Natur fängt vor der Haustür an
Das neugierige Blässhühnchen (1)
Es ist wieder so weit:
Die Blässhühner suchen die besten Stellen zum Nisten, im letzten Jahr habe ich sie begleitet, daher diese kleine Geschichte mit den Bildern vom letzten Jahr:
Es war einmal - so fangen alle Märchen an - ein kleines neugieriges Wasserhühnchen mit Namen Fulica atra - ein komischer Name? Die Blässhühner sind stolz auf ihren alten lateinischen Namen und so trägt jedes erstgeschlüpfte Mädchen den Namen Fulica - das ist Tradition. Fulica war an einem nasskalten Märzmorgen an einem stillgelegten Kanalarm im Ruhrgebiet geschlüpft und vom ersten Tag an wollte sie alles wissen.
Ihr Vater hatte im Februar den Nistplatz zwischen Ästen im Wasser ausgesucht und gegen die Mitbewerber verteidigt.
Danach hatte er das ganze Material herbeigeschafft, das ihre Mutter zu einem wunderschönen Nest verbaut hatte, denn Blässhühnchen teilen sich die Arbeit beim Nestbau. Wie häufig bei den Blässhühnern üblich, war es in einen gröberen Unterbau aus Zweigen und Ästen und einen feinen Oberbau gegliedert. Innen war es weich mit Gras und Blättern ausgelegt, damit die Eier nicht kaputt gehen konnten und die Küken es gemütlich hatten. Insgesamt fünf schwach glänzende beige bis hellgraue Eier, die fein rotbraun bis schwarz gepunktet waren, hatte Fulicas Mutter gelegt. Die Eltern teilten sich die Brutzeit wie es bei Blässhühnchen üblich ist, allerdings brüten die Weibchen länger und öfter, damit die Männchen Zeit haben, neben dem Brutnest noch ein oder zwei Ruhenester anzulegen.
So war es auch bei Fulica und ihren Geschwistern, zwei Brüder und zwei Schwestern waren nach Fulica aus den Eiern geschlüpft. Vielleicht war sie ja deswegen so neugierig, denn sie musste sich noch zwei Tage gedulden, bis ihre Geschwister ihre Eier verlassen hatten, denn das ist bei Blässhühnern nun mal so. Manchmal dauert es sogar noch länger.
"Warum habt ihr das Nest nicht da drüben gebaut, da hat man doch einen viel besseren Blick?",
war eine von Fulicas ersten Fragen. Nun, erwiderte die Mutter, da drüben kann man zwar besser gucken, aber der Untergrund ist wacklig und das Nest hätte bei einem heftigen Wind in den Kanal abrutschen können, es taugt nur zum Ruhenest.
Oder aber eines der Eier hätte aus dem Nest rollen können, das ist bei meiner Schwester im letzten Jahr passiert. Sie hat nicht auf die Ratschläge ihrer Eltern gehört und schon eine Familie gegründet, obwohl sie noch keine drei Kalenderjahre zählte und ihr wichtige Erfahrungen fehlten.
Gleich zwei Eier hat sie so verloren. Dein Vater war verantwortungsbewusster, hat an mehreren Stellen einen Versuch gestartet und den Untergrund getestet, bis er diesen sicheren Platz entdeckt hat. Fulica war zufrieden.
Es ist gut, wenn man so besonnene Eltern hat.
Am zweiten Tag, als alle Küken geschlüpft waren, wollte sie sofort aufs Wasser, doch die Eltern hielten sie zurück. Mutters Tante Gallinula wollte den Nachwuchs im Hause Atra begutachten. Als sie ihren Blick auf Fulica warf kam wie aus der Pistole geschossen die nächste Frage:
"Warum hat Tante Gallinula so einen roten Schnabel?"
Fulicas Mutter wäre vor Scham fast im Boden versunken, doch Tante Gallinula blieb ganz gelassen. Als Cousine deiner Mutter gehöre ich zur Gattung der Teichrallen, wir stammen zwar aus der gleichen Familie der Kranichvögel, aber doch aus einem anderen Zweig. Es wäre doch schade, wenn alle gleich aussehen würden, das wäre doch langweilig. Da konnte Fulica ihrer Großtante Gallinula nur zustimmen.
Wozu sind die Ruhenester?
fragte Fulica sofort ihren Vater, als sie sich endlich zum ersten Ausflug aufs Wasser begaben. Vater und Mutter teilten sich die Aufsicht über die Kükenschar, denn fünf auf einen Streich, da kann schon mal - wenn man nicht genau aufpasst - eins verloren gehen.
Fulica war dem Vater zugeteilt worden, ihre Mutter wollte keine Fragen mehr beantworten. "Wir sind doch Nestflüchter und können alle schwimmen, da brauchen wir doch kein Nest, wir sind doch keine Eier mehr". "Die Nester wirst du noch zu schätzen wissen", antwortete der Vater und wirklich, abends war Fulica - genau wie ihre Geschwister - sehr müde und sehr froh, dass sie sich es unter dem Bauch von Papa gemütlich machen konnte und dann auch noch gehudert wurde, so nennt man das bei den Blässhühnern, wenn die Kleinen in den ersten Lebenstagen liebevoll umsorgt werden. Gut, dass es so ein tolles Schlafnest gab.
Fulica schlief erschöpft und ein.
Fortsetzung folgt - wer mehr über die Familie der Kranichvögel und ihre Untergattung der Rallen wissen möchte, findet dies zum Beispiel beim "NABU" oder auf "wikipedia".
Zum zweiten Teil der Geschichte gelangen Sie hier:
Sie finden noch weitere Bilder im Anhang - auch aus diesem Jahr.
Autor:Martina Seeliger aus Lünen |
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