Wie BIRNEN,BOHNEN und SPECK im POTT in den POTT kamen

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Und wie aus einem Rezeptbeitrag ein Beitrag zum Volkstrauertag wurde

LECKER,DOCH KEINE GANZ LEICHTE KOST - EIN DEFTIGES GERICHT MIT SÜSSER BEILAGE UND SEIN BITTERER WEG INS RUHRGEBIET

Ursprünglich hatte ich vor das Rezept ganz einfach passend zu Beginn der Erntezeit vorzustellen.Denn es bietet ausser dem Einkochen eine leckere Möglichkeit Birnen zu verwenden,wenn man selber Birnbäume im Garten hat und die,wie es häufig vorkommt in Massen tragen.

Ich habe es dann aber doch erst einmal zurückgehalten.Denn dieses Gericht ist für mich untrennbar mit einem Stück Familiengeschichte verbunden.

Diese selbst dürfte nicht so von allgemeinem Interesse sein,vielleicht aber die damit verbundenen zeitgeschichtlichen Hintergründe,die das Gericht auf unseren Tisch brachten und die uns allen noch heute noch in verschiedenster Art und Weise fast täglich begegnen.

So kam die Überlegung auf,die Leser an der Geschichte rund um dieses Gericht teilhaben zu lassen.Da diese Überlegung zunächst reifen musste und ich auch oft verhindert war,ist der Beitrag verzögert und erst jetzt wo die Erntezeit schon zuende ist,gar geworden.Nun mochte ich ihn aber nicht wieder kalt werden lassen.Denn natürlich geht es auch mit gekauften Birnen :-))

Nun also eingestellt zum heutigen Gedenktag.

Das Rezept gibt es zum Schluß.

In den Kriegsjahren waren viele junge Frauen beim Kriegshilfs- oder Arbeitsdienst.

Wenn auch nicht arbeitsscheu,so war es für die,die nicht hinter dem ganzen Wahnsinn standen doch oft eine sehr schwere Zeit.Beim Fahnenapell konnte man zwar im Stillen seinen wahren Gedanken freien Lauf lassen,doch im Zimmer mit den ganz Getreuen war es nicht immer leicht auszuhalten.Am schlimmsten aber war die Sorge um die Lieben daheim.Kein Telefon,ganz zu schweigen von einem Handy,nur die Durchsagen von den verhehrenden Bombenangriffen im Radio.Angst um die Angehörigen war der ständige Begleiter.

So erging es auch meiner Mutter.

Sie hatte ihren Arbeitsdienst in der Nähe von Hamburg zu leisten.Die Eltern zurückgelassen in Dortmund,wo wie überall im Ruhrgebiet besonders viele Angriffe geflogen wurden um die dortige Groß- und Rüstungsindustrie zu zerstören.Der Bruder als Soldat im fernen russisch- rumänischen Grenzgebiet...und er war er im Gegensatz zu vielen seiner Bekannten doch überhaupt nicht stolz darauf auf das "Feld der Ehre" ziehen zu "dürfen".Viel lieber wollte er einfach seiner Arbeit nachkommen und am Wochenende mit Freunden zum Tanzen gehen.Doch wer nicht den Weg in den Widerstand gefunden hatte,oder den Mut sich standrechtlich erschiessen zu lassen - und wer von uns könnte das von sich so einfach behaupten? - der musste in den Krieg ziehen ob er wollte oder nicht.Nur der Vater fand die Kraft ihn zum Bahnhof zu begleiten.Sonst ein gestandener Mann - hier war auch er grausam hilflos ...

Mit diesen Sorgen und Eindrücken im Gepäck kam meine Mutter in Hamburg an.

Begleitet von dem Wissen der schlimmen Not,die der Krieg verursachte,konnte es nur lächerlich anmuten - das Nacharbeiten der von meiner Mutter gemachten Betten durch die Dame des Hauses, der sie zum Helfen zugeteilt war.Mit einem Stock glättete diese Oberbetten und Kopfkissen nach,um auch noch die allerkleinste Unebenheit zu eliminieren.

