsicher waren viele auch, ob man noch allen Rheinberger Mitbürgern im streng katholischen Sinne vertrauen könne, denn abends, in der Dämmerung, schlichen mehr und mehr Leute in das Haus des Johann Ingenhove. Dieser war Calvinist. In seiner Wohnung trafen sich die Protestanten um den Predigten des Schusters Sybert zu lauschen, der es in seiner schlichten Art verstand die Anhänger zu begeistern. Diese kleine protestantische Gemeinde ersehnte natürlich die Einnahme Rheinbergs durch Adolf von Neuenahr.
Ein gewisser Johann von Holdt, der sich als Knecht ausgegeben hatte, wohnte in der Stadt, was allerdings damals keiner wußte, er war aber ein Moerser Korporal. Er wusste geschickt, sich an die Schloß-Besatzung heranzumachen. Er wurde oft gesehen, wie er mit diesen in den Rheinberger Schänken gerne gemeinsam einen Schluck zu sich nahm. Niemand ahnte, daß dieser „Knecht“ die gerade erst zur Bewachung Rheinbergs angeworbenen Soldaten mit guten Goldgulden bestach und sozusagen umdrehte.
Bald wurde dem Rheinberger Amtmann Metternich klar, daß die Burgbesatzung zu Adolf von Neuenahr übergelaufen war. Nachdem er von Köln keinerlei Anweisungen erhalten hatte, wie zu verfahren sei, übergab er den Schlüssel zur Rheinberger Burg und zog am anderen Morgen von dannen.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht in der ganzen Stadt. Adolf von Neuenahr war nun Statthalter in Rheinberg. Überall gab es bestürzte Gesichter.
„Aber in die Stadt kommen die Moersischen nicht!“
Das war allgemeine Überzeugung. Die Stadtwachen wurden angewiesen, niemanden einzulassen. Höchste Wachsamkeit wurde befohlen. Täglich wurde nun das Eintreffen des Grafen samt seiner Truppen erwartet.
Am 22 Februar 1583 war es soweit, am Tag „Petri Stuhlfeier“ vernahm die Wache Pferdegetrappel, am Casseler Tor, am Stadtausgang wo heute die Straße Richtung Budberg und Orsoy führt.
„Die Moersischen! Die Moersischen sind da!“
Damals ein Schreckensruf in Rheinberg. Schnell wusste es die ganze Stadt. Graf Adolf begehrte im Namen des Kurfürsten Einlaß. Trotz der stattlichen Anzahl Soldaten, mit denen der Graf erschienen war, öffneten die Wachen das Tor nicht.
Einer aus der Wache, ein gewisser Wilhelm Knippenberg rief dem Grafen zu, er möge doch zur „Leutpforte“ gehen, diese sei nicht so stark besetzt und man werde ihn wohl mit einem Dutzend Reitern einlassen. Graf Adolf nahm an, daß das wohl eine Falle wäre, auch wollte er, wie es sich für einen Statthalter gehört, als „Herr“ mit einem Gefolge einziehen. Er zog sich erst nach Moers zurück, war sich aber sicher, Rheinberg doch noch mit Hilfe einer List einnehmen zu können.
Von nun an schmuggelten sich täglich dem Grafen ergebene Soldaten ohne Waffen ins Schloß, sodaß bald 60 Mann Fußvolk beisammen waren. Unter Führung eines Hauptmann Stuper sollten diese die Stadtmauer zwischen Casseler Tor und Rheintor übernehmen. Der Hauptmann gab das Zeichen zum Angriff, erklomm als Erster die Mauer, jedoch, da die Besatzung auf der Hut war, erhielt er einen Schuß in den Hals, so daß er von der Mauer herabstürzte. Die Überrumpelung war missglückt, der Angriff wurde abgeblasen.
Doch gab sich Graf Adolf nicht geschlagen, er musste die starke Feste Rheinberg haben. Ein Sturmangriff wäre mit hohen Blutverlusten verbunden. Seit drei Wochen schon waren die Stadtbewohner nicht mehr zur Ruhe gekommen, ständig hatten sie den Angriff erwartet. Im Schutze der Nacht ließ der Graf ein Loch in die Schloßmauer und den Stadtwall brechen.
