Tatkräftiges Zugreifen rettet eine wichtige Zeremonie
Wenn Jesus vom Kreuz fällt...
Hier schreibe ich eine Geschichte, dir mir anläßlich einer Autofahrt über eine griechische Insel mein Freund erzählt hat:
Sie trug sich zu am Karfreitag vor einigen Jahren in einer kleinen Kirche. In Griechenland ist es üblich, das am Karfreitag eine Jesus-Figur ans Kreuz genagelt wird im Rahmen der Karfreitagsmesse. Das tun wir in Deutschland nicht, weil in unserem naturwissenschaftlich orientierten Land der Hochleistungsgesellschaft realistische Zahlen wichtiger sind, als bunte Bilder.
Aber in Ländern, in denen die Sonne rosa aufgeht und lilafarben untergeht, wo der Mond in der Nacht feurig riesenrund einmal monatlich vom Himmel lacht, da spielen Farben und Bilder noch eine große Rolle. Nicht nur Farben und Bilder regen dort die Fantasie an, sondern auch das nie enden wollende Spiel. Das fängt an mit Backgammon und hört auf mit dem Spiel von Liebe und Haß und dazwischen liegen alle die vielen Zeremonien, die die Menschen immer wieder zusammen bringen, egal ob sie arm oder reich sind.
Eine dieser Zeremonien spielt sich ab am Karfreitag, wenn Jesus nach seinem Kreuzgang in seiner schwersten Stunde ans Kreuz genagelt wird.
In dieser kleinen griechischen Kirche also sollten zwei junge Mönche die Aufgabe der Kreuzigung übernehmen. Da sie noch sehr jung und unschuldig in ihrem Glauben waren, wollten sie der Jesusfigur natürlich nicht weh tun und nagelten ihn sehr sehr zart und zögerlich ans Kreuz – man hörte kaum den Hammer, so zart schlugen sie zu.
Während der anschließenden Zeremonie, bei der die Gläubigen andächtