Klassentreffen der 10 b an der Realschule Oberaden

Große Emotionen nach 50 Jahren

Wolfgang Grau, ehemals aus Oberaden, und der aus Methler stammende Manfred Chytralla hatten nach 50 Jahren ein Klassentreffen der Abschlussklasse 10 b der Realschule Oberaden von 1971 organisiert und ins Vereinsheim des RV Wanderlust nach Methler eingeladen.

Im Vorfeld hatte Chytralla als ehemaliger Klassensprecher mit dem letzten noch lebenden Lehrer, dem damaligen Klassenlehrer Walter Mai (88) aus Kamen, Kontakt aufgenommen. Es wurde ausgelotet, ob der nun auf einen Rollstuhl angewiesene schwerbehinderte Mai in der Lage sei, an dieser denkwürdigen Zusammenkunft teilzunehmen

Und dann gab es kein Zurückhalten der Tränen mehr, als Walter Mai bei dem 50-jährigen Jubiläum mit dem von der Klasse finanzierten Rollstuhltaxi eintraf. Diese Szene war so bewegend, dass sich einige Schüler gegenseitig haltend umarmten. Auch Walter Mai war von diesem Empfang trotz seiner stillen und ruhigen Art sichtlich gerührt. Langer Beifall begleitete ihn ins Vereinsheim, das Dank der Stadt Kamen nun einen behindertengerechten Eingang aufweist.

21 der 29 Schülerinnen und Schüler kamen zu dem Treffen. Zwei sind bereits verstorben, zwei konnten wegen Corona und eine weitere wegen einer akuten Erkrankung nicht kommen. Zwei weitere waren nicht auffindbar. Eine ehemalige Schülerin fehlte unentschuldigt und erhielt gleich einen Eintrag ins Klassenbuch.

Bei Kaffee und Kuchen trug jeder Schüler seinen Lebensbericht vor. Dabei war von unspektakulär geradlinig bis hin zu abenteuerhaften und schwer gebrochenen Verläufen alles vorhanden. Doch eines einte sie alle. Nach fünfzig Jahren haben sie wieder zueinander gefunden.

Es war, wie ein Schüler betonte, als ob er nach einer langen Reise zu seinen Wurzeln heimgekehrt wäre. Weitere Schüler dankten Herrn Mai, dass er nicht nur ihr Klassenlehrer, sondern auch ihr Lehrer fürs Leben war. Insbesondere die so unvergleichlich haltgebende und verständnisvolle Begleitung durch die wilden Jugendjahre wurden von den Schülern hervorgehoben. Walter Mai sei ein Lehrer gewesen, der die aus den Nest gefallenen Küken immer wieder aufgehoben und aufgezogen hat.

Auch einige Geheimnisse sind nach fünfzig Jahren ans Licht gekommen. Eine Schülerin gestand, dass sie unheimlich verliebt in ihren Klassenlehrer war. Darauf antwortete Mai mit den Worten: „Und das erfahre ich erst jetzt?!“. Der Reigen der Gefühle spannte sich von herzhaft lachend bis hin zu traurig gerührt.

Die Fotoschau mit Bildern aus der Schulzeit auf der Großleinwand und die im Hintergrund laufende Playlist mit Musik aus den 60ern war ein weiterer Höhepunkt des Tages, zu dem ein Schüler seufzte, die Erinnerungen an die Schulzeit seien ein Paradies, aus dem man glücklicherweise nicht vertrieben werden kann. Wolfgang Braun trug Herbstgedichte u.a. von Rainer Maria Rilke (RMR) vor und zwinkerte dabei mit den Augen als er betonte, dass nicht nur die Jahreszeit damit gemeint sei, sondern auch die Lebenszeit der Anwesenden.

Besonders die letzte Strophe des bekannten „Herbsttag“ von RMR fasste die ehemaligen Schüler von Walter Mai persönlich an:

„Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben“.

Text und Bilder: Manfred Chytralla
Vorsitzender des Radsportverein Wanderlust Methler