Waren Sie auch mal ein "Fräulein?"

Vor einigen Wochen starb aus meinem Bekanntenkreis Fräulein Gertrud W. im hohen Alter von 95 Jahren.
Ich kannte sie seit meiner Kindheit, und hatte bis kurz vor ihrem Tod guten Kontakt zu ihr.
Sie war noch eine der wenigen Frauen, die mit "Fräulein" angeredet wurde, und für mich war diese Anrede selbstverständlich.
Sie war eine liebenswürdige alte Dame, die vor 50 Jahren genau so aussah wie heute, mit Haardutt und dicken Haarnadel, altmodischer Brille, aber freundlich, höflich und immer lächelnd.

"Fräuleins"gehörten in die gute alte Zeit.
Diese Anrede wurde bis in den 80er Jahren als förmliche Anrede für unverheiratete Frauen, gleich welchen Alters gebraucht.
Es gibt ihn heute nicht mehr im deutschen Sprachgebrauch.

Als ich noch ein junges Mädchen war, kannte ich noch einige alte Damen, die darauf bestanden, mit "Fräulein" angeredet zu werden.
"Fräulein bitte," pflegten sie streng zu sagen, wenn jemand es gewagt hatte, sie mit "Frau" anzusprechen. Offenbar waren diese "Fräuleins" sehr stolz darauf, alt zu werden, ohne einen Ehemann an ihrer Seite dulden zu müssen.

Früher waren Lehrerinnen immer "Fräuleins", manche alt und verbittert, andere jung und liebenswürdig, aber immer unverheiratet.

Wenn ein "Fräulein"Lehrerin" heiratete, mußte sie gleichzeitig aus dem Schuldienst ausscheiden. Die Frau hatte schließlich für die Familie dazusein. Anfang der 50er Jahre wurde diese "Zölibatsregel" aber gestrichen.

Früher gab es der "Fräulein vom Amt", im Cafe bstellte man ein Kännchen Kaffee beim "Fräulein", und auch auf Briefen war die Anrede "Fräulein"zu finden.

Ein katholisches junges Mädchen war in der "Jungfrauenkongegration." (Aber das ist ein anderes Thema, aber so ähnlich....)

Unvergessen ist auch das "Fräuleinwunder". Ich glaube, die Amerikaner nannten die deutschen Mädchen so, und irgendwie hatten die auch ja etwas charmantes an sich.

Ich konnte selbst noch erleben, dass ich als junges Mädchen mit "Fräulein" angesprochen wurde.

Durch die Frauenbewegungen der 70 er Jahre fühlten sich viele Frauen durch diese veraltete Anrede diskriminiert.
Man sagt ja auch nicht für ledige Männer "Männlein", oder "Herrlein."
Ich bin sicher keine Freundin dieser Superemanzen. Aber in diesem Punkt muss ich denen völlig recht geben.

Manchmal bekomme ich heute noch zu hören, wenn eine Mutter zu ihrer kleinen Tochter sagt:" Aber kleines Fräulein, muss das jetzt sein?"
Dann weiss dieses Mädchen aber genau, woher der Wind weht.

Autor:

Christa Palmen aus Düsseldorf

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