Gina schläft nicht im schwarzen Sarg
Sie schläft nicht im Sarg, hat keine Fledermäuse als Haustier. Solche Vorurteile gegen die Gothic-Szene gibt es viele. Gina trägt eben gerne Schwarz und viel Metall im Gesicht. Sie ist ein Gothic. Und hinter der dunklen Fassade ein ganz normaler Mensch.
Die roten Haare und die Augenbrauen rasiert, das Gesicht voller Piercings. Schwarze Kleidung, Springerstiefel. So sehen die Menschen auf der Straße die junge Lünerin (25). Die andere Gina, die ihre Oma zum Spieletreff bringt und mit ihr in der Stadt einkaufen geht, die sehen sie nicht. Klar, ziemlich ungewöhnlich ist der Look schon; Angst muss aber deshalb vor Gina niemand haben. "Ich bin ganz lieb", lacht sie. Und wer sich mit ihr unterhält, merkt schnell, dass die junge Frau gerne lacht. Von Traurigkeit keine Spur, obwohl Melancholie und ein Hang zum Düsteren natürlich in der schwarzen Szene ein Thema sind
Kampf gegen die Vorurteile
Ein neuer Trend ist die Gothic-Kultur nicht. Die schwarze Szene gibt es schon seit den achtziger Jahren. Vorurteile halten sich über die Jahre hartnäckig. Ein Klassiker: Die Leute aus der Gothic-Szene, das sind doch diese Satanisten. "Ahnung von der Szene haben nur wenige, mitreden wollen aber alle", sagt Gina, die seit acht Jahren dabei ist. Tiere opfern und schwarze Messen auf Gräbern feiern, das gehört auf alle Fälle nicht zur Freizeitbeschäftigung der Lünerin und ist für die Szene untypisch. Gina mag Gedichte, Musik und Fotoshootings. "Doch das düstere Aussehen reicht, dass wir immer wieder in dieser Ecke landen." Mehr Toleranz, das würde sich Gina wünschen. "Ich gucke jeden Menschen normal an, egal wie er aussieht", sagt die selbstbewusste junge Frau, die selbst oft negative Erfahrungen auf der Straße macht. Abgestempelt und in eine Schublade gesteckt. "Das fühlt sich nicht gut an." Interessierte Blicke sind dagegen erlaubt und Fragen beantwortet Gina gerne. In Dortmund würde Gina mit ihrem ungewöhnlichen Aussehen wohl kaum auffallen. Die Szene ist in der Nachbarstadt viel größer. Wo Gothic nicht so bekannt ist, reagieren Menschen auch mal mit Irritation und Angst: In Selm löste in der letzten Woche ein Gothic-Fan einen Polizeieinsatz aus, als er in schwarzer Kleidung und einer Maske vor dem Gesicht Freunde an einer Schule besuchen wollte.
Harte Schale, weicher Kern
Offenheit und Sensibilität sind Gina deshalb wichtig. "Wenn ich zum Arbeitsamt gehe, nehme ich die Piercings raus", erzählt sie. Und für den Besuch bei der Oma kämmt die Enkelin die Haare brav über die rasierte Kopfhaut. Gina grinst. Gegen die Piercings hat Oma zwar nichts, die Glatze aber findet sie ziemlich schrecklich. "Ich sehe hart aus für eine Frau", weiß Gina um ihre Wirkung in der Öffentlichkeit. "Hinter der harten Schale steckt aber ein weicher Kern." Und eine Frau mit ganz normalen Zielen. In Ginas Leben lief nicht immer alles glatt. Ein angeborener Fehler der Wirbelsäule bremste die Zukunftspläne. Hoffnung gibt eine geplante Operation. Klappt alles, dann will Gina bald den Realschulabschluss nachholen. Irgendwann mit Fotoshootings Geld verdienen, das wäre ihr großer Traum.
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