6. März 2022
Zum Todestag von Herbert Haberberg
Wer war Herbert Haberberg?
Im Museum der Stadt Lünen gibt es zurzeit eine Ausstellung zum Thema "Jüdisches Leben in Lünen" und genau dazu gehört Herbert Haberberg: Zum jüdischen Leben in Lünen beziehungsweise Brambauer. Auch er ist Teil des Films "Die Turnstunde" von Michael Kupczyk und seine Geschichte findet sich in einem Video in der Ausstellung wieder. Im Begleitheft zur Ausstellung ist diese Lebensgeschichte leider nicht zu finden.
Er wurde im Oktober 1924 in Brambauer geboren und hier erinnern sogenannte Stolpersteine vor dem Haus, in dem er zuletzt lebte, an ihn und seine Familie. Vor einem Jahr am 6. März 2021 verstarb Herbert Haberberg in der Nähe von London im Alter von 96 Jahren.
Aus dem Leben von Herbert Haberberg:
Geboren wurde er 1924 auf der Waltroper Straße im Haus der Familie Portje. Portjes waren holländische Juden, die einen Metzgerladen betrieben, auch an sie erinnern Stolpersteine.
Seine Familie, die ursprünglich aus Polen stammte, zog von Brambauer nach Dortmund, wo sie sich allerdings immer mehr den Anfeindungen gegen Juden ausgesetzt fühlten, so dass sie nach einigen Jahren zurück nach Brambauer zogen - in der Hoffnung, dass diese Anfeindungen in dem kleineren Ort Brambauer nicht so ausgeprägt wären. In Brambauer hatten sie ein Seifen- und Putzwarengeschäft auf der Waltroper Str. 50; ihre Wohnung lag in der Wittekindstraße.
Herbert Haberberg wurde nach dem Umzug nach Brambauer in die katholische Auguste-Victoria-Schule (heute Wittekindschule) eingeschult
und seine Aussagen im Film "Die Turnstunde" sind eindeutig. Auch in Lünen gab es Judenhass. Die vier jüdischen Kinder der Klasse wurden von ihrem Lehrer gequält. 1937 teilte der Vermieter den Haberbergs mit, dass er keine Juden als Mieter haben wollte, so landeten sie schließlich im Haus an der Waltroper Straße 32, wo heute die erwähnten Stolpersteine liegen.
Polenaktion:
Bei der sogenannten Polenaktion wurden im Oktober 1938 kurzfristig mindestens 17.000 im Deutschen Reich lebende, aus Polen eingewanderte Juden verhaftet, an die polnische Grenze gebracht und ausgewiesen. Die Abschiebung erfolgte gewaltsam und kam für die Betroffenen völlig überraschend. Hintergrund war ein in Polen verabschiedetes Gesetz, welches die Möglichkeit vorsah, allen polnischen Staatsbürgern, die länger als fünf Jahre ununterbrochen im Ausland lebten, die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Auch die Familie von Herbert Haberberg war von dieser Aktion betroffen. In Polen wurde Herbert vom Rest der Familie getrennt und lebte mit seinem Onkel in Kattowitz, während die Eltern mit dem jüngeren Bruder im Auffanglager Bentschen zurückblieben. Im August 1939 verbrachte er ein letztes Wochenende mit seinen Eltern, die er danach nie wieder sah.
Er und sein Bruder hatten das Glück, einen Platz in den Kindertransporten nach England zu bekommen.
Kindertransporte 1938/39:
Nach den Berichten zur Pogromnacht im November lockerten einige Staaten ihre strikten Einwanderungsbestimmungen und nahmen jüdische Kinder bis 17 Jahren auf. Durch diese "Kindertransporte" kamen um die 10.000 Kinder nach Großbritannien, so auch Herbert und Manfred Haberberg, die am 26. August 1939 von Warschau aus ihre Reise nach England antraten. Eine Woche später - mit Beginn des zweiten Weltkriegs gab es keine Kindertransporte mehr.
Zwischen Herbert und seiner Mutter gab es noch Briefkontakte, 1941 wurden die Eltern ins Ghetto von Debica deportiert. Als das Lager aufgelöst wurde, wurden beide Elternteile ermordet.
Bei ihrer Ankunft in England wurden die beiden Brüder getrennt in Pflegefamilien untergebracht und konnten sich nur noch alle 6 Monate sehen.
Die Zeit danach:
Herbert trat 1944 in die britische Armee ein, um gegen Deutschland zu kämpfen. Nach dem Krieg half er Überlebenden des Lagers Bergen-Belsen, sich zurechtzufinden und nach Israel einzureisen. Später kehrte er nach England zurück, wo er Familienmensch und ein erfolgreicher Metallhändler wurde. Über seine Kindheit, die nach seinen Worten mit der Polenaktion endete, sprach er nicht. Dieser Teil seines Lebens kam erst ans Licht, als seine Enkel für ein Schulprojekt etwas über seine Kindheit wissen wollten.
Am 6. März 2021 - vor einem Jahr - verstarb Herbert Haberberg in London.
Quellen:
- "Verwischte Spuren" - Jüdisches Leben an der Lippe
- "Mein Onkel Herbert Haberberg" - Jerusalem Post
- "Kindertransporte" - deutsches historisches Museum
Bedanken möchte ich mich außerdem bei der Tochter von Herbert Haberberg, die mich bei meinen Recherchen unterstützt hat.
Wer sich noch für die Ausstellung interessiert: "Jüdisches Leben im Museum der Stadt Lünen".
Autor:Martina Seeliger aus Lünen |
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