Auch die zeitentsprechenden Schwärmereien so mancher Bettnachbarin mußten hinuntergeschluckt werden.Doch auch Freundschaften wurden geschlossen und der Spaß kam unter den jungen Frauen trotz allem Negativem auch nicht zu kurz.

Riesengroß war natürlich die Freude bei Mutter als ihre Mutter für einige Zeit zu Besuch nach kam.Meine Oma fand Unterkunft bei einer Frau Brümmer in Bramstedt und dort lernte sie das norddeutsche Gericht "Birnen,Bohnen und Speck" kennen.
Ehe ich aber zum Rezept komme nun noch einiges zu den Fotos,die eigentlich an diese Stelle gehören und die ich nur aus technischen Gründen an das Ende setze.

Diese Fotos bereffend:

Sie bilden nicht nur die Menschen ab,von denen hier die Rede ist - sie geben auch insofern Zeugnis von einem grausamen Kapitel der Geschichte,

als sie Rußspuren tragen von dem Brand den eine Bombe verursachte -

sowie eines davon Risse hat,die daher rühren,daß es mit noch weiteren Fotos als dicker Packen die der Bruder meiner Mutter in der Brusttasche bei sich trug eine Kugel stoppte und ihm so einmal das Leben retteten.

Er kam noch einmal auf Heimaturlaub.Bei dieser Gelegenheit ließ er die Fotos zuhause zurück.Der Abschied der dann kam war ein Abschied für immer...

(Das Bild mit dem Fahneneid und dem verhängnisvollen Gruß ist selbstverständlich nur in dokumentarischer Absicht eingestellt.Die letzten Bilder zeigen einiges aus dem Alltag beim Arbeitsdienst und ein paar Frauen,mit denen sich meine Mutter in dieser Zeit angefreundet hatte.Vielleicht erkennt ja sogar jemand eine Angehörige oder Bekannte wieder.)

So wie in meiner Familie gab es überall schmerzliche Abschiede.Manche verloren sogar alle Angehörigen.Unsägliches Leid könnte man noch aufzählen.

Wie auch immer die Menschen aber den Krieg überstanden haben und auch wieder in gesicherten Verhältnissen leben konnten - noch Jahrzehnte später sind die schlimmen Erlebnisse noch gegenwärtig bei denen,die den Krieg erlebt haben.Jeder geht anders damit um.Der eine verdrängt sie vehement,der andere hat das Bedürfnis immer wieder davon zu erzählen.Doch bei jedem saß und sitzt das Grauen, egal was er davon nach aussen trägt,tief im Innern und es drängt sich auf die eine oder andere Weise immer wieder in seinen Alltag - bis ans Lebensende.

Das schlimmste aber ist - es gibt in unserer "zivilisierten und aufgekärten" Welt immer noch grausame Kriege.

Kann man an dieser Stelle einfach zu Genüßlichem übergehen? Ich denke man kann.
Auch wir haben das Gericht nicht mit Trauermine zu uns genommen,wenn gleich die Geschichte dazu meistens mit auf den Tisch kam.Wir haben es uns trotzdem schmecken lassen!

Wir sollten nur immer mal daran denken,daß nichts selbstverständlich ist.

In diesem Sinne also viel Freude bei Auswahl der Zutaten und Zubereitung und Gutes Gelingen !

Jetzt also das Rezept

Man braucht,wie könnte es anders sein - BIRNEN,BOHNEN und SPECK - zumindest für das Orginalrezept

Speck kann durch Bauchfleisch oder aber durch weniger fettes Kassler ersetzt werden.Ausserdem verkürzt man dadurch die Kochzeit und wenn man kein Schweinefleisch möchte - es gibt auch Geflügelkassler.

