VEREINSVORSTÄNDE KLAGEN ÜBER NACHWUCHSMANGEL
FESTGEFAHRENE STRUKTUREN MÜSSEN AUF DEM PRÜFSTAND

Vereine sind eine tragende Säule des Gemeinwesens. Sie spielen eine wichtige Rolle für die Bindung und Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements.

Jedoch stehen in der heutigen schnelllebigen Zeit des 21. Jahrhunderts fast alle Vereine vor dem Problem, beispielsweise ihre Vorstandspositionen mit ehrenamtlichen Mitarbeiter/-innen (neu) zu besetzen. Obwohl in Deutschland fast Jede/r zweite Mitglied in einer Organisation oder einem Verein ist, mögen die wenigsten sich in einer Schlüsselposition ihres Vereins betätigen.

Zum einen mag es an die schier unerschöpflichen Alternativen zum freiwilligen Engagement liegen, zum anderen an die oft starren Strukturen und Regeln eines gewachsenen Vereins.

Fernsehen, Handy, Internet, Computerspiele und kommerzielle Angebote wie Diskotheken, Gaming-Partys oder Fitnessclubs stehen bei vielen jüngeren eher im Vordergrund ihrer Interessen, als sich beispielsweise ehrenamtlich zu engagieren. Das soll nicht bedeuten, dass es keine jungen Ehrenamtler/-innen in Deutschland gibt.

Eine Studie des IfD Allensbach aus dem Jahre 2016 ergab, dass sich rund 14,9 Millionen Menschen ab 14 Jahre mindestens einmal im Monat ehrenamtlich bzw. unentgeltlich in einer Bürgerinitiative, einem Sportverein, einer sozialen Organisation oder Ähnlichem engagieren. Die Zahlen schwanken jedoch mit einer Tendenz nach unten.

Fragt man die jungen Menschen, warum sie sich ehrenamtlich engagieren, sind die Antworten vielfältig. Fragt man sie jedoch, was sie von einem ehrenamtlichen Engagement in einem Verein abhalten würde, wird deutlich, dass sie zwar mitbestimmen und Verantwortung übernehmen würden – es aber zum Beispiel zu viele veraltete Regeln gäbe. Und genau hier müssen die Vereinsvorstände einhaken.

Um junge Menschen für ein Ehrenamt zu begeistern und sie zu binden, müssen die Vorstände sich stets fragen, ob ihre bestehenden Regeln und Strukturen noch zeitgemäß sind und an welcher Stelle sie für alle verträglich nachgebessert oder angeglichen werden können, ohne beispielsweise gesetzliche Vorgaben und Regeln zu verletzen.

Denn jeder Verband oder Verein ist gewissen gesetzlichen Vorgaben unterworfen. So kann beispielsweise ein Sozialverband wie der VdK - der Senioren und behinderte Menschen berät - nicht einfach die Regeln ändern, um mehr Mitglieder oder Ehrenamtliche zu gewinnen.

Das soll nun nicht bedeuten, dass alles so bleiben muss und wir zukünftig auf die jungen Menschen verzichten müssen. Im Gegenteil: Gerade sie werden gebraucht, um zu verhindern, dass unsere Vereine überaltern oder gar schlichtweg dichtmachen müssen.

Es ist daher für alle (langjährigen) Vorständen von Vereinen und Organisationen unerlässlich, den jungen Menschen die Hand zu reichen, sie bei der Stange zu halten und sie für ein dauerhaftes Engagement im Verein zu begeistern?

Die Vorzüge für die jungen Menschen liegen auf der Hand: Sie lernen von erfahren Menschen und profitieren beruflich und privat von ihrem erworbenen Wissen. Sie haben die Chance etwas Sinnvolles für sich und die Gesellschaft zu leisten. Sie dürfen – ja, sie sollen mitreden und mitbestimmen, damit sich ein Verein weiterentwickeln kann; durch sie und nur mit ihnen können Vorgaben, starre Konzepte, Strukturen und Prozesse - die sich all zu oft in den Köpfen vieler langjähriger Vereinsvorstände verankert haben - überdacht und ggf. geändert werden.

Mit Alibi-Begründungen wie, „Das haben wir schon immer so gemacht“ oder „Das geht nicht“, kann sich heute kein Verein und keine Organisation mehr dauerhaft positionieren; was gestern gut und richtig war, muss heute nicht unbedingt auch gut und richtig sein. Darum muss der Erhalt eines Vereins oder einer Organisationen stets im Vordergrund aller Bemühungen der Vereinsvorstände stehen. Strukturen, Regeln und Prozesse müssen auch außerhalb der Vorstandssitzungen hinterfragt, überdacht und ggf. angepasst bzw. korrigiert werden.

Damit das gelingt, müssen die älteren konsequent jede Gelegenheit ausschöpfen, um ihre Erfahrung und ihr Wissen rechtzeitig an die jüngeren (Nachfolger) weiterzugeben. Sie müssen ihre Signale erkennen und ihnen eine hilfreiche Hand sein.

Viel zu häufig lässt sich beobachten, dass sich Ehrenamtliche in Schlüsselpositionen als das Alpha und das Omega des Vereins verstehen und sich zu regelrechten Eigenbrötlern entwickelten. Sie lassen niemanden in ihre „Karten“ schauen und unterliegen dem Trugschluss, dass der Verein ohne sie dazu verdammt sei, unterzugehen. Da ist etwas Wahres dran. Denn wenn sie es unterlassen haben, jemanden rechtzeitig für eine Mitarbeit und und eventuelle Nachfolge zu begeistern, weil sie sich nicht in die „Karten“ schauen ließen, kann ein Verein spätestens dann den Bach herunter gehen, wenn die Schlüsselposition aus Krankheits- oder Altersgründen vom bisherigen Amtsinhaber nicht mehr besetzt werden kann.

Die Vorstände müssen bereit sein, diese große Herausforderung anzunehmen, und lieb gewonnene Konzepte, Strukturen und Prozesse zu überdenken. Kein/e Vorsitzende/r handelt gut, wenn er/sie es unterlässt, sich rechtzeitig um die Nachfolge zu kümmern, oder glaubt, unersetzbar zu sein.

Die Vereine können zwar den Wandel in unserer Gesellschaft nicht verändern, aber sie haben es in der Hand, ihre Rahmenbedingungen und Strukturen so anzupassen, dass sich wieder mehr Menschen für ein Vorstandsamt interessieren. Eine aktive und gezielte interne wie externe Suche nach Vorstandskandidat/-innen und die Förderung der jüngeren Mitglieder sind unerlässlich für die erfolgreiche Gewinnung von Menschen, die Verantwortung übernehmen und sich zum Beispiel in einem Vorstand engagieren wollen, weil sie sich für die Sache des Vereins begeistern.

Einen hohen Stellenwert nimmt hier auch die Belobigungskultur ein. Ein Vereinsvorstand der es unterläßt, seine Mitglieder für ihren Einsatz beizeiten zu belobigen, muss sich nicht wundern, wenn die Bereitschaft - sich zu engagieren - nachläßt.

Die „Nachkriegsgeneration“ in den Vorständen tritt ab. Eine neue Generation ist nachgewachsen. Diese müssen interessiert und bei den Wahlen der Vorstände mit einbezogen werden. Das gilt auch für Menschen mit Migrationshintergrund, die sich einem ehrenamtlichen Engagement noch verschließen.

Eines ist sicher: Das Ehrenamt hat sich - wie die Staatstheoretiker des ausgehenden 19. Jahrhunderts, John Locke, Charles Montesquieu oder Alexis de Tocqueville bereits als notwendig sahen - zur dritten Kraft in unserer demokratischen Gesellschaft entwickelt. Heute ist das Ehrenamt nicht nur die „dritte Kraft“ im Staate, sondern auch der Schmierstoff zwischen Staat und Bürgern. Es schließt so manche Lücken im sozialen Gefüge und oft werden Lücken dort gestopft, wo der Staat sich zurückgezogen hat.

Autor:

Peter Ries aus Düsseldorf

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