Besinnliches von Sven Christer Scholven: "Geistreiche Pfingsttage"

Sven Christer Scholven, Kaplan in St. Peter und Paul, Hattingen
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  • hochgeladen von Roland Römer

Ich traute meinen Augen nicht, als ich die T-Shirts im Schaufenster sah: „HALT DIE FRESSE“, schrie mir ein Aufdruck entgegen. Ein anderer, direkt daneben, fragte: „WARUM KOMPLIZIERT REDEN, WENN MIT DEM MITTELFINGER ALLES GESAGT IST?“ Für den Fall, dass ich diese Frage nicht verstand, war eine Hand mit ausgestrecktem Mittelfinger zusätzlich aufs T-Shirt gedruckt.

Die Haltung, die in solchen Sprüchen zum Ausdruck kommt, scheint aktuell recht verbreitet zu sein. Populisten aller Couleur schaffen es, Massen für sich zu begeistern, indem sie einfache Antworten auf schwierige Fragen geben.
Jeder Grenzzaun, der aktuell in Europa hochgezogen wird, ist im Grunde ein ausgestreckter Mittelfinger in das Gesicht der EU. Dabei braucht gerade diese Staatengemeinschaft das andauernde, wenn auch bisweilen komplizierte Gespräch aller ihrer Mitglieder, um tragfähige Lösungen für die drängenden Probleme zu finden, denen die Gesellschaften dieses Kontinents gegenüberstehen.
Mit dem Wunsch, die Fresse zu halten, sehen sich zum Beispiel Journalisten täglich konfrontiert. Mancher lässt sie sogar in Haft nehmen, um dieser Aufforderung zusätzliches Gewicht zu verleihen.
Die Klage, die aktuell gegen Jan Böhmermann anhängig ist, geht in die gleiche Richtung. Die unmissverständliche Botschaft lautet, auch er solle besser sein satirisches Mundwerk halten. Präsident Erdogan hätte ihm ebenso gut das eingangs erwähnte T-Shirt schenken können.
Am Sonntag ist Pfingsten. Dieses Fest stellt besonders den Heiligen Geist Gottes in den Mittelpunkt. Eindrücklich erzählt die Bibel davon, wie der Heilige Geist Menschen befähigt, Grenzen zu überwinden. Das gelingt ihnen, weil sie lernen, sich zu verständigen. Menschen begegnen einander, weil sie miteinander sprechen. Ihre Begegnung lässt Gemeinschaft entstehen.
Diese Dynamik bleibt gültig: Gemeinschaft bildet sich überall dort, wo Menschen sich austauschen und begegnen können. Nur so lassen sich Vorurteile abbauen. Je vielfältiger eine Gesellschaft wird, desto wichtiger wird das Gespräch.
Zu Pfingsten gehört deshalb auch, denen mutig zu widersprechen, die das offene Wort und die Auseinandersetzung verhindern wollen.

Geistreiche Pfingsttage wünscht Ihnen
Sven Christer Scholven, Kaplan in St. Peter und Paul, Hattingen

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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