2 neue Stolpersteine
Für Reinhold Blankensee und Walter Hermanspann

Der Eingang zur Gedenkstätte Konzentrationslager Neuengamme. Foto Emily Mohney | Foto: Foto Emily Mohney
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Lünen. Erstmalig wird in Lünen am Freitag, den 27. Oktober 2023 an den militärischen Widerstand gegen den Kriegstreiber und Diktator Adolf Hitler in Form eines Stolpersteins gedacht. Er wird für ein Opfer der Nazis verlegt, dessen Widerstand darin bestand, sich dem Krieg und dem Vernichtungsfeldzug der Wehrmacht zu widersetzen. Es handelt sich dabei um Walter Hermanspann, der zweimal desertierte und am Ende des zweiten Weltkrieges kurz vor seinem 25jährigem Geburtstag ermordet wurde. Seine Geschichte wurde von Katrin Rieckermann vom „Arbeitskreis Lüner Stolpersteine“ genauso aufgearbeitet, wie die von Reinhold Blankensee, der als ehemaliger Stadtverordneter in Lünen und Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), politisch verfolgt und zuletzt in einem Konzentrationslager ermordet wurde.

Die Verlegungen der beiden Stolpersteine beginnen am 27. Oktober um 11 Uhr an der Moltkestraße 42 für Reinhold Blankensee. Anschließend wird der zweite Stein für Walter Hermanspann an der Friedrichstraße 40/Ecke Röntgenstraße verlegt. Die Patenschaften sowie das Sponsoring übernimmt die Geschwister-Scholl-Gesamtschule, die in diesem Jahr ihr 40jähriges Bestehen begeht. Schülerinnen und Schüler werden die Veranstaltung kulturell begleiten.

Reinhold Blankensee – Stadtverordneter und Spitzenfunktionär der KPD

Der in Berlin 1889 geborene Reinhold Blankensee wohnte zuletzt im Lüner Geistviertel in einem Wohnhaus in der Moltkestraße 42. Er war Bergmann, Maschinenbautechniker, und arbeitete ab 1931 als Hauer auf der Zeche Minister Achenbach in Brambauer. Verheiratet war Reinhold Blankensee mit Emilie Auguste Tessner, das Ehepaar hatte zwei Söhne.
1929 wurde er von den Lüner Bürgerinnen und Bürger zum Stadtverordneten gewählt. Bis zur Auflösung der KPD im Juli 1933 gehörte er zu deren Mitgliedern und Spitzenfunktionären. Auch war er in Lünen der politische Leiter des Einheitsverbandes der Bergarbeiter Deutschlands (EVBD), einer 1931 gegründeten kommunistischen Gewerkschaft sowie der Roten Hilfe Deutschlands, einer politischen Hilfsorganisation, die der KPD nahestand.
Im März 1933 wurde er vom Kriminalbeamten Függer verhaftet und kam für über vier Monate in verschiedene Gefängnisse und anschließend in ein Konzentrationslager. Zunächst saß er vom 17.3.1933 bis zum 20.3.1933 im Polizeigefängnis Lünen ein, bevor er direkt danach bis zum 13.4.1933 im Gerichtsgefängnis Lünen inhaftiert war. Anschließend war er bis zum 21.7.1933 in der Strafanstalt Werl. Im Dezember 1933 wurde er aus dem Konzentrationslager Esterwegen im Emsland entlassen. Danach hatte sich Reinhold Blankensee regelmäßig bei der Polizei zu melden. Mitte 1934 wurde er von der Meldepflicht befreit. Blankensee war der Überwachung durch ein Parteimitglied der NSDAP unterstellt, von der er ebenfalls Mitte des Jahres 1934 befreit wurde.
Aufgrund seiner Gegnerschaft zum Nationalsozialismus war Blankensee nach seiner Entlassung aus "Schutzhaft" und KZ lange arbeitslos. Auch im Zuge der Einstellung von politisch unbeliebten Bergleuten 1937 wurde ihm die Aufnahme einer Arbeit verwehrt. Erst am 14.12.1938 bekam er wieder Arbeit als Hauer auf der Zeche Minister Achenbach.
Nach dem „Stauffenberg-Attentat“ wurde Reinhold Blankensee erneut verhaftet. Die Stationen seiner Haft führten am 22.8.1944 ins Polizeigefängnis Lünen, danach sofort bis zum 12.9.1944 ins Gerichtsgefängnis Lünen. Seine Odyssee brachte ihn von dort ins Konzentrationslager Sachsenhausen, Es befand sich in der Stadt Orienburg, nördlich von Berlin. Hier blieb er bis zum 4.2.1945 inhaftiert. Im Januar erhielt seine Frau die letzte Nachricht ihres Mannes, der anschließende von Sachsenhausen aus in das Hamburger KZ Neuengamme deportiert wurde. Dort war er mit der Häftlingsnummer 73314 registriert. Hier wurde Reinhold Blankensee am 10.3.1945 ermordet. Danach begannen die Nazis am 19. April mit der Räumung des KZ. Sicher aus Sorge, dass nach Ende des Kriegs die Befreier viel über das Lager und die Brutalität der Bewacher erfahren könnten. Denn am 15. April hatten britische Truppen das Lager Bergen-Belsen befreit und dort Tausende Opfer vorgefunden. Alle Akten wurden vernichtet und das Lager teilweise demontiert und aufgeräumt. Am 4. Mai 1945 fanden britische Truppen das KZ leer vor.
Einige Tage vorher wurde das Konzentrationslager Neuengamme gegen Ende April 1945 von den letzten 600 bis 700 Häftlingen evakuiert, alle Akten wurden vernichtet und das Lager teilweise demontiert und aufgeräumt. Letzte Häftlinge wurden der SS-Sondereinheit Dirlewanger überstellt.

Walter Hermanspann erst Soldat, dann toter Deserteur
Auch im zweiten Weltkrieg gab es in Lünen mehrere Deserteure die ihren Dienst als Soldaten nicht mehr tun wollten oder konnten. Die meisten von ihnen sind mit Gefängnis, KZ-Haft, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, Dienst in Strafbataillonen oder Ähnlichem bestraft worden und wurden so zu Opfern des NS-Systems. Einige bezahlten ihre Entscheidung mit dem Tod. So auch Walter Hermanspann, der kurz nach Ende des ersten Weltkrieges am 30. April 1920 in Lünen geboren wurde. Er war Vater eines Kindes. Zuletzt wohnte er in Lünen im Geistviertel, Friedrichstraße 40. Das Haus an der Ecke Röntgenstraße ist mittlerweile abgebrochen.
Noch nicht volljährig, diente Hermanspann seit dem Jahr 1940 als Soldat. Doch schon bei seinem Einsatz in Frankreich desertierte er, wurde inhaftiert und nach einer kurzen Haftzeit in den NSU-Werken in Neckarsulm eingesetzt. Hier wurden für die Wehrmacht unter anderem tausende von Kettenkrafträdern gebaut. Nach einem Jahr wurde er erneut eingezogen und zur Truppe nach Eschweiler in die Region von Aachen kommandiert. Er musste an der Front in Russland kämpfen, erlitt dort eine Verwundung und kam ins Lazarett. So geschwächt, diente er anschließend bei einem Ersatztruppenteil in Bonn, später wurde er auf dem Truppenübungsplatz Wahn bei Köln eingesetzt.
Gemeinsam mit acht Kameraden kehrte er Weihnachten 1942 aus einem Stadturlaub nicht zur Truppe zurück. Er wurde gesucht, Anfang 1943 schließlich in Köln verhaftet und zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt, wozu er dann am 2. April 1943 nach Siegburg im Rheinland gebracht wurde. Im Gefängnis waren hauptsächlich Zwangsarbeiter untergebracht, welche dort unter unmenschlichen Umständen zusammengepfercht und zu schwerer Arbeit gezwungen wurden. 1944 waren 3500 Menschen in dem für nur 700 Insassen ausgelegten Zuchthaus eingepfercht. Bevor die Amerikaner die Insassen am 12. April 1945 befreiten, kam Walter Hermanspann am 25. März 1945 ums Leben.

Autor:

Udo Kath aus Lünen

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