Ferner kann man Fleisch durch Fisch ersetzen.Gerade um Kindern Bohnengemüse und Fisch (ohne Panade und nicht viereckig) näher zu bringen,eignet sich dieses Gericht.Denn die Birnen versüßen ja die ganze Sache und können als kleines Lockmittel eingesetzt werden.Lachs- oder Thunfischfilet sind dafür zu empfehlen,aber auch andere grätenarme Sorten.

Natürlich kann man das Gericht auch vegetarisch abwandeln,z.B. mit Räuchertofu.

Bei den Bohnen nimmt man Brech- oder Stangenbohnen.Am besten ist frische oder tiefgefrorene Ware.

Bei den Birnen sollten es nach Möglichkeit Kochbirnen sein.Die findet man nicht so häufig im Laden,da bietet es sich an mal über den Markt zu gehen oder zum Bauern.Manchmal gibt es auch in der Nachbarschaft einen alten Birnbaum und die Besitzer sind froh,wenn jemand die Früchte gebrauchen kann.Es geht aber auch mit "normalen" festeren Birnen.

Im Namen des Gerichtes sind sie nicht erwähnt,aber sie gehören unbedingt noch dazu: Kartoffeln.Da ist es wirklich wichtig die richtigen zu finden,denn mit ihnen steht und fällt das Gericht.
Ich bevorzuge in diesem Falle die mehligen,aber das ist Geschmackssache.Hauptsache man bekommt überhaupt welche,die Geschmack haben.

Zum Andicken des Gerichtes wird noch etwas Speisestärke benötigt.Haferkleie kann ich als gute Alternative empfehlen,mag aber manchem zu "sandig" sein.

Speisestärke erst in wenig kaltem Wasser anrühren.Dann nach und nach heiße Brühe aus dem Topf dazu geben.Gut verquirlen,damit nichts klumpt.In den Topf zurückgeben und noch einmal aufkochen lassen.

Oder Mehlschwitze nach Vorschrift (auch mit der Brühe des Gekochten) in einem zweiten Topf zubereiten.Und nur die Bohnen vorsichtig einrühren und evtl.den Speck dazu tun.Die Birnen möglichst unbeschädigt extra auf den Teller bringen.

Wer mag fügt beim Kochen Bohnenkraut hinzu.Mit Salz zurückhaltend sein,wegen des schon salzigen Specks.Eventuell etwas Pfeffer benutzen.

Mengenangaben mache ich nicht,da kann man nach Belieben varieren.Das gilt auch für die Flüssigkeit,bzw.Sauce.

ZUBEREITUNG

Bei Verwendung von Speck ist dieser vorzugsweise im Schnellkochtopf zu kochen.Nach etwa einer halben Stunde werden die Bohnen hin zugefügt.Sollte das Kochwasser durch Verwendung von viel Speck sehr fettig sein,eventuell einen Teil davon (vor Zugabe der Bohnen) gegen heißes Wasser austauschen.Gummi aus dem Schnellkochtopfdeckel entfernen und so etwa 20 -30 Minuten bis eine weiterkochen.Je nach Sorte auch schon die Birnen - mit Schale und Stiel ! - dazugeben oder aber erst 10 Minuten später,falls es sehr weiche sind.

Alternativen nach Vorschrift garen.Bei der vegetarischen Variante kann man den Geschmack mit gekörnter Gemüsebrühe intensivieren.

GUTEN APPETIT !!!

Und wenn jemand auf die Ankunft dieses Gerichts nun auch auf seinem "Ruhrgebiets-Teller" anstoßen möchte,passt sicher ein gutes Dortmunder Bier dazu.

Das Bild habe ich der Internetseite wikipedia.org "Birnen Bohnen und Speck" entnommen.Dort kann man auch noch interessante Angaben zu den norddeutschen Besonderheiten des Gerichts finden!

Autor:

Silvia Eisold aus Lünen

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