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"Wasserseelchen" schwimmt munter in der Seseke

Das Wasserseelchen (lat. Hydropsyche) in seiner Wohnröhre zu sehen. Foto: EGLV
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Er ist als Allesfressender sprichwörtlich die „gute Seele“ des Gewässers. Denn wenn die Biologen des Lippeverbandes das „Wasserseelchen“ entdecken, ist das ein gutes Zeichen. Das kleine Insekt ist eine Köcherfliegenart, die nur dort lebt, wo die Wasserqualität stimmt: so zum Beispiel in Kamen in der Seseke, wo sich das sensible Geschöpf pudelwohlfühlen kann.
Im Hauptlauf der Lippe und in einigen Nebengewässern war die Vielfalt der Organismen bis in die 1970er-Jahre durch intensive industrielle Nutzung des Flusses stark eingeschränkt. Die Köcherfliege konnte erstmals wieder 1979 in der Lippe nachgewiesen werden, nachdem Kläranlagen technisch verbessert und erste Bereiche renaturiert wurden. Aus Sicht der Biologen ein riesiger Erfolg.

Baukünstler und Abfangjäger

Das Wasserseelchen ist ein wahrer Baukünstler. Ihre Larven leben unter Wasser, gern auf kiesigem oder steinigem Untergrund. Hier bauen sie winzige im Durchmesser zirka ein Zentimeter große Wohnröhren, ausgestattet mit einem Fangnetz. Was darin landet, wird gefressen, denn die Wasserseelchen sind echte „Allesfresser“ und nicht wählerisch. Algen, Pflanzenreste oder Kleinstlebewesen – nichts wird verschmäht.
Dabei spinnt die Larven das Netz äußerst raffiniert und platziert ihre Wohnröhre so, dass die Strömung möglichst viel Beute ins Fangnetz spült. Ein praktischer Lieferdienst, denn so müssen die Opfer nur noch mit den Vorderbeinen ergriffen und verspeist werden.

Netzstruktur verrät Details

Für die Biologinnen und Biologen des Lippeverbandes ist besonders der Netzaufbau einen genauen Blick wert. Eine unregelmäßige Struktur kann ein Hinweis auf schädliche Substanzen im Wasser sein. Sein Netz spinnt das Wasserseelchen übrigens mit selbstproduzierten, feinen Seidenfäden, die im Wasser erstarren.

Seseke-Programm

Die Seseke diente ab Bönen jahrzehntelang als offener Schmutzwasserlauf, der das Abwasser der Region abführte. Zwischen dem Ende der 1980er-Jahre und 2014 hat der Lippeverband durch den Bau von vier modernen Kläranlagen und rund 73 Kilometern geschlossene Abwasserkanäle eine neue abwassertechnische Infrastruktur im Einzugsgebiet der Seseke geschaffen. Seitdem fließt nur noch gereinigtes Wasser in der Seseke und ihren Nebenläufen. Das Schmutzwasser wird in parallel zum Gewässer verlaufenden unterirdischen Kanälen zu den Kläranlagen in Bönen, Kamen, Dortmund-Scharnhorst und Lünen geführt und dort gereinigt in die Seseke sowie ihre Zuflüsse Rexebach und Körnebach eingeleitet. Nach der Befreiung von Abwasser konnten auch die Seseke und ihre Nebenläufe ökologisch verbessert werden: Die Seseke selbst wurde hierzu von einem gradlinigen, in Betonplatten gefassten Gewässer in einen naturnahen, geschwungenen Flusslauf umgestaltet

Köcherfliegen-Mütter handeln strategisch

Wird die Larve erwachsen, zieht sie um. Zur Verpuppung baut sie sich einen stabilen Steinköcher, dem sie erst bei gutem Wetter wieder entschlüpft. Die weiblichen Wasserseelchen gehen dann am Ufer auf Bräutigam-Suche. Nach erfolgreicher Paarung treten sie eine kleine Reise an: Sie fliegen zur Eiablage extra bachaufwärts, da die später im Wasser lebenden Larven durch die Strömung oder bei Hochwasser bachabwärts driften. Dieser sogenannte Kompensationsflug zur Eiablage stellt somit sicher, dass der Nachwuchs im heimischen Gewässerabschnitt aufwächst.
Dann ist Zeit für die nächste Generation, die man als erwachsene Tiere an ihren dunklen Flügeln erkennen kann, die je nach Art eine weiße Zeichnung tragen. Auffällig sind außerdem ihre langen Fühler, die länger sind als der gesamte Körper. 

Hintergrund

Das „Wassergeistchen“ oder „Wasserseelchen“ gehört zur Ordnung der Köcherfliegen (griechisch. Trichoptera), die mit mehr als 1000 Arten in Europa neben den Mücken die artenreichste Ordnung innerhalb der Wasserinsekten darstellt. In Mitteleuropa leben um die 20 Wasserseelchen-Arten (Hydropsyche), im Lippe-Verbandsgebiet sind es acht. Zwei Arten stehen auf der Roten Liste und in sind in ihrem Bestand im Tiefland von NRW gefährdet: Hydropsyche saxonica und Hydropsyche bulgaromanorum.

Autor:

Anja Jungvogel aus Unna

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