Forensik in Lünen - Offener Brief an Frau NRW-Ministerin Barbara Steffens
Sehr geehrte Frau Ministerin Steffens,
ich bin Anwohner der Westfaliastr. in Lünen und von dem Beschluss der Landesregierung NRW zum Bau einer forensischen Einrichtung auf dem Gelände der ehemaligen Schachtanlage Viktoria I/II unmittelbar betroffen.
Bei diesem Gebiet handelt es sich um ein gewachsenes Wohnumfeld, welches in der Vergangenheit hauptsächlich von ehemaligen Bergleuten und deren Familien bewohnt wurde.
Im Zuge der Integrationspolitik der Stadt Lünen und nicht zuletzt des demografischen Wandels siedelten sich in diesem Stadtteil im Laufe der Jahre vermehrt auch Familien mit Migrationshintergrund an, hier mehrheitlich Neubürger mit türkischem Migrationshintergrund.
Zu meinem Bedauern muss ich leider feststellen, dass Sie mit dieser Standortentscheidung bewusst oder unbewusst die derzeit propagierte und in den Medien ausdrücklich formulierte Integrationspolitik des Landes NRW in besonderem Maße schädigen.
Wenn Sie sich zeitnah vor Ort einen persönlichen Überblick über die Besonderheiten dieses Stadtteils und der hier lebenden Menschen verschafft hätten, wäre Ihnen sicher aufgefallen, dass in diesem von hoher Arbeitslosigkeit geprägten, bahnhofsnahen Umfeld viele Migrant(inn)en mit ihren Familien leben. Ein solcher Standort hätte meines Erachtens doch einen gesetzlichen Anspruch auf eine auf diese Besonderheiten zugeschnittene integrationspolitische Förderung zur Steigerung des Lebens- und Wohnumfeldes und dem Abbau integrationsbedingter Hindernisse! So erfüllt dieser Standort doch alle Voraussetzungen für eine spezifische Förderung, z.B. für "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - soziale Stadt", um nur eine mögliche Förderalternative zu nennen. Oder handelt es sich bei einer forensischen Einrichtung um ein sog. "Leuchtturmprojekt" ? Dies wäre aber ein gewagtes Spiel mit den dort lebenden Menschen, haben wir doch schon eine Ballung sozialer Probleme und Entmischungstendenzen (Segregation), die dann zum vollständigen Abdriften eines ganzen Stadtteils führen würden. Von einer gelungenen Stadtentwicklung kann man dann zukünftig in keinster Weise mehr reden, im Gegenteil, man entfernte sich dann zwangsläufig in rasanter Geschwindigkeit von derselben.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihre per Kabinettsbeschluss getragene Entscheidung durch das Landesintegrationsministerium NRW begleitet oder überprüft wurde. Wenn doch, wäre diese meines Erachtens falsch und dringend zeitnah zu überprüfen. Vielmehr ging es Ihnen, und dieser Eindruck drängt sich mir zwangsläufig aufgrund Ihrer getroffenen Entscheidungen auf, augenscheinlich aus Eigennutz orientierten Antrieben allein darum, der Bergbaugrundstücke habhaft zu werden. Ihr sogenannter Kriterienkatalog für geeignete Standorte ist entweder unvollständig und falsch gewichtet oder nachträglich Ihrer Auswahl angepasst worden. Es wäre interessant zu wissen, welche Befähigung/ Eignungen Ihre Mitarbeiter, die bei der Entwicklung dieses Kriterienkataloges mitgewirkt haben, hinsichtlich der fundierten Erstellung und sachgerechten Beurteilung eines solchen Dossiers vorzuweisen haben. Sollte es sich tatsächlich um Fachleute handeln, müsste ich nachdrücklich deren Eignung anzweifeln. Zu einem anderen Schluss kann ich leider nicht kommen.
Anscheinend hielten Sie es auch nicht für nötig, die Migrant(inn)en in diesem sozial benachteiligten Wohngebiet in angemessener Weise zu unterrichten. Glauben Sie wirklich alle Migrant(inn)en beherrschen die Feinheiten der deutschen Sprache, lesen deutsche Tageszeitungen und sind darüber hinaus noch mit Begriffen wie „Kabinettsbeschluss“ vertraut? Ich denke, dass wir, sollten Sie dies wirklich glauben, definitiv kein Landesministerium für Integration mehr benötigen. Ich muss also davon ausgehen, dass diese zweifelhafte Informationspolitik der Bürger und Neubürger auch so beabsichtigt ist. „Mit Kindern, alten Leuten, Bergarbeitern und Menschen mit Migrationshintergrund kann man es ja so machen . . .“
Ich denke, so ein rücksichtsloser Umgang gegenüber sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen ist aber schwerlich ein Vorzeige-Modell für die bundespolitische Integrationspolitik !
Wenn Sie das alles verantworten wollen und können, schädigen Sie auf Dauer den Ruf Ihrer Partei, denn die Lüner Bürger sind dann sicherlich nicht mehr bereit, Sie zu wählen, mehr noch, sie werden in zunehmenden Maße Ihre Eignung als Ministerin in Frage stellen müssen. Bedauerlicherweise werden so nicht zuletzt auch die nachhaltigen und herausragenden Integrationsansätze der Stadt Lünen ad absurdum geführt.
Mit freundlichen Grüßen:
Stephan Gorski
Lünen, den 28.10.2012
Autor:Stephan Gorski aus Lünen |
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