Offener Brief an den Stadtverwaltungsvorstand in Sachen Kita-Neubau Lünen-Mitte / Vorgelegte Wirtschaftlichkeitsrechnung fehlerhaft und fragwürdig

Die GFL unterstützt das Vorhaben Kita-Neubau Lünen-Mitte, jedoch sollten für die Standortfrage, den Investor und den Betreiber optimale Lösungen ausgewählt werden. Die seitens der Stadt vorgelegte Wirtschaftlichkeits-rechnung zu den Handlungsalternativen ist fehlerhaft bzw. fragwürdig.

Aus diesem Grunde hat die GFL einen offenen Brief an den Stadtverwaltungsvorstand verfasst:

Offener Brief an den Stadtverwaltungsvorstand in Sachen Kita-Neubau Lünen-Mitte
Vorgelegte Wirtschaftlichkeitsrechnung fehlerhaft und fragwürdig

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Herren,

wie bereits mitgeteilt (vgl. Schreiben vom 22.02.2012), ist die o.g. Wirtschaftlichkeitsrechnung der Stadt, die wesentlicher entscheidungsrelevanter Bestandteil der Beschlussunterlage von Ratsgremien ist, in bedeutenden Teilen fehlerhaft und fragwürdig.

Nachfolgend sind die kritischen Punkte als Ergebnis unserer Prüfung dargelegt:

1. Der angesetzte „Barwertfaktor“ von 4 Prozent ist nicht marktorientiert und berücksichtigt vermutlich keinen üblicherweise anzusetzenden Risikozuschlag. Mit Blick auf den Betrachtungszeitraum von mehr als 25 Jahren, einem langfristig zu unterstellenden kalkulatorischen Fremdkapitalzinssatz und dem anzusetzenden Risikofaktor ist dieser aus GFL-Sicht zu niedrig. Daher sollte diesbezüglich die Rechnung korrigiert werden. Bei einer Erhöhung des Kalkulationszinssatzes wird die Dritterstellungsvariante (DRK-Variante) günstiger.

2. Die Fremdkapitalzinszahlungen für die Finanzierung der Investitionen bei der Eigenerstellungsvariante (städtische Kita) wurden nicht angesetzt. Dahingehend ist die Rechnung fehlerhaft.

3. In der Variante Eigenerstellung wurde ein Betriebskostenvorteil durch Leitungseinsparungen bzw. -synergien bei der St. Georg Kita und der neuen Kita Stadtmitte in bedeutender Höhe angesetzt.
Dies ist fragwürdig und zumindest stark erläuterungsbedürftig.

4. Der Ansatz eines Restbuchwertes im Jahr 2038 mit 1 Mio. Euro in der Eigenerstellungsvariante ist in dieser Höhe nicht nachvollziehbar. Der Wert müsste niedriger angesetzt werden, da die Bauunterhaltungskosten auch nur in Höhe von 1,2 Prozent angesetzt werden und somit über 25 Jahre bzw. der Hälfte der angenommenen G50 Jahren nur 30 Prozent und nicht 50 Prozent entsprechen.
Die Rechnung ist insofern fehlerhaft.

5. Die Erschließungskosten für beide Objekte werden laut Erläuterung der Beschlussvorlage (vgl. S. 6 von 8) für die einzelnen Varianten nicht ausgewiesen bzw. werden als „gleich hoch“ angesetzt (vgl. Erläuterungen S. 8 von 8). Der separate Ansatz ist allerdings erforderlich, da von einer unterschiedlichen Höhe bei den einzelnen Varianten auszugehen ist. Bei der Dritterstellungsvariante werden aus GFL-Sicht zumindest Teile der Erschließungsauszahlungen vom Privatinvestor übernommen und fließen über die Mietpreiskalkulation in die Variantenberechnung ein. Dieser Sachverhalt ist zu klären und die Rechnung entsprechen zu ergänzen, da es sich um einen entscheidungsrelevanten Aspekt handelt.
Die Rechnung ist diesbezüglich fehlerhaft.

6. Die Gründungskosten für beide Varianten werden in gleicher Höhe angesetzt. Bei der Dritterstellungsvariante bzw. DRK-Variante fallen Entsorgungskosten für Bodenaushub und die Kosten für die Einrichtung angabegemäß nicht an. Aber selbst wenn diese anfallen, ist zu klären, ob diese Auszahlungen nicht in die Mietpreisberechnung und die entsprechenden Zahlungen eingeflossen sind. Für die Eigenerstellungsvariante sind Gründungsauszahlungen anzusetzen.
Diesbezüglich ist die Rechnung fehlerhaft.

7. Es wurden in die Dritterstellungsvariante keine endverhandelten Mietzahlungen eingestellt. Es ist aus GFL-Sicht durchaus möglich, den Mietpreis in finalen Vertragsgesprächen noch zu reduzieren oder zumindest für die ersten drei Jahre eine durchaus am Markt übliche Festschreibung der Mietzahlungen zu erreichen.

8. Wodurch unterscheiden sich die Betriebskosten netto (Zuschuss an Dritte) in der Dritterstellungsvariante und die „städtischen Betriebskosten netto“ in der Eigenerstellungsvariante? Die „Betriebskosten“ der beiden Varianten werden nicht offen dargelegt.
Dieser Punkt ist zu erläutern.

9. Der Betriebskostenzuschuss für die Dritterstellungsvariante ist zu hoch angesetzt. Der Förderanteil der Dritterstellungsvariante ist mit 36 Prozent höher als bei der Eigenerstellungsvariante.
Dahingehend ist die Berechnung fehlerhaft.

10. „Der Grundstückswert der Gemeinbedarfsfläche von 1.865 m² wird mit
17 T €/m² angenommen.“ (vgl. S. 8 von 8 der Erläuterungen zur Beschlussvorlage). Diese Annahme und insbesondere der angesetzte Wert sind nicht nachvollziehbar und erläuterungsbedürftig. Aus GFL-Sicht ist die Wirtschaftlichkeitsrechnung dahingehend zu ändern, für den Grundstückswert die entsprechenden Verkehrswerte in Anlehnung an Marktpreise bei der Eigenerstellungsvariante anzusetzen. Denn die Fläche Schorlemmers Kamp soll als Grundstücksfläche für den Kita-Bau eingesetzt werden und wird entsprechend bei der ZGL zu bilanzieren sein.

Vor dem Hintergrund der oben aufgeführten Aspekte ist die vorgelegte Wirtschaftlichkeitsrechnung nicht belastbar und in wesentlichen Teilen fehlerhaft. Die Fehlerkorrektur würde zu einem anderen Ergebnis führen. Nach unserer Einschätzung wird die Dritterstellungsvariante wirtschaftlich vorteilhafter sein. Folglich sind die Entscheidungen, die im Jugendhilfeausschuss und im Haupt- und Finanzausschuss getroffen wurden, nicht mehr haltbar. Die Ausschüsse müssen sich nochmals mit der Thematik befassen, da diese die Wirtschaftlichkeitsgrundsätze in Anlehnung an die Gemeindeordnung bei der Beschlussfassung berücksichtigen müssen.

Wir beantragen, die vorgenannten Kritikpunkte zu prüfen und eine belastbare und korrigierte Wirtschaftlichkeitsrechnung den Ratsgremien zu übersenden sowie die erneute Beschlussfassung durchzuführen.

Mit freundlichen Grüßen
(Prof. Dr. Johannes R. Hofnagel)

Autor:

Prof. Dr. Johannes Hofnagel aus Lünen

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