Kiste für Kiste ein tierisches Schicksal
Fernsehen kann Anna Kuhfuß schon seit Wochen nicht mehr: Die Kisten, die überall im Wohnzimmer stehen, nehmen ihr die Sicht. Ruhe für einen Abend auf der Couch hat sie aber sowieso nicht, denn die Bewohner der Kisten bedeuten viel, viel Arbeit.
Kiste für Kiste steht für ein tierisches Schicksal. Igel, die zu schwach sind für den Winter. Igel, die verletzt sind, mit Maden in ihren Wunden und anderen fiesen Parasiten. Darmsaugwürmer, Flöhe, Zecken, Lungenwürmer, Kokzidien. Igel die dem Tod oft näher sind als dem Leben. Anna Kuhfuß kümmert sich seit eineinhalb Jahren zusammen mit Steffi Vergin als Igelberatungsstelle um solche Fälle, doch dieses Jahr ist es, so berichtet sie, "die absolute Hölle". Finder melden sich fast rund um die Uhr, manchmal hat Anna Kuhfuß schon beim Aufwachen dutzende Anrufe in Abwesenheit und neue Nachrichten auf dem Telefon.
Stacheln fallen aus und in Schnecken sind Würmer
Der Zahl der Tiere, die in den Kisten wohnen und Hilfe brauchen, ist schon seit dem Sommer enorm hoch - und auch aktuell - kurz vor dem Winter - kümmern sich die Frauen zusammen mit weiteren Unterstützern noch um rund 80 Igel. Zu Hochzeiten im letzten Jahr war es nur rund ein Viertel dieser Zahl. "Das Wetter war in diesem Jahr im Sommer ein echtes Problem für die Igel, mal zu trocken, mal zu nass", erklärt Anna Kuhfuß. Wenn Wasser fehlte, trockneten die Igel aus und war das Wetter eher feucht, führte das zu Massen von Schnecken. Schnecken? Schnecken sind aber doch ein tolles Igel-Futter! "Nein, das ist ein Irrtum. Schnecken fressen sie nur, weil viele andere Insekten fehlen und daraus entsteht das nächste Problem", berichtet Anna Kuhfuß. Schnecken sind nämlich ein Zwischenwirt für Lungenwürmer, die bereiten sich im Igel-Körper aus, verursachen Husten, Atemnot, Bronchitis und führen auch zum Tod. Nässe schafft zudem den Nährboden für einen Pilz auf der Haut, der nach und nach die Stacheln ausfallen lässt - auch das sahen die Tierschützerinnen immer wieder in diesem Jahr. Die Igel sind dann ohne Schutz und Feinde haben leichtes Spiel.
Igel-Retterinnen brauchen Hilfe
Im Anschluss an die Sommer-Igel kam der Baby-Boom. Minis ohne Ende, auch nun noch Ende Oktober. Die Igel haben meist um zweihundert Gramm auf den dünnen Rippen, im besten Fall dreihundert Gramm. Die Tierschützer befreien die Tiere von Parasiten, fahren sie zum Tierarzt, verabreichen Medikamente, säubern die Wunden und lassen hustende Igel inhalieren mit Thymian-Tee. Das Ziel: Die Igel sollen schnell zurück in die Natur, denn sie sind und bleiben Wildtiere. Anna Kuhfuß weiß aber schon, dass viele der aktuellen Gäste über den Winter bleiben, denn sie nun ins Freie zu lassen, wäre ihr Todesurteil. Stunden dauert die Pflege, nicht selten bis in die Nacht. "Der Haushalt und das normale Leben bleiben dabei vollkommen auf der Strecke." Hilfe brauchen deshalb nicht nur die niedlichen Stacheltiere, sondern auch die Igel-Retterinnen. Die Stacheltiere zu retten, kostet viel Geld. Geld für Futter - im Moment verschwinden jeden Tag rund sieben Kilo in den kleinen Mäulchen. Geld für Medikamente, Antibiotika und Wunddesinfektion. Geld für die Tierarztbesuche. "Sachspenden brauchen wir ebenso, beispielsweise Transportboxen." Anna Kuhfuß hofft zudem auf Menschen, die handwerklich etwas auf dem Kasten haben: Die Unterstützer könnten Schlafhäuser für Igel bauen, die dann verkauft werden - ein weiterer Baustein zur Deckung der Kosten.
KONTAKT
Anna Kuhfuß
0152 31 80 80 99
Steffi Vergin
0151 20 13 22 28
Thema "Igel" im Lokalkompass:
> Tierärztin hat eine Bitte
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