Heuler-Konzert mit breitem musikalischen Spektrum
Fetziges, Kritisches und Nachdenkliches traf den Nerv der Zuhörer
Es war eine musikalische Wundertüte, die der Chor 'Die letzten Heuler' beim Jahreskonzert in der Konzertaula ausschüttete: Vom Wienerlied, über Chanson, Volkslied, Hymne bis zum Folksong, Blues, Rythm 'n' Blues und Pop war alles dabei. 'Folk Tales - 'bout this 'n' that' war der Abend überschrieben und er hielt, was er versprach.
Der erste Teil begann ruhig, indem er anhand von Liedern (Michael Kamp) und Erzählungen (Barbara Blümel) von einem konkreten Ort und einer konkreten Person ausging. Erzählt und gesungen wurde das Leben des Wiener Liedersängers Hermann Leopoldi, der als großer Star plötzlich, weil er Jude war, ins KZ verschleppt wurde. Er schrieb das berühmte Buchenwald-Lied, kam überraschend frei, machte eine neue Karriere in den USA, kehrte 1947 nach Wien zurück mit dem Hit 'Schnucki, ach Schnucki, wir fahren nach Kentucky' im Gepäck. Fast alle Freunde hatte er durch die Nazis verloren und dann solch ein witziger Nonsens-Song. Was sind die Beweggründer für ein solches Verhalten? Dieser Frage ging der 1. Teil des Abends - zwischen Text und Musik wechselnd - in hintergründiger, emotional bewegender Form nach.
Fetzige Rhythmen sorgten im zweiten Teil für stehenden Applaus
Im 2. Teil ging es musikalisch Schlag auf Schlag: Das portugiesische Revolutionslied 'Grandola, vila morena' und das italienische 'Bella ciao' stießen die Tür auf ins Internationale. Der Chor und die großartig besetzte Band mit Freya Deiting (Violine), Maik Hester (Akkordeon), Eric Richards (Bass), Sandra Horn (Trompete), Ralf Kiwit (Saxophon) und Thorsten Lange-Rettich (Posaune) erlebten hier manche Sternstunde. Volltönendes, warmes Akkordeon, zarte Geigentöne, satte Bässe und fetzige Bläser sowie der präzise und druckvolle Chorgesang begeisterten das Publikum. Als die Zuhörerschaft am Ende mit 'Kein schöner Land' und dem Guthrie-Song 'This land is your land' von Chorleiter und Komponist Reinhard Fehling zum (Mit-)Singen animiert wurde, entstand für Augenblicke eine große Gemeinschaft. Stehender Applaus für lange Minuten. Man hatte den Eindruck, einem Ereignis beigewohnt zu haben. Man wird suchen müssen, um Vergleichbares in der Musiklandschaft zu finden. Chapeau!
Autor:Jörg Prochnow aus Kamen |
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