mœrs festival 2024: Experimente - zweiter Teil
African Dance am Rodelberg und japanischer Klangrausch als Gesamtkonzept

Conny Bauer und Rieko Okuda | Foto: Photo Dennis Hoeren @mœrs festival
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  • Conny Bauer und Rieko Okuda
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Die neuen Freunde der Moerser heißen Shishani + Ju/Hoansi-San, kommen aus Namibia und bescherten den Rodelberg mit einem African Dance – Evening. Das war exakt der richtige Act, um den Rodelberg zum Kochen zu bringen, es war beste Unterhaltung, Spaßfaktor pur. Das gipfelte darin, dass die Truppe Tanzschritte auf der Bühne vormachte, die „der Rodelberg“ nachmachen sollte und zusätzlich mit rhythmischem, in die Hände klatschen. Vier/fünftel der Zuschauerinnen und Zuschauer erhoben sich ad hoc und brachten die Hüften in Schwung und klatschten mit. Großartig.

„GOAT“ nennt sich die Truppe um Koshiro Hino (Akihiko Ando, Atsumi Tagami, Rai Tateishi und Akio Jeimus). Hier ist der Rhythmik alles untergeordnet, das Drum-Set und die Percussions beherrschen den Stil, der Bass und das Saxophon sind ohne Soli und Lead-Stimme, sondern Zulieferer der Rhythmik-Section. Das war der Act für Rhythmik-Fans, es folgte ein mega Applaus und stehende Ovationen.

Das jährliche Projekt für die jungen Komponisten und Musiker firmiert aktuell als „Captain Niederrhein im Rausch des Unimœrsums“. Die 14-köpfige Großformation wurde unterstützt von vier Profi-Musikern und führten eine 22-minütige Komposition auf, kuratiert von Leticia Isabel Carrera und Lukas Döhler.

Im letzten Jahr starb der Großmeister des Free Jazz, Peter Brötzmann. Als Hommage an den Dauergast in Moers setzte sich ein internationales Oktett der Extraklasse zusammen: Conny Bauer, Bart Maris, Alexander Kruglov, Kellen Mills, Achim Krämer, Masayo Koketsu und der ebenfalls renommierte Caspar Brötzmann, Peters Sohn. Ohne vorherige Probe improvisierten die Acht frei und dennoch ging jeder und jede auf den Part des anderen ein, definitiv beeindruckend.

Während der Frauenanteil in den Vorständen der deutschen Unternehmen erheblich zu wünschen übrig lässt, dito der Frauenanteil bei großen Rockfestivals, ist Moers ein Vorreiter. Ein Blick in das Programmheft zeigt, dass reine Frauencombos auf den Bühnen standen und kaum eine Formierung ohne weibliche Musiker auftrat. Und das ist der Übergang zur „Politik“.

Moers 2024 war definitiv politisch, das zeigte sich in den Diskussionen (unter anderem mit dem bekannten Dr. Ulrich Schneider vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband), das zeigte sich in der Musik, das zeigte sich in den Texten und in den Ansagen von Protagonisten aus den USA, aus Namibia, aus europäischen Ländern. Auf die vielen eindeutig zu deutenden Songs, aus den Vorträgen der Musikerinnen und Musiker reagierten die Zuhörerinnen und Zuhörer konsequent: Ablehnung allen Hasses, aller Gewalt, aller Unmenschlichkeit, ergo Ablehnung aller Orbans auf diesem Planeten, allen Putins et all. und insbesondere allen Hardlinern in der israelischen Regierung unter B. Netanjahu. Ein Ausruf „Frieden für Gaza“ hat nichts, aber auch gar nichts mit Antisemitismus zu tun. Niemand stellte das Existenzrecht Israels und das Leid, das israelische Bürger zu ertragen haben, infrage, eines und das ist zu erkennen gewesen insbesondere in diesem unmenschlichen Nahostkonflikt: Die Menschen lassen sich nicht vorschreiben, was sie zu denken haben. Was in Gaza geschieht, sehen Menschen nicht nur auf der wohlhabenden Nordhalbkugel der Erde, sondern auch die auf der Südhalbkugel. Sie fühlen sich an grausamste Zeiten des Kolonialismus erinnert. Moers mit seiner Zusammenkunft mit über 200 Musikerinnen und Musikern aus über 20 Ländern und den Bürgern der Stadt, des Umlandes und den vielen Gästen können nichts an diesen Zuständen ändern. Sie haben sich vier Tage „Luft“ verschafft für ihr Ungerechtigkeitsgefühl, für die Machtlosigkeit gegen alle politischen, wirtschaftlichen und klimaschädlichen Konflikte. Friedlich.

Vier Tage der Ablenkung vom zermürbenden Alltag, vier Tage der Freude in Moers sein zu dürfen. Vier Tage des Happiness, der interessanten Unterhaltungen mit bis dahin unbekannten, anderen Gästen des Festivals, des Austauschs zur Musik = Jazz = Improvisation, des Austauschs von Meinungen, von Gefühlen. Existiert in diesem Land auch nur ein Festival in einer Stadt, in der das so passiert? In Berlin, beispielsweise, geht es ausschließlich um Stolz, um Umsatz, um Gewinnmaximierung, um Preise. In Moers geht es um: Zusammensein.

Klaus Denzer

Autor:

Klaus Denzer aus Moers

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