Fachtagung
Blaue Flecken, die man nicht sieht

Hanna Westermann und Frank Zimmer informierten bei der Fachtagung über Ursachen und Symptome emotionaler Vernachlässigung bei Kindern. | Foto: Schwalbert
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  • Hanna Westermann und Frank Zimmer informierten bei der Fachtagung über Ursachen und Symptome emotionaler Vernachlässigung bei Kindern.
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Woran kann man emotional vernachlässigte Kinder erkennen? Und wie kann man ihnen helfen? Mit diesem Thema befasste sich jetzt eine Fachtagung für erzieherische Berufe in Bergkamen.

Pippi Langstrumpf ist eines, Tom Sawyer auch. Und David Copperfield, Oliver Twist, Harry Potter oder Heidi und einige andere. Die Rede ist von Kindern, die in der Regel für sich selbst sorgen müssen, weil es Erwachsene nicht oder nicht genügend tun. Die Literatur findet solche Kinderfiguren offenbar interessant, die Forschung weniger. „Es gibt nur wenige neue Studien zum Thema“, findet Frank Zimmer, der gemeinsam mit seiner Kollegin Hannah Westermann einen Impulsvortrag zum Thema hielt.

„Emotionale Vernachlässigung ruft oft lebenslange Schäden hervor“, sagt Zimmer. „Man kann diesen Kindern gut helfen. Aber man sieht die blauen Flecken, die sie auf der Seele tragen, nicht sofort.“ Man muss sehr genau hinsehen. Dazu sollen die Fachkräfte, die beispielsweise in Kitas und Kindergärten oder Schulen arbeiten, mit dem Seminar befähigt werden.

Das freie Leben einer Pippi Langstrumpf, die selbst entscheidet, ob sie zur Schule geht, was sie isst oder wann sie ins Bett geht, ist in der Realität nicht sehr lustig und wenig spannend. Aber wie zeigt sich ein Aufwachsen ohne Fürsorge? Und was bringt Eltern dazu, sich nicht ausreichend um ihre Kinder zu kümmern?

„Vernachlässigung passiert passiv oder aktiv, aus Nicht-Wissen oder Überforderung oder auch Unfähigkeit“, erklärt Zimmer. „Abwertende Sprache kann so ein Mechanismus sein. Oft entstehen kindlichen Schäden eher durch Unterlassung als durch direkte Gewalt.“ Die UN-Konvention für Kinderrechte regelt die kindlichen Bedürfnisse. Dazu gehören das körperliche Schutzbedürfnis, Verständnis der Eltern, soziale Bindungen des Kindes, Wertschätzung, Anerkennung, Anregungen und die Förderung der kindlichen Neugier. Der amerikanische Psychologe Abraham Maslow forschte bereits in den 40er Jahren über die menschlichen Bedürfnisse, seine Forschungsergebnisse schlugen sich in der Bedürfnispyramide nieder.

Für die emotionale Vernachlässigung werden Mütter eher als Väter verantwortlich gemacht. Als Risikofaktoren gelten unter anderem Krankheiten, Sucht, psychische Erkrankungen, fehlende Persönlichkeits- und Berufsausbildung, aber auch de Karriere der Eltern, die im Vordergrund steht. Auch ungewollte oder komplizierte Schwangerschaften, frühe Elternschaft, unterschiedliche Lebenskonzepte der Eltern oder ihre Erwartungen an das Kind können emotionale Vernachlässigung fördern. Konkret zeigt sich das zum Beispiel in der unzureichenden Versorgung mit Nahrung, angemessener Kleidung oder mangelhafte Hygiene. Auch fehlende Kommunikation, erzieherische Einflussnahme und fehlende Anregung zu Spiel und Leistung sind Symptome.

„ Kindesvernachlässigung unterscheidet sich von den Formen der Gewalt gegen Mädchen und Jungen dadurch, dass es sich hierbei nicht um zeitlich und räumlich festzumachende Tathandlungen handelt, sondern um ein prozesshaftes Geschehen, genauer: ein Unterlassen, das wesentlich schwerer zu fassen ist.“

Der frühkindliche Mangel an Zuwendung und sozialer Bindung kann im späteren Leben der Kinder Bindungsstörungen oder Depressionen auslösen, auch die Selbstwahrnehmung kann gestört sein. Körperlich kann sich das an Hauterkrankungen, Ängsten, Hospitalismus, Sprachproblemen, Konzentrations- und Wahrnehmungsproblemen äußern.

Den Erzieherinnen und Erziehern wurden im Rahmen der Fachtagung einige Instrumente an die Hand gegeben, um die emotionale Vernachlässigung einordnen und bewerten zu können, zum Beispiel Fragebogen. Denn die gute Nachricht ist: Durch gute und dauerhafte Versorgung kann die Vernachlässigung zumindest teilweise ausgeglichen werden. Positive Beziehungen zu anderen Familienmitgliedern können das Kind stärken. Außerdem hilfreich sind alltagsbegleitende Angebote für die Familien sowie psychologische und therapeutische Begleitung.

Autor:

Lokalkompass Kamen/Bergkamen/Bönen aus Kamen

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