Weite Notdienst-Wege sind bittere Pille

Starker Husten, die Atemwege voller Schleim. Baby Mia Sophie geht es nicht gut. Bronchitis, das ist die Diagnose beim Arzt. Er schreibt Medikamente auf. Die Notdienst-Apotheke aber ist fast dreizehn Kilometer weg. Ein Einzelfall oder ein echtes Problem?

Mia Sophie, neun Monate alt, ist oft krank. Sie kam als Frühchen auf die Welt, ist deshalb anfällig für Lungenentzündungen und Bronchitis. Mama Denise Hüser kennt das. Ohne Medikamente geht es nicht. Doch die nächsten Apotheken mit Notdienst sind am Samstag vor Ostern in Datteln oder Brambauer zu finden. Der kürzeste Weg von der Wohnung der Hüsers an der Kreisstraße in Selm zu beiden Apotheke ist jeweils rund dreizehn Kilometer lang. Zu weit für die junge Mutter und Baby, ein Auto haben sie nicht. Und den Weg in öffentlichen Verkehrsmitteln zu bestreiten? "Das war mit meiner kranken Tochter nicht möglich", so Denise Hüser. Die Alternative ist von einer guten Lösung weit entfernt: Stunden halten die Hüsers ohne Medizin durch, bis am Sonntag eine Apotheke in Selm Notdienst hat. Das Thema ist nicht neu. Beschwerden erreichen die Redaktion des Lüner Anzeigers immer wieder. Probleme schilderte beispielsweise ein Leser aus Lünen. Er musste bis Bergkamen-Rünthe fahren, um seine Medikamente zu bekommen.

Apotheker-Beruf muss attraktiver werden

"Vereinzelte Beschwerden hat es schon immer gegeben, aber insgesamt nehmen die Apotheker den Versorgungsauftrag im Notdienst sehr ernst und versuchen möglichst alle Patienten zeitnah zu versorgen", so Volker Brüning aus Selm, Kreisapotheker für den Bereich Unna-Nord. Das neue System mit den angezeigten Alternativen sei aus seiner Sicht dem älteren Notdienstkreisen überlegen, müsse aber vielleicht noch feiner abgestimmt werden. Brüning betont, dass die Apotheker allein in Selm über hundert Notdienste im Jahr leisten. Er wünsche sich als Apotheker eine bessere Vergütung der Notdienste. Ein Thema, dass die Bundesregierung vor einer Woche in Form einer geplanten Notdienst-Pauschale auf den Weg gebracht hat. Bislang können Apotheken pro Notdienstleistung nur einen Aufschlag von 2,50 Euro berechnen. "Als weiterer Punkt muss die Attraktivität unseres Berufsstandes wieder erhöht werden, da wir, ähnlich wie die Ärzteschaft, auf ein großen Nachwuchsproblem zusteuern, aufgrund der willkürlichen Reglementierungen im Gesundheitssystem", sagt Volker Brüning.

Das sind die Notdienst-Kriterien

Der Notdienst der Apotheken ist nach bestimmten Kriterien eingeteilt. Selm wird darin als Mittelstadt eingestuft, Lünen als Großstadt. Daraus ergeben sich bestimmte Entfernungen, die Kunden laut Gesetzgeber höchstens zur nächsten Notdienstapotheke zurücklegen dürfen. Für Großstädte sind das elf Kilometer, für mittlere Städte sechzehn Kilometer. "Diese maximalen Weiten werden allerdings nicht oft erreicht", erklärt Sebastian Sokolowski, Sprecher der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. In Selm liege der Jahresdurchschnitt bei 6,37 Kilometern Luftlinie Entfernung zur Notdienst-Apotheke, in Lünen sogar nur bei 4,66 Kilometern. Sokolowski: "Werktags funktioniert der Notdienst sehr gut, an Sonn- und Feiertagen soll das System noch verbessert werden." Weil der Notdienstplan immer für ein Jahr festgelegt wird, könne das allerdings ein Jahr dauern.

Wie läuft es bei Ihnen mit dem Notdienst? Haben Sie positive oder negative Erfahrungen gemacht? Schreiben Sie uns Ihre Meinung!

Mehr zum Thema:
>Kommentar: Entfernung ist relativ
>Extra-Geld für Apotheken im Notdienst
>Ärztemangel wird zum Problem