Arztvorbehalt: Frau leidet seit Monaten
Schmerzen, immer wieder Schmerzen. Illona Asser lebt damit seit Monaten und wie sie leiden wohl auch viele andere Menschen. Hilfe ist für die Patienten nach Recherchen unserer Redaktion oft nicht so schnell in Sicht.
Ilona Asser aus Lünen kann sich Schöneres vorstellen, als vor zehntausenden Lesern von ihrem eingewachsen Nagel am Zeh zu erzählen, von Entzündungen und Eiter, doch die Rentnerin aus Lünen ist mit ihrer Kraft am Ende und will deshalb mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit. Ilona Asser ist sich sicher, dass sie kein Einzelfall ist, denn eingerollte und eingewachsene Nägel sind eben keine Seltenheit. Hilfe zu finden, daran verzweifelte sie mehr als ein Mal in den letzten Monaten. Ihr Hausarzt schreibt der Lünerin eine Überweisung für einen Chirurgen. Der Arzt, der bei Ilona Asser den eingewachsenen Nagel dann zunächst operativ behandelt und ihr so zumindest für eine Zeit die Schmerzen nimmt, empfiehlt in einem Attest für die Krankenkasse wiederum, "da operative Maßnahmen beim vorliegenden Befund nicht zielführend erscheinen", eine Spangen-Behandlung und die Kostenübernahme für die Behandlung durch einen Podologen. Ilona Assers Krankenkasse, die AOK, aber antwortet in einem Brief an ihre Versicherte, dass sie die Kosten für die Nagelkorrekturspangen leider nicht übernehmen dürfe und verweist auf ein Urteil des Bundessozialgerichts. Versicherte haben nach diesem Urteil keinen Anspruch auf Übernahme von Kosten für eine Nagelspangen-Therapie durch Podologen oder medizinische Fußpfleger. Die Behandlung sei eine ärztliche Leistung, zu erbringen und abzurechnen von Vertragsärzten.
Suche nach einem Arzt
Der Chirurg, der eine Nagelspangen-Therapie befürwortet, schreibt aber weiter in seinem Attest an die Krankenkasse, dass im gesamten Kreis Unna und Umgebung kein Arzt sowohl apperativ als auch technisch in der Lage sei, eine Spangenbehandlung durchzuführen und so steht Ilona Asser vor dem nächsten Problem. "Ein Arzt, der es wohl macht, hat seine Praxis in Siegen, aber das sind über hundert Kilometer für eine Strecke", so die Lünerin. Der Lüner Anzeiger bittet die Pressestelle der AOK um die Benennung eines passenden Arztes und die spielt den Ball weiter: Der Sicherstellungsauftrag für die Versorgung liege bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Der Kasse seien auf Nachfragen keine Ärzte benannt wurden, die die Leistung mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe abrechnen und so verweise man "als ultima ratio" direkt an die Kassenärztliche Vereinigung, um entsprechende Kontaktadressen zu erhalten, so ein Pressesprecher der Krankenkasse.
Kassenärztliche Vereinigung nennt keine Adresse
Unsere Redaktion wendet sich also an die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe. Die Antwort der Pressestelle auf unsere die E-Mail dauert fast vier Wochen. Mitte Dezember schreiben wir zum ersten Mal, zwei Wochen passiert nichts und wir erinnern noch einmal an unsere E-Mail, setzen eine Frist. Die Pressestelle erklärt die Verzögerungen mit der Pandemie und zwei weitere Wochen später kommt dann die Antwort. Das Sprichwort behauptet zwar, dass endlich gut wird, was lange währt, doch die Antwort der Kassenärztlichen Vereinigung ist für den Fall Ilona Asser keine echte Hilfe. Die Pressesprecherin betont, ähnlich wie schon die Krankenkasse, das Anlegen einer Finger- oder Zehennagelspange sei eine vertragsärztliche Leistung. Der Hausarzt könne den Patienten selbst behandeln oder an einen Kollegen überweisen, doch - Ilona Asser ist damit zurück beim Grundproblem - kaum ein Arzt leistet diese Behandlung und auch die Kassenärztliche Vereinigung nennt letztlich keine Adresse.
Arztbesuche laut Podologin meist teurer für die Kassen
Ute Gössing ist Podologin und Heilpraktikerin, ihre Praxis in Lünen ist zudem Kompetenzzentrum für Nagelkorrekturen. Geschichten wie die von Ilona Asser kennt sie viele aus ihrer Arbeit. "Die Patienten erleben meist ähnliches wie Frau Asser und kommen früher oder später an den Punkt, an dem sie die rund dreihundert Euro teure Spangen-Therapie selbst zahlen, um endlich wieder ohne Schmerzen und Probleme laufen zu können", berichtet Gössing. Die Betroffenen haben dann nach Auskunft der Expertin oft schon einen weiten Weg hinter sich, inklusive Behandlungen bei verschiedenen Ärzten. Ute Gössing kann nicht nachvollziehen, dass die Kosten für eine Spangen-Therapie beim Podologen nicht übernommen werden, denn "letzten Endes summieren sich die vielen Arztbesuche, die von den Krankenkassen übernommen werden und häufig keinen dauerhaften Erfolg haben, in der Regel auf einen viel höheren Betrag und sind somit teurer für die Kassen." Eingriffe chirurgischer Art seien zudem sehr schmerzhaft und bedeuten für den Patient oft viele Tage Ausfall bei der Arbeit. Krankenkassen hätten in der Vergangenheit zwar manchmal die Spangen-Therapie übernommen, mittlerweile sei das aber wieder eine Ausnahme. Gössing möchte am Beispiel von Ilona Asser den Beweis antreten, wie effektiv die Spangen-Therapie den Patienten helfen könne: Die Podologin wird bei der Lünerin eine Nagelspange anlegen und dokumentiert den Verlauf. Der Lüner Anzeiger begleitet Ilona Asser in den kommenden Monaten und berichtet über den Therapie-Erfolg.
Lichtblick für Patienten im November?
Im November dieses Jahres, so teilt es die Kassenärztliche Vereinigung übrigens noch mit, wolle der Gemeinsame Bundesausschuss - das höchste Beschluss-Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland - die Heilmittel-Richtlinie bezüglich der Behandlung von eingewachsenen Nägeln mittels Nagelkorrekturspangen durch Podologen überprüfen - ist das für Ilona Asser und andere Patienten das ersehnte Licht am Ende des Tunnels?
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