Lüner SV 45 und Faustkämpfer 51: Fred Gatzke, einer der letzten Lüner Boxer ist gestorben
Von Bernd Janning
Lünen. Fred „Freddy" Gatzke (*25. 8. 30 - † 11. 12. 20). Der bekannte Boxer, der nie an einer Meisterschaft teilnehmen durfte, starb im Alter von 90 Jahren.
Gatzke hatte direkt nach Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 bei einer Explosion seine rechte Hand verloren. Er durfte nur bei Vergleichen der Vereine untereinander starten. Zu Meisterschaftskämpfen ließen ihn die Sportärzte nicht zu. Trotzdem war er sehr erfolgreich.
„Ich fühlte mich mit meiner Behinderung meinen Gegnern nie von vorherein unterlegen. Die fehlende Hand war für mich nur ein leichtes Handikap“, steckte er die schwere Verletzung gut weg.
Der Weltergewichtler hatte als Bergmann auf der Lüner Zeche Viktoria ein gutes Stehvermögen. Schon mit 15 Jahren war er Mitglied einer Boxstaffel.
Als 1945 im heutigen Lüner SV eine Box-Abteilung entstand, zählte er zu den Mitgründern. Weitere Mitglieder der ersten Stunde waren Paul Ciegiel, Andreas Cichos, Jupp Finke, Franz Köppel und Rudi Krusemann. Später trennte sich die Box-Staffel vom Lüner SV, machte sich 1951 als „Faustkämpfer 51 Lünen“ selbständig.
Boxfreunde kennen noch die Namen der damals Aktiven, die teils, Kreis-, Bezirks-Mester und wie Reiner Drescher Dritter bei der Deutschen Meisterschaft wurden: Neben Fred auch Hansi Gatzke, die Drescher-Brüder Gerhard, Hansi und Reiner, Max jun. und Kuno Dzikowski, Siegfried Groth, Franz und Willy Hammerl, Dieter Mareck, Hans Morawe, die Söhne des Trainers Franz Netthövel, Siegfried und Eugen Nowak, Willi Kleine, Max Krause, Alfred Kröner, Karl-Heinz Kyak, Günter Postrach, Detlef und Gerd Schmidt, Fritz Sambil, Franz Schröder, Arno Tybor, Deutscher Jugendmeister 1942 und 1943, Rudi und Heinz Väth, Theo Verhey, Gerd Weniger…
Veteranen des ehemaligen Vereins „Boxsport 32 Brambauer“ kamen dazu. Der Namen wurde in „Faustkämpfer Groß-Lünen“ geändert, hieß von 1955 bis 1964 nur noch „Faustkämpfer Lünen“.
Insbesondere Brambauer Bergleute, die nach Inbetriebnahme des Schachtes V der Zeche Minister Achenbach nach Alstedde gekommen waren, gründeten 1957 den „Boxclub Alstedde 57“.
Die Boxer aus Alstedde und die Faustkämpfer arbeiteten eng zusammen. Doch 1969 war die Zeit der Boxer in Lünen endgültig vorbei: Knockout!
Geblieben sind viele Anekdoten rund um den Kampfplatz im „Schützenhof“ an der Cappenberger Straße und die Freiluftring in Alstedde bei „Heideblümchen“ und unter den Platanen vor der Brambauer Achenbachschule.
Geblieben sind auch nette Geschichten. Diese hier stammt von Fred Gatzke:
„1948 blieb die Boxstaffel ohne Niederlage. Zu den Auswärtskämpfen „reisten“ die wie mit der Bahn, mit dem offenen Kohlelaster von Hugo Mehrholz oder dem Mehltransporter von Bach an.“
„Nach uns die Sintflut!“ könnten die Boxer am 16. Mai 1947 gedacht haben. Auf der Fahrt nach Datteln mussten sie sich auf dem offenen Laster mit einer geliehenen Plane vor dem Dauerregen schützen. Die Umkleide im Dattelner Zentralkino unter der Bühne im Keller stand nach dem Wolkenbruch einen halben Meter unter Wasser. Die Sportler mussten sich auf Tischen und Stühlen umkleiden.
„Rauf in den Ring, boxen, wieder über Wasser umziehen und dann wieder mit der Plane über dem Kopf nach Hause“, erinnerte sich Gatzke an denkwürdigen Tag. „Aber mit einem haushohen Sieg in der Tasche! Mensch, waren wir stolz!“
In aller Herrgottsfrühe zogen die Lüner Boxer an ihren Kampftagen gelegentlich nach Brambauer.- mit mehreren Handkarren im Schlepp und ihren Bräuten, Frauen, Brüdern und sämtlichen Vorstandsmitgliedern an der Hand. Der Grund: Die Boxer in Brambauer besaßen einen zerlegbaren Hochring, die Lüner nicht. Also mussten sie sich das Geviert ausleihen.
Dass das Material am Abend nach dem Kampf auch wieder zurückgebracht wurde, war Ehrensache. Natürlich wieder per Bollerwagen. Eine mindestens ebenso Schweiß treibende Sache wieder der Kampf selbst.
An einem kalten Wintertag 1947/48 froren im „Schützenhof“ Kämpfer und deshalb murrende Besucher. Trainer Dzikowski fand bei der Begrüßung die richtigen Worte: „Ihr seid doch Bergleute. Bringt uns doch Kohlen mit!“ Am nächsten Kampftag war der Saal geheizt.
22. Mai 1948: Grußkampftag im Schützenhof. Lünen gegen Selm. Der Saal war ausverkauft. 300 schauten noch von draußen durch die offenen Türen und Fenster zu.
Über 50 Flaschen Schnaps, entweder schwarz gebrannt oder von der Zeche zugeteilt, standen im Hauptkampf beim Wetten auf dem Spiel. Der Selmer Arno Toplak als Favorit wurde jedoch nach sechs Niederschlägen aus dem Ring genommen. Lünen, mit Fritz Sambil, gewann 13:3, die Lüner Fans jede Menge Schnaps.
„Freddy“ Gatzke machte trotz seines Handicaps als Profi weiter. Nach einem undatierten Zeitungsbericht wurde er „als aufrichtiger und fairer Sportler für seinen 50. Kampf“ geehrt. Mehr als 30 davon hatte er gewonnen. Jetzt hat er seine letzte Runde beendet.
Quelle: Text und Bilder u. a. „Sport in Lünen - Die Turner standen Pate“
Autor:Lüner SV Fußball e.V. aus Lünen |
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