Fußball-Opa aus Kanada erfüllt sich einen Traum
Wenn die deutschen Fußballmädels Tore schießen, reißt sich Konrad Schleier vor Freude die rot-weiße Mütze vom Kopf. Der 87-Jährige ist extra aus Kanada gekommen, um das Team von Birgit Prinz siegen zu sehen.
Sein WM-Standort ist Brambauer. Konrad Schleier besucht hier seine Nichte Elisabeth Herr am Hasenweg. Großnichte Martina hat ihm WM-Karten für sieben Spiele besorgt, dazu die passenden Fahrkarten und genauen Reisepläne. Immerhin ist Konrad Schleier fast 90. Und lebt seit 60 Jahren in Kanada.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wanderte er aus und fand in der 200.000-Einwohner-Stadt Windsor in der Provinz Ontario eine neue Heimat. Die Fachkenntnisse des jungen Seilers waren gefragt in Kanada. „Geheiratet hab‘ ich dort ein deutsches Mädel“, erzählt der Senior, als er mit Hans und Elisabeth Herr im schönen Garten am Hasenweg sitzt. Drei Kinder und vier Enkel hat er. Den bayrischen Akzent merkt man ihm immer noch an. Gell? Seine Familie in Deutschland hat er schon mehrmals besucht.
Fußball war und ist Hobby Nummer eins. Konrad Schleier hat selbst gespielt, aber nicht professionell, und war Manager eines Vereins, den er mitgründete. Heute noch trifft sich in Windsor jeden Samstag ein Stammtisch von Deutschstämmigen. Sie schauen Bundesliga im Fernsehen und geben deftige Kommentare ab. „Wir sind zwölf bis 15 Oldtimer und sehen alle Spiele“, erzählt Schleier. „Mein Favorit ist der BVB.“ Die Verwandten freuen sich: „Sehr vernünftig.“
Auf dem Gartentisch vor ihnen liegt ein Stapel mit uralten Kicker-Heften. Konrad Schleier hat sie aus Kanada mitgebracht Er ließ sich die Fußball-Zeitung lange in die neue Heimat schicken. Sepp Herberger und seine WM-Sieger von 1954 sind zu sehen.
Schleier erinnert sich genau, wie er damals vor dem Radio jubelte. Der 87-Jährige hat ein super Gedächtnis. „Ich habe als einziger getippt, dass Deutschland gegen Ungarn gewinnt. Als ich die Übertragung hörte, dachte ich: Eines Tages gehe ich hin, da bin ich bei einer Fußball-Weltmeisterschaft dabei.“ Erst im hohen Alter sollte es klappen. Schon 2006 wäre er zur WM in die alte Heimat gereist. Doch es gab nur Karten für zwei Spiele und das war ihm zu wenig. Vier Jahre später fand er die Reise nach Südafrika zu teuer.
Dann kam die Frauen-WM in Deutschland, und der Entschluss stand fest: „Diesmal bin ich dabei. Ich schaue mir die Mädels an. Die sind für mich genau so interessant wie die Männer.“ Das Auftaktspiel in Berlin fand er „einmalig“: „So viele nette und zuvorkommende junge Menschen. Ich bin hellauf begeistert.“ Nur über eins hat sich der Deutsch-Kanadier geärgert: Er durfte seine dicke Schweizer Kuhglocke nicht mit ins Stadion nehmen. Aber beim nächsten Spiel will er es wieder versuchen. „In Kanada sind sogar Vuvuzelas erlaubt.“
Birgit Prinz – „bei uns sagen alle nur Prinz“ – ist seine Lieblingsspielerin und für‘s Endspiel tippt er Deutschland gegen USA 5 : 0. Aber auch die neue Heimat vergisst Konrad Schleier nicht: „Kanada kommt auf den 3. Platz.“ Das klappt leider nicht: Sie haben die Vorrunde nicht überstanden und sind draußen.
Autor:Doro Backmann-Kaub aus Lünen |
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