Lünen geht es gut
könnte man in Anbetracht der Diskussion um das Bauprojekt Lippebrücke meinen.
In der Finanzausschusssitzung am 23.10. des Stadtrates Lünen war ein wesentlicher Tagesordnungspunkt der "Neubau Brücke Graf-Adolf-Str." .
Es begann damit, dass faktisch nur die Ausschussmitglieder von der Ankündigung der Verwaltung Kenntnis hatten, dass die grundlegende Diskussion vom nicht-öffentlichen Sitzungsteil in den öffentlichen Teil verlegt wurde. Sogar in der aushängenden Tagesordnung vor dem Ratssaal war diese Änderung nicht vermerkt.
Die trotzdem an einer Hand abzählbaren interessierten Einwohner hatten von dieser Änderung wohl nur durch die informelle Information des Dezernenten Buckesfeld anlässlich einer Bürgerveranstaltung der CDU am Pavillon, Lange Str., vom 21.10. erfahren.
Von der Verwaltung wurden verschiedene Projektalternativen und die damit verbundenen Investitionskosten vorgestellt, vom Nichtbau der Brücke bis zum Bau gemäß der ursprünglichen Planung.
Die Kostenspanne reicht von rund 0,6 Mio. EUR (verlorene Kosten für Fundamente und Planung bei Nichtbau) bis 3,6 Mio. EUR für die optisch aufgepeppte Highlight-Variante. Abzüglich von Fördergeldern verbleibt für den städtischen Haushalt noch ein Eigenfinanzierungsbetrag bei dieser teuersten Variante von 1,44 Mio. EUR.
Den politischen Entscheidern ist zur Vergleichbarkeit eine "Vollkostenrechnung" durch die Verwaltung vorgelegt worden, wobei über die gesamte Lebensdauer der Brückenalternativen auch Folgekosten einbezogen wurden.
Eine Berücksichtigung möglicher Einsparungen aus einem Wegfall geplanter weiterer Umgestaltungskomponenten der Graf-Adolf-Str. bei der Alternative "Keine Brücke" wurden vom Dezernent Buckesfeld aber in dieser Gegenüberstellung interessanterweise für nicht notwendig erachtet.
Die sich an den Brückebau anschließende Sanierung und Umgestaltung der Graf-Adolf-Str. kostet zusätzlich fast 1,2 Mio. EUR.
Damit soll durch Verschieben der Bushaltestellen in Verbindung mit der Fällaktion von 23 Bäumen die Sichtachse zwischen Rathaus und Sparkasse freigestellt werden, ein neuer Kreisverkehr vor der Brücke soll die zur Zeit nicht mehr benötigte Ampelanlage ersetzen und ein neuer Straßenbelag wird das optische Bild aufwerten.
Der Verkehrsbeschleunigung durch den Kreisverkehr steht dabei die strategische Zielsetzung entgegen, dass im Zuge der Neugestaltung des neuen Rathauseingangs (zusätzliche Projektkosten cirka 0,2 Mio.) die Verkehrsbelastung in der Graf-Adolf-Str. nachhaltig reduziert werden soll. Dies geschieht unter anderem durch die Beschränkung des öffentlichen Parkplatzes an der AOK auf Sondernutzungsberechtigte.
Interessant waren nachfolgend dann die einzelnen Wortbeiträge der Ratsfraktionen zum Thema Brückenbau:
• Die GFL trauert einer aus ihrer Sicht verpassten Gelegenheit der Sanierung der alten Brücke nach, möchte Prüfungsmechanismen zur Vorbeugung einer weiteren Insolvenz eines Brückenbauers gesichert wissen und kann sich noch nicht zu einer abschließenden Meinung zum Brückenneubau durchringen.
• Die CDU dringt auf die Beibehaltung der alten Entscheidung zum Brückenbau und beruft sich dabei auf eine vermeintlich erkannte mehrheitlich zustimmende Bürgermeinung.
Das Bild der Meinungsäußerungen bei der Bürgerinfo am 21.10. mit rund 30 Anwesenden könnte diese Erkenntnis allerdings auch in Frage stellen.
Die sich entwickelnde Akzeptanz der Bürger für investive Großprojekte wird dabei an der "Lippekaskade" festgemacht. Nach Meinung der CDU hat sich vorhandene Kritik der Bürger im Nachhinein in eine positive Bewertung gewandelt. Das Projekt werde inzwischen als ein aufwertendes Highlight für Lünen angesehen.