Bei Morgengrauen des 13. März 1583 begann der Sturm.
Es erhob sich ein solches Getöse, daß man glauben konnte, der Jüngste Tag bräche an, wie ein Chronist berichtet. Ein wildes Schießen begann, aber diesmal glückte die Überrumpelung. Im Nu war der Markplatz von den Moersischen eingenommen, die Torwachen überwältigt, die Torschlösser mit schweren Hämmern zerschlagen.
Graf Adolf konnte nun mit seinen Reitern und vielem Fußvolk durch das Casseler Tor einrücken.
Die starke Festung Rheinberg war ohne großes Blutvergießen gefallen. Ein Mann und eine Frau hatten ihr Leben lassen müssen.
Graf Adolf ritt an der Spitze seiner Truppen bis vor den „Kamper Hof“, wo er sich mit Gefolge niederließ.
Die Rheinberger Bürger mussten die Einquartierung der Soldaten hinnehmen und diese auch verpflegen.
Die Einquartierung drückte, die Lebensmittelvorräte waren bald erschöpft, das Geld war knapp geworden. Die verhassten Moersischen machten sich in den Wirtshäusern breit.
Es kam der Tag, daß die Rheinberger sich außerstande erklärten, die Besatzer noch weiter zu beköstigen.
Graf Adolf verlangte daraufhin Geldzahlungen, jedoch war in Rheinberg nichts mehr aufzutreiben.
Zwar versuchten der Bürgermeister und der Burggraf noch, in Wesel oder anderswo Geld zu borgen, jedoch war die Mühe vergebens. Sie erhielten nirgendwo Geld, deshalb kehrten sie vorsichtshalber erst gar nicht mehr in die Stadt zurück.
Der Graf wurde ungeduldig. Er verlangte 1500 Taler. Die Soldaten, die gute Kost gewohnt waren, wurden immer unzufriedener und begannen zu meutern. Solange im Sommer auf dem Rhein noch Zoll eingenommen werden konnte, gelang es Graf Adolf, die Gemüter zu beruhigen. Im Winter wurde die Schiffahrt eingestellt, nun gab es gar keine Einnahmen mehr.
Die Soldaten rotteten sich zusammen und zogen vor den Kamper Hof, das Quartier des Grafen. Der Graf saß gerade zu Tisch, die Gräfin lag krank im Bett. Immer bedrohlicher wurde die Haltung der Meuterer. Schließlich drangen sie in das Gasthaus ein. Der Graf hielt sich versteckt, die Gräfin bat um Gnade. Die Soldaten waren enttäuscht und wandten sich dem Schlosse zu, um mit Strohfackeln die Burgtore anzuzünden.
Es gelang jedoch nach einiger Zeit, die Meuterer zu beruhigen.
Trotzdem hatte im darauf folgenden Jahr Graf Adolf von Neuenahr genug von Rheinberg. Er übergab 1584 die Stadt an die Holländer. Sein Hauptmann Stuper zog mit seinem Fußvolk nach Uerdingen. Graf Adolf selbst begab sich mit seiner Gemahlin zu Schiff nach Arnheim.
Rheinberg war damit Kriegsschauplatz des Kölnischen Krieges geworden es sollte in den folgenden zweihundert Jahren noch Opfer des Spanischen-Niederländischen Krieges und anderer Auseinandersetzungen werden und immer wieder neue Herrschaften ertragen.
Da man mit dem Besitz von Rheinberg praktisch die Herrschaft über alle Rheinübergänge bis zur niederländischen Grenze ausübte, war die Stadt von größter strategischer Bedeutung.
Die Stadt galt lange Zeit als Spielball der Krieg führenden Mächte, ein geflügeltes Wort jener Zeit sagte:
„Rheinberg ist eine Hure des Krieges.“
Erst als 1704 die Festungswerke niedergelegt waren, unter den Preußen, kehrte für Rheinberg Ruhe ein.
Autor:Hansfried Münchberg aus Moers |
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