Die „Brandmauer“ der Linken
Ein Widerspruch zur Ideologie einer diskriminierungsfreieren Sprache?

Die politische Linke steht seit Jahren an vorderster Front, wenn es um den Kampf gegen Diskriminierung und die Forderung nach einer sensiblen, inklusiven Sprache geht. Begriffe wie „Menschen mit Migrationshintergrund“ statt „Ausländer:innen“ oder geschlechtsneutrale Formulierungen sind Ausdruck dieses Bemühens, niemanden auszugrenzen oder zu stigmatisieren. Umso irritierender wirkt es daher, wenn dieselben Akteur:innen den Begriff der „Brandmauer“ verwenden - ein sprachliches Bollwerk, das nicht nur politische Gegner:innen isoliert, sondern auch einen gefährlichen Zweiklang schafft: "Wir hier, die Guten - ihr dort, die Bösen".

Die "Brandmauer": Symbol moralisierender Diskurshoheit

Die Metapher der „Brandmauer“ soll verdeutlichen, dass es keine Zusammenarbeit mit rechtsextremen und sogar rechtskonservativen Kräften geben darf. Das Ziel ist ehrenwert: Extremismus darf nicht normalisiert werden. Aber schon der Begriff ist problematisch. Eine "Brandmauer" trennt nicht nur, sie erklärt alles jenseits der Mauer pauschal zur Gefahrenzone - und die Menschen dahinter zu einer homogenen Masse, den Aussätzigen, die es auszugrenzen gilt. Hier zeigt sich ein Widerspruch: Während die Linke einerseits sprachliche Stigmatisierung bekämpft, bedient sie andererseits ein Narrativ, das ganze Bevölkerungsgruppen pauschal als „rechtsextrem“ markiert.

Wer steht hinter der "Brandmauer"?

Die pauschale Ablehnung trifft nicht nur organisierte Rechtsextreme, sondern auch Wähler:innen, die aus Frust über die etablierten Parteien protestieren, oder Menschen, die sich in simplen Links-Rechts-Schemata nicht wiederfinden. Indem die Brandmauerdebatte Differenzierungen verhindert, werden Ängste, Sorgen und legitime Kritik dieser Menschen delegitimiert - ein klassischer Fall von "Othering", also Ausgrenzung durch Zuschreibung eines „fremden“ Status. Genau das, was die Woke-Ideologie eigentlich überwinden will.

Sprache schafft Wirklichkeit - auch in der Linken

Die Linke weiß um die Macht der Sprache: Wer „Flüchtlingswelle“ sagt, beschwört Bedrohung herauf, wer „Gefüchtete“ sagt, betont Humanität. Warum ignoriert sie dieses Prinzip, wenn es um die "Brandmauer" geht? Der Begriff schürt nicht nur Angst, sondern entmenschlicht diejenigen, die draußen stehen. Er suggeriert, dass Dialog unmöglich und jede Form der Auseinandersetzung sinnlos sei. Dabei wäre gerade hier eine differenzierte Haltung nötig: zwischen entschiedener Abgrenzung gegenüber Demokratiefeind:innen und dem Angebot des Gesprächs an Unentschiedene.

Gefahr der Selbstgerechtigkeit

Das Problem ist nicht die Abwehr des Rechtsextremismus, sondern die Arroganz, mit der Teile der Linken ihre Position als die einzig moralische Wahrheit verkaufen. Wer die Brandmauer zum Dogma erhebt, verkennt, dass politische Überzeugungen selten schwarz oder weiß sind. Diese Rhetorik treibt Menschen in die Defensive - und damit genau in die Arme derer, die von der Spaltung profitieren. Die sinkende Bereitschaft, linke Positionen zu unterstützen, hat auch damit zu tun, dass sich viele nicht mehr angesprochen, sondern bevormundet fühlen.

Plädoyer für eine ehrliche Auseinandersetzung

Es geht nicht darum, mit Extremist:innen Kompromisse einzugehen. Es geht darum, eine Sprache zu wählen, die der Komplexität politischer Realitäten gerecht wird. Statt Mauern zu errichten, sollte die Linke Brücken bauen - zu denen, die sie noch erreichen kann. Denn wer Andersdenkende pauschal verteufelt, bestätigt am Ende nur die Vorurteile derer, die sich ohnehin schon abgehängt fühlen.

Die Brandmauer mag als Symbol der Abgrenzung gut gemeint sein. Doch in einer Zeit, in der die Gesellschaft auseinanderdriftet, brauchen wir keine neuen Gräben, sondern den Mut zur unbequemen Debatte - und eine Sprache, die nicht spaltet, sondern klärt. Die Linke sollte ihre eigenen Maßstäbe ernst nehmen: Wer Inklusion predigt, darf sie nicht nur für die eigene Blase praktizieren.

Autor:

Lukas Richter aus Lünen

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1 Kommentar

Martin Lott aus Ratingen
am 02.02.2025 um 20:43

Meine Brandmauer ist links der CDU.