Stolpersteine erinnern bald an weitere NS-Opfer
Eheleute Stiefel und Anna Schutz – Fotos gesucht
Lünen. Die Recherchen für die Verlegung weiterer „Stolpersteine“ in Lünen gehen weiter. Aktuell befasst sich die ehemalige Lehrerin Gisela Sons in unterschiedlichsten Archiven mit der Familie Stiefel. Aktuell werden dazu noch Fotos gesucht. Bekannt ist bisher, dass das Ehepaar Josef Isidor Stiefel, geb. 02.05.1882 in Hammelburg und Henriette Stiefel, geb. Schutz, 23.03.1881 in Bad Sassendorf, in den 20iger und 30iger Jahren in Lünen lebte. Bereits 1909 hatte Josef Stiefel eine „Offene Handelsgesellschaft“ zusammen mit Bernhard Samson eintragen lassen. Am 1. Mai 1919 heiratete er in Bad Sassendorf Henriette Schutz.
Josef Stiefel betrieb im Alter von 40 Jahren dann seit 1921 als alleiniger Besitzer einen Gewerbebetrieb für Öle, Fette, Bergwerksbedarf und chemische Produkte an der Gasstraße 6 in Lünen. Die Familie wohnte in dem Haus Borker Straße 6, das Josef Stiefel gehörte. Hier wohnte später auch Anna Schutz, geb. am 09.10.1885, die Schwester von Henriette Stiefel. Die Familie war in Lünen aktiv in der Synagogengemeinde integriert.
In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde das Geschäft von den Nazis verwüstet. Noch in der gleichen Nacht interessierte sich ein örtlicher Funktionär der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei (NSDAP *), vor Ort sehr für die Geschäftsunterlagen.
Währenddessen wurde Stiefel gemeinsam mit anderen Lüner Juden vorsorglich in Schutzhaft genommen. Waldemar Elsoffer, Albert Bruch und Siegmund Kniebel wurden in dieser Nacht von den Nazis ermordet. Bernhard Samson wurde niedergeknüppelt, Herman Markus Aronstein überlebte das ertränken in der Lippe, Salomon Rose wurde von den Bergleuten der Victoriasiedlung vor dem Sturz von der Brücke in die Lippe gerettet und Metzger Paul mit seiner Frau Lina Levy gelang in der Nacht die Flucht vor den Gewalttätern aus einer Hintertür.
Der Terror der Nazis ging aber noch weiter. Denn schon vier Wochen später erwarb ein NSDAP-Ortsgruppenleiter als „Kaufmann“ den Betrieb von Josef Stiefel für ein „Appel und ein Ei“. Laut dem Besitzer der dortigen Töpferei Becker soll das Anwesen seiner Meinung nach rund 350.000 Reichsmark wert gewesen sein. Verkauft wurde es letztendlich nur für 17.000 Reichsmark. Noch im gleichen Monat wurde der Betrieb von Josef Stiefel abgemeldet. Elf Monate später, kurz nach Beginn des zweiten Weltkrieges, wird das Vermögen der Familie Stiefel inclusive des „Verkaufserlöses“ des Betriebes durch die Nazis eingezogen und auf ein Sicherungskonto einbezahlt. Eine drei Monate vorher beantragte Ausreise war ohne Geld jetzt nicht mehr möglich. Auch wurde Josef Stiefel vom 4.11. bis 23.12.1939 noch einmal in `Schutzhaft`genommen, diesmal in der Dortmunder Steinwache. Das Wohnhaus Borker Straße 6 wurde zum Ghettohaus - im Nazijargon zum „Judenhaus“ - in dem viele der noch verbleibenden Juden in Lünen lebten. Darunter die Familien Hermann und Else Aronstein, Elfriede Feldheim, Herman Hertz, Josef und Juliane Rosenbaum sowie der ehemalige Hausbesitzer Isidor Josef Stiefel mit Henriette Stiefel und ihrer Schwester Anna Schutz.
Im April 1942 wurden er und Henriette Stiefel wahrscheinlich in ein seit 1941 bestehendes Ghetto nach Zamosc in Polen verbracht, indem rund 7000 Juden lebten. Der Kreis-Sonderhilfsausschuss Lünen erteilte nach 1945 dem Schwager von Josef Stiefel die Information: „Nach Rückfrage bei verschiedenen Stellen ist jedoch anzunehmen, dass Ihre Verwandten im April 1942 nach Zamova bei Lublin/Polen verschleppt wurden und dort zu Tode gekommen sind.“ Ausserdem sind Transporte dorthin, auch mit Lüner Insassen, in der Datenbank über Deportationen in der israelischen Gedenkstätte und dem Dokumentationszentrum „Yad Vashem“ aufgeführt.
Vom 16. bis 18. Oktober 1942 wurde das Ghetto aufgelöst. Nur 50 Bewohner, darunter niemand aus Dortmund und Umgebung überlebten den dortigen Völkermord. Somit auch das Ehepaar Stiefel nicht. Die meisten Bewohner wurden in Vernichtungslager nach Sobibor, in das Konzentrationslager Majdanek und im Rahmen der „Aktion Reinhardt“ in das Vernichtungslager Belzec gebracht und dort ermordet.
Henriettes Stiefel Schwester Anna Schutz war zuckerkrank, linksseitig gelähmt und herzkrank. Sie lebte zuletzt noch einige Monate in dem Abrisshaus in der Altstadtstraße 1, welches auch als Ghettohaus genutzt wurde. Sie wurde mit einem Transport am 30. Juli 1942 von Dortmund aus ins Konzentrationslager Theresienstadt gebracht. Hier starb sie am 26. Oktober 1942. Die „rote Armee“ der Sowjetunion erreichte erst am 8. Mai 1945 die tschechische Stadt.
• Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei war eine in der Weimarer Republik gegründete politische Partei, deren Programm und Ideologie von radikalem Antisemitismus und Nationalismus sowie der Ablehnung von Demokratie und Marxismus bestimmt war. Quelle: Wikipedia
Autor:Udo Kath aus Lünen |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.