• Die Grünen zweifeln an, dass die Projektkosten von veranschlagten 3,6 Mio. EUR einhaltbar sind. Trotzdem fordern sie dringend den Neubau. Sie halten zurzeit die Beschränkung der Radfahrer bei der Zufahrt zur Stadt über die Brücke Münsterstr. für nicht mehr hinnehmbar, vor allem wenn es auch noch zu zusätzlichen Einschränkungen durch Festivitäten wie den Weihnachtsmarkt kommt.
• Die SPD erklärt ebenfalls den Neubau für notwendig. Unter anderem begründet sie dies mit einer notwendigen gerechten Lastenverteilung. Sie halten es für inakzeptabel, dass die Einwohner im Viertel um die St. Marienkirche die Verkehrsberuhigung in Ihren Gärten genießen können und die Anwohner der Bäckerstr. gleichzeitig unter dem zusätzlichen Busverkehr leiden.
• Als einzige Ratspartei bezieht die FDP die desolaten finanziellen Verhältnisse der Stadt Lünen in ihre Überlegungen ein. Die FDP schlägt deshalb vor den Neubau zu verschieben, bis der städtische Haushalt wieder Perspektiven zeigt.
In Anlehnung an die von den PIRATEN vorgestellte Notwendigkeit einer ganzheitlichen Lösung zum Nahverkehr (hier) hält sie währenddessen die Entlastung der Bäckerstr. durch eine neue Verkehrsführung des Busverkehrs für umsetzbar.
Also alles gut?
Die Fakten sprechen dagegen.
Der Beschluss zum Neubau der Brücke und den weiteren kostenintensiven Änderungen in der Graf-Adolf-Str. stammt aus dem Jahr 2012.
Im März 2013 hat der Rat der Stadt Lünen noch eine Haushaltsplanung 2013/2014 erlassen, die für den Haushalt 2014 erstmals nach Jahren mit roten Zahlen ein positives Jahresergebnis in Aussicht gestellt hatte.
Die Realität folgt aber, wie so oft, nicht den Prognosen. Zwischenzeitlich spricht der Stadtkämmerer davon, dass die "Zitrone ausgepresst ist".
Im Februar 2014 wurde bereits ein Haushaltsnachtrag erforderlich. Darin wird das Ergebnis 2014 auf negativ —11,4 Mio. EUR statt positiv + 1,3 Mio. EUR beziffert und für 2015/2016 sind bereits weitere hohe negative Ergebnisse geplant. Zusätzliche Verschlechterungen infolge erhöhter Umlagen des Kreises zeichnen sich bereits ab.
Seit der Beschlussfassung zu den Investitionen in und um die Graf-Adolf-Str. hat sich also die finanzielle Lage der Stadt Lünen deutlich verschlechtert.
Politische Konsequenzen in Richtung einer Neubewertung anstehender Investitionsvorhaben erfolgen aber nicht.
Um die Folgen der negativen Entwicklung abzumildern wird vorerst an einen weiteren Personalabbau im Rathaus, mit den entsprechenden Folgen für den Bürgerservice, gedacht. Zur Einnahmeverbesserung ist zusätzlich bereits jetzt die Erhöhung der Steuern für die Bürger angedroht.
Selm hat die Vorreiterrolle bei der Erhöhung der Grundsteuer für Hauseigentümer (und Mieter) mit einer faktischen Verdoppelung des Hebesatzes von 445 % auf 825 % eingenommen. Abzuwarten bleibt, wie hoch dann die Grundsteuer, die Hundesteuer oder andere Steuern in Lünen ab 2015 angesetzt werden.
Übrigens steht bereits die nächste finanzielle Großinvestition mit der umfassenden Umgestaltung der Münsterstr. an der Persiluhr über rund 0,6 Mio. EUR an (Näheres dazu hier).
Nachsatz per 28.10.2014:
Die endgültige Entscheidung zum Bau der Lippebrücke soll in der Ratssitzung am 30.10.2014 um 17 Uhr im Sitzungssaal Rathaus getroffen werden.
Die Tagesordnung (hier) führt allerdings diesen Tagesordnungspunkt nicht im öffentlichen Teil der Sitzung auf!
Eventuell wird dieses Thema wie schon im Haupt- und Finanzausschuss bei Sitzungsbeginn in den öffentlichen Teil verlagert.
Autor:Reiner W. Dzuba aus Lünen |
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