Ausgrabungen vor Bauarbeiten
Experten sind an der Burg auf der Suche
Knochen und ein Zahn liegen neben einer Grube im Gras. Schlachtabfälle aus alten Zeiten, vielleicht eine Mahlzeit der Ex-Bewohner der Burg Botzlar? Geschichte wird lebendig in Selm. Archäologen sind seit zwei Wochen auf der Suche nach Spuren der Vergangenheit.
Anfang nächsten Jahres sollen die Baumaschinen rollen, dann beginnt der Umbau der Burg Botzlar zum Bürgerzentrum. Treffpunkt war Burg Botzlar schon in früheren Zeiten, weniger aber für nette Gespräche. Quellen erwähnen die Burg zum ersten Mal im dreizehnten Jahrhundert aus Anlass der Übertragung an den Bischof von Münster. Liebe deinen Nächsten galt in diesen Zeiten nicht so sehr für den Kirchenmann, denn der brauchte die Burg als Grenzsicherung zum Gebiet der Grafen von der Mark. Im Streit mit den Adeligen ging es mächtig zur Sache, zwei Mal zerstörten die gräflichen Truppen die Burg Botzlar, doch das trutzige Steinhaus wurde wieder aufgebaut und ist heute ein Wahrzeichen der Stadt. Zerstörung droht bald allerdings aus anderer Richtung. Wenn Burg Botzlar zur Baustelle wird, sind die Relikte aus der Vergangenheit im Boden in Gefahr. In Abstimmung mit der Stadt Selm sind deshalb vor den Bauarbeitern die Archäologen im Bereich der späteren Baustelle am Zug.
Kaffeebecher-Deckel als Markierung
Zwei Wochen arbeitet eine Fachfirma aus Dortmund schon im Auftrag des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe an der Burg. Fundamente alter Mauern haben die Experten unter der Leitung des Archäologen Thies Evers bei ihrer Suche freigelegt, zum Teil aus Kalkstein, zum Teil aus Backstein. Zentimeter für Zentimeter arbeiteten sie sich in den Boden vor, was zum Vorschein kommt, dokumentieren sie für die Nachwelt. Im Untergrund trifft Vergangenheit auf Gegenwart. Leitungen für Gas und Internet durchschneiden die alten Mauern, ein paar Meter weiter ragt der Anschluss zur Kanalisation aus dem Boden. Deckel von Kaffebechern sind mit kleinen Nägeln in das Erdreich gesteckt, sie markieren über hundert Stellen die von Interesse sein könnten für die Forschung zur Geschichte der Burg. Funde von Bedeutung - viele Menschen denken da gleich an Schätze, doch für die Archäologen versteckt sich Interessantes oft auch im Abfall. "Müll verrät sehr viel über die Menschen und ihre Art zu leben", erklärt Dr. Andreas Wunschel vom Referat für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe.
Scherben sind Weser-Werra-Ware
Die Scherben, die im Boden hinter der Burg gefunden wurden, sind so ein Beispiel. Wie Stücke von alten Blumentöpfen sehen sie aus, doch Archäologe Thies Evers kennt ihre Herkunft: Reste von Weser-Werra-Ware sind es, benannt nach den beiden Flüssen in ihrer Herkunfts-Region und typische "rote Irdenware" für das siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert. Erde klebt an den Funden, darunter schimmert eine zarte gelbe Malerei. Zentimeter neben den Mauern der Burg steckt noch so ein Stück in der Erde, rund mit einem Loch in der Mitte. "Der Ausguss einer Kanne könnte das sein", vermutet Thies Evers. Die Archäologen haben gleich nebenan eine alte Baugrube ausgehoben, sie gibt den Blick frei auf mächtige, ja wehrhaft wirkende Steine in der Burgmauer. Die Reste des mittelalterlichen Bergfrieds? Wie Dr. Andreas Wunschel berichtet, sind die angeblich in der heutigen Burg verbaut - was bisher fehlt, ist der definitive Beweis. Überraschungen sind bei so einer Ausgrabung aber immer möglich, das ist so eine Art Grundregel der Archäologie. Die Experten machen noch einige Tage weiter und mit ihrer Sorgfalt und etwas Glück gibt es am Ende mehr Antworten als Fragen zur alten Burg Botzlar.
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