Gertrud schaffte mit Sole hundert Jahre
Hundert Jahre sind eine lange Zeit. Zwei Weltkriege hat Gertrud Winkelmann in dieser Zeit erlebt. Ihr Mann starb im Krieg, zwei Söhne zog die Frau groß. Donnerstag feiert die Seniorin Geburtstag.
"Frau Gertrud Winkelmann" steht auf dem Schild neben der Tür im zweiten Stock des Seniorenwohnhauses Wethmar Mark. Im Zimmer mit Blick über die Siedlung sitzt eine Frau. Sollte das die Gertrud Winkelmann sein, die am Donnerstag hundert Jahre alt wird? Die Frau im Rollstuhl könnte Anfang Achtzig sein, aber nie im Leben fast hundert Jahre alt. Sohn Norbert, mit seinem Bruder Helmut gerade zu Besuch, lacht: "Mutter hat sich gut gehalten." Falten hat die fast Hundertjährige für ihr Alter erstaunlich wenig, dabei musste die Seniorin im Leben genug schwierige Situationen meistern. Gertruds Geburtsjahr 1914 sollte in die Geschichtsbücher eingehen - als der Beginn des ersten Weltkrieges. Gertruds Familie aus Werne hatte zunächst Glück. Der Vater zog zwar in den Krieg, doch er überlebte das Grauen zunächst als kranker Mann.
Harte Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg
Gertrud hatte in Werne eine eigene Familie gegründet, als der nächste große Krieg Leid und Sorgen brachte. Drei Jahre lebte die Familie in Ungewissheit, erst dann kam die Nachricht, dass der Vater kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges in Ungarn gefallen war. Das Leben musste weiter gehen, schon für die Söhne. Zeit für Überlegungen habe sie nicht gehabt, sagt Gertrud Winkelmann. Die Familie braucht Geld. Gertrud arbeitet einige Jahre in der Großküche der Zeche Werne, geht dann im Krankenhaus in die Pflege. In einer Beziehung war Gertrud Winkelmann nach dem Tod ihre Mannes nicht mehr. "Den Partner hätte ich gefunden, aber keinen Vater für die Kinder", sagt die Seniorin. Gertrud Winkelmann ließ sich von allen Schicksalsschlägen nicht unterkriegen, zudem ist Langweile nicht ihr Ding. Im Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands leitete die Witwe eine Frauengruppe und traf auf viele Frauen, die ein ähnliches Schicksal teilten. "In der ABC-Gemeinschaft im Kloster Werne war ich auch aktiv", erzählt die rüstige Seniorin. Die "ABC-Gemeinschaft" übersetzt Gertrud Winkelmann mit "alle brauchen Caritas".
Sole das Rezept für ein langes Leben?
In Sachen Seniorenhaus ist die gebürtige Wernerin ein echter Spätzünder. Der Umzug aus ihrer Heimatstadt ins Seniorenhaus Wethmar Mark in Lünen kam erst vor sieben Jahren und konnte Gertrud Winkelmann nicht stoppen, im Haus engagierte sie sich im Heimbeirat. Gymnastik und Kegeln standen ebenfalls auf dem Plan. Zeitschriften liest Gertrud Winkelmann noch heute gerne, die Seniorin hat dafür ein spezielles Vergrößerungsgerät. Das Rezept für hohes Alter? "Viel Bewegung", verrät das betagte Geburtstagskind. "Ich war jeden Tag im Solebad in Werne schwimmen oder fuhr Fahrrad." Vielleicht sind aber auch die Gene von entscheidender Bedeutung. Gertruds Mutter und ihre Großmutter wurden beide über neunzig Jahre alt. Donnerstag kommt die Familie zum Geburtstag ins Seniorenhaus. Gertruds drei Geschwister können die Feier nicht mehr erleben - sie starben vor einigen Jahren.
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