Therapie an außergewöhnlichen Orten...

Heute hatte ich mir mit einem Freund einen Spaß erlaubt. Im guten alten mondänen „Breidenbacher Hof“ in Düsseldorf hatten wir uns verabredet zum Kaffeetrinken. Im ersten Stock des Hauses sitzt man gemütlich auf den Sesseln am kleinen eleganten Tisch, lauscht dem Pianospieler, nachdem man die geschwungene Treppe mit dem Jugendstilgeländer nach oben geschritten ist.

Eine freundliche Servicemitarbeiterin nimmt die Garderobe ab und weist auf das Angebot des Tages hin: ein Kännchen Kaffee mit Erdbeerkuchen für 9,- Euro. Das mag Ihnen teuer erscheinen, ist es vielleicht auch – aber ! : Der „Breidenbacher Hof“ ist ein Luxushotel an der Königsallee in Düsseldorf, in dem normalerweise Prominente absteigen in ihrer Suite.
Dort mal eben so die geschwungene Treppe heraufzueilen, ist nicht Jedermanns Sache - obgleich dieses Hotel für Jedermann offen ist. Die dort vorhandene Jugendstilkultur zu genießen, ist bei näherer Betrachtung des Ganzen eventuell mehr als 9,- Euro wert. Bei leichter Pianomusik im edlen Ambiente läßt sich leicht und gut plaudern – und die Seele fängt an zu schwingen.
Es könnte sogar sein, das plötzlich Robbie Williams die Treppe hochkommt – das wäre, ehrlich gesagt, der Hammer, ist aber nicht ausgeschlossen !

Während der Unterhaltung kamen mir Gedanken zur „Therapie an außergewöhnlichen Orten“. Manchmal lese ich in den Kleinanzeigen des „Coolibri“, das Leute jemanden suchen für „Sex an außergewöhnlichen Orten“. Das ist doch – zugegebenermaßen – ordinär, oder finden Sie nicht auch ? Wie soll das denn gehen ? So, wie im Erotikfilm mal eben zwischen 1. und 6. Etage im Fahrstuhl ? Das scheint mir alles doch sehr weit hergeholt.

Aber „Therapie an außergewöhnlichen Orten“ kann doch im Grunde genommen jeder von uns erleben – sogar alleine und ohne Therapeut. Man denkt sich einen außergewöhnlichen Ort aus, an dem man normalerweise nie verweilen würde – und geht einfach mal dorthin. Diese Orte gibt es in Ihrem Leben nicht ? Täuschen Sie sich da mal nicht !

Wann sind Sie je alleine mal in ein Rheinboot eingestiegen und ließen sich über die Fluten tragen – vom Rheinufer in Düsseldorf z.B. nach Kaiserswerth oder zum Hafen ? Wohlgemerkt: alleine ! Darauf liegt der Focus. Oder wann haben Sie sich mal alleine in ein Lichtspielhaus gesetzt – einfach so mal nach dem Einkaufen. Mir ist das vor einigen Wochen passiert. Nichtsahnend gehe ich am „Cinema“ in Düsseldorf vorbei, die Hände voll mit Aldi-Tüten und sehe dort, das der Film „Spuren“ läuft – mittags um 15.00 Uhr. Unternehmungslustig nehme ich in dem Lichtspielhaus Platz zwischen einigen wenigen Herrschaften und reise über fast zwei Stunden mit einer jungen Frau mit ihren vier Kamelen und ihrem Hund zu Fuß über fast 3.000 km durch die australische Wüste. Das war schön ! Das war eine Therapie an einem außergewöhnlichen Ort ! Ich zehre heute noch von diesem kleinen Trip durch den Alltag.

Eine andere Therapie an einem außergewöhnlichen Ort erlebte ich kürzlich im Hetjens-Museum in Düsseldorf. Diesmal mit Karstadt-Türen bin ich dort hinein für ein kleines Eintrittsgeld und bewunderte Porzellan, so filigran und fein gestaltet und bemalt, das es mir Tränen in die Augen trieb. Kunst kann erden, glauben Sie es mir.

Düsseldorfs Altstadt verfügt über viele außergewöhnliche Orte – vor einer Woche war meine Therapie am außergewöhnlichen Ort der „Weisse Bär“. Wer ihn kennt, mag den Kopf schütteln und denken, ich hätte sie nicht mehr alle. Aber weit gefehlt. Das ist ein Lokal mit der lautesten Heavy Metall Musik, die es auf der Welt gibt. Wenn Sie dort mal hineingehen am hellichten Tag mit den Einkaufstüten von Deichmann – nur für eine halbe Stunde, werden Ihnen AC-DC das Hirn derart durchpusten, das Sie danach alle Sorgen erstmal ad acta legen. Man sitzt dort so ziemlich alleine drinnen in dieser Lasterhöhle und die Musik bringt die Lunge zum Schwingen. Und irgendwann kommt das große Loslassen – man schwingt nicht nur mit, nein: man steht auf der großen Bühne, ist Rocksängerin und schreit sich den Frust vom zu vielen Nachrichten hören aus der Seele – schreit an gegen Ängste vor einem dritten Weltkrieg, schreit an gegen die Bestimmungen aus Brüssel, schreit an gegen den Wahnsinn der Politik – und geht irgendwann nach draußen und ist wieder ganz bei sich selbst.

Morgen mache ich die nächste Therapie am außergewöhnlichen Ort. Studentenfrühstück bei Heinemann für 4,90 Euro – für jedermann erhältlich, auch wenn er nicht studiert. Feinste Brötchen mit Leberwurst, Schinken, Käse, gekochtem Ei, Marmelade und Quark – und dazu noch eine der reichlich vorhandenen Tageszeitungen aus Düsseldorf. Aber da lese ich dann nur die Stadtteilnachrichten. Die große Politik überlasse ich dem grauen Alltag am gewöhnlichen Ort...

Therapie an außergewöhnlichen Orten ? Düsseldorf bietet unendlich viele Orte hierfür – und die umliegenden Städte mit Sicherheit auch. Sie sollten nur mutig genug sein, diese Orte mal ganz alleine aufzusuchen und sich einfach mal nur auf sich besinnen.

Im übrigen beziehe ich in meine Therapie an außergewöhnlichen Orten auch immer die Kirchen in der Düsseldorfer Altstadt mit ein. Kleine stille Orte der Meditation – mal ein Kerze anzünden in der Max-Kirche für die Lieben oder in der Andreas-Kirche dem Organisten bei den Proben zufällig lauschen. Das ist schön !

Vielleicht sehen wir uns demnächst ja mal – bei der Therapie an außergewöhnlichen Orten – aber: wir bleiben jeder für uns allein, gell ?

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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