Jusos untersuchen Lüner Innenstadt auf Barrierefreiheit
Mit Zollstock und Wasserwaage bewaffnet waren die Jusos Lünen am Samstag in der Innenstadt unterwegs. Ihre Mission: Sie untersuchten die Lüner Innenstadt auf Barrierefreiheit. Als Experte begleitete sie der 35-jährige Dennis Jantoss, der bereits im Rahmen seines Rehabilitationswissenschafts-Studiums an der TU Dortmund öffentliche Einrichtungen auf Barrierefreiheit testete.
„Eltern mit Kinderwagen, ältere Menschen mit Rollatoren, Menschen mit Behinderungen — für viele Menschen ist eine barrierefreie Stadt wichtig und wird durch den demographischen Wandel in unserer älter werdenden Gesellschaft immer wichtiger“, erläutert Juso-Vorsitzende Nina Kotissek, „Barrierefreiheit ermöglicht die Teilhabe an der Gesellschaft.“
Die Fußgängerzone, besonders im nördlichen und südlichen Eingangsbereich und auf dem neu gestalteten Marktplatz, ist weitgehend ebenerdig und für Menschen mit einer Gehbehinderung gut geeignet. In ein paar Seitenstraßen erschwert der holprige Straßenbelag Rollatoren oder Rollstühlen die Benutzung. Problematisch sind einige zu steile Stellen: Steigungen dürfen höchstens 6% betragen (s. DIN 18040-1). Auf dem Wallgang maßen die Jusos teilweise Steigungen von 8%, an der Steigung der Lippebrücke sogar bis zu 10%. Rollstuhlfahrer/innen haben dadurch Probleme, die Lippebrücke aus eigener Muskelkraft zu erklimmen.
Während Gehbehinderte große Teile der Innenstadt gut betreten oder befahren können, ist das für Sehbehinderte schwieriger: In der gesamten Fußgängerzone und in den angrenzenden Straßen fehlt ein Blindenleitsystem auf dem Boden, durch das Sehbehinderte mit ihrem Blindenstock die richtige Richtung ertasten können. Blinde können die Lüner Innenstadt kaum selbstständig benutzen. Eine positive Ausnahme bildet die Bäckerstraße zwischen dem Rathaus und der Sparkasse: Dort wurde an das Blindenleitsystem gedacht — das wünschen sich die Jusos in der ganzen Innenstadt.
Auch die Bushaltestelle an der Bäckerstraße sticht positiv hervor. Dort gibt es sowohl einen sehr hohen Bordstein, sodass Menschen mit Kinderwagen, Rollatoren und Rollstühlen bequem und möglichst ohne Rampe in den Bus steigen können, als auch das 2-Sinne-Prinzip zur Information über die nächsten Verbindungen, die visuell sowie auditiv übertragen
werden: Auf Knopfdruck werden die anstehenden Busverbindungen vorgelesen. Dieser Standard sollte an allen Lüner Bushaltestellen umgesetzt werden.
Die Lüner Jungsozialist/innen untersuchten außerdem städtische Einrichtungen. Das Rathaus ist für gehbehinderte Menschen dank des Aufzugs gut zu benutzen. Zu optimieren ist der Aufzug noch durch auditive Signale, die sehbehinderten Menschen ansagen, in welchem Stockwerk sie sich befinden. Der Ratssaal ist bedingt barrierefrei — Ratsmitglieder im Rollstuhl könnten den Ratssaal erreichen, müssten aber aufgrund der stufigen Architektur in der letzten Reihe sitzen. Interessierte Besucher/innen mit Gehbehinderung können die Besuchertribüne, die sich über dem Ratssaal befindet und nur über eine Treppe zu erreichen ist, nicht betreten.
Auch im Lüner Kultur- und Aktionszentrum (Lükaz) finden die Jusos sowohl positive als auch negative Beispiele. Der Eingang über eine Rampe und die Toiletten sowie das gesamte Erdgeschoss sind für gehbehinderte Menschen barrierefrei. Dort feiern mehrfach im Jahr viele Menschen mit Behinderung und ihre Freund/innen die „Stern- und Schnuppe-Party“, organisiert vom Behindertenbeirat, die die Jusos immer gerne besuchen.
Die obere Etage des Lükaz ist für Gehbehinderte jedoch nicht zu erreichen. Dort befinden sich Räumlichkeiten der Musikschule und der Volkshochschule und das Lükaz bietet Aktivitäten für Kinder und Jugendliche an. An diesen Angeboten können Rollstuhlfahrer/innen nicht teilnehmen und teilhaben, kritisieren die Jusos.
Schließlich setzten sich die Lüner Jungsozialist/innen auch kritisch mit den Barrieren in den Räumlichkeiten der SPD Lünen auseinander. „Wir fordern die Stadt auf, Barrierefreiheit zu schaffen — da müssen wir als SPD mit gutem Beispiel vorangehen und gewährleisten, dass alle Menschen an unserer politischen Arbeit teilhaben können“, stellt Juso-Vorsitzende Nina Kotissek klar.
Die Tür zu den Büros der Ratsfraktion und der Abgeordneten öffnet sich dank eines Bewegungsmelders automatisch. Die Haupteingangstür, die außerhalb der Büro-Öffnungszeiten in die Sitzungsräume der SPD Lünen führt, öffnet nicht automatisch und die Türschwelle mit einer Steigung von 10% ist für Rollstuhlfahrer/innen oder Menschen, die einen Rollator benutzen, schwierig zu überwinden. Die Türen in der SPD sind nur 80cm breit, müssten aber 1m breit sein. Besonders problematisch ist die Toilettensituation. Positiv zu bemerken ist, dass die Waschbecken unterfahrbar und somit nutzbar für Rollstuhlfahrer/innen sind. Negativ fällt jedoch auf, dass die Toilettentüren nur 60cm breit sind und die einzelnen Toilettenkabinen sehr eng sind — für Rollstuhlfahrer/innen nicht nutzbar.
„Unsere SPD-Vorstandssitzungen dauern gerne drei Stunden und finden in Räumlichkeiten statt, in denen Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, nicht oder nicht würdevoll die Toilette benutzen können“, resümiert Juso-Vorsitzende Nina Kotissek. „Aktuell ermöglichen wir gehbehinderten Menschen nicht, an unserer Vorstandsarbeit teilzuhaben. Wir werden in der SPD anregen und dafür kämpfen, das zu ändern.“
Autor:Nina Kotissek (SPD) aus Lünen |
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