Unter Null

Strahlend blauer Himmel - und das Thermometer zeigt deutlich unter Null. Während sich meine Frau in Imelda-Marcos-Manier auf die Suche nach dem soundsovielten Paar Schuhe begibt, nutze ich meinen Freigang zu einem Bummel durch Düsseldorfs Innenstadt. Ich liebe es, ziellos und ohne Zeitdruck durch die Straßen zu schlendern, nehme somit Dinge und Geschehnisse bewusster wahr als es bei dem sonst üblichen flüchtigen Vorbeihuschen möglich gewesen wäre. Klein-Paris kann es an diesem Tage nicht mit der modischen Eleganz der großen französischen Schwester aufnehmen. In ihrer mehrlagigen Funktionskleidung sehen die Menschen seltsam aufgeplustert und nahezu gleich aus. Die Kälte hat über Eitelkeit und Selbstachtung gesiegt und da bei Vielen ohnehin nur die Nasenspitze hervorlugt, dürfte der Imageverlust nicht besonders nachhaltig sein.

Knallbunt und fröhlich geht es hingegen vor dem „Uerigen“ in der Altstadt zu. Hier hat sich eine Hundertschaft Karnevalisten/Innen samt einer Verstärkeranlage postiert und man schunkelt und singt sich die Seele aus dem Leib. Während die Herren ihre teilweise beträchtliche Körperfülle in frostsichere Karnevalsuniformen verpackt haben, muss sich die Tanzmariechen-Gruppe in „kurzen Röckchen“ präsentieren. Irgendwie bin ich froh, dass die blickdichten Strumpfhosen die blaugefrorenen Oberschenkel der „Mädels“ lediglich erahnen lassen

Auch auf der Königsallee hat modischer Chic eine Auszeit genommen. Selbst hier bestimmt unspektakuläre Thermokleidung das Straßenbild und ich entdecke weit und breit nichts verführerisch Enganliegendes, dessen Anblick mich zumindest partiell hätte erwärmen können. Mir fällt auf, dass viele Frauen deutlich jünger sind als ihre männlichen Begleiter. Natürlich müssen diese jungen Dinger ständig bei Laune gehalten werden, so dass der gemeinsame Besuch bei einem der Edel-Juweliere dringend angeraten ist. Ja, mit einem neuen „Brilli“ kann man sich das Exklusiv-Nutzungsrecht auf Monate hinaus sichern

Das Handy klingelt. Meine Frau beordert mich in ein naheliegendes Kaufhaus, um ihr dort beim Abtransport ihrer Tagesausbeute behilflich zu sein. Vorbei an einem frierenden Obdachlosen eile ich zum vereinbarten Treffpunkt und empfinde dort das Turbo-Warmluftgebläse im Eingangsbereich als Verhöhnung derer, die in Eiseskälte ums nackte Überleben kämpfen müssen.

Autor:

Klaus Ahlfänger aus Herten

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

6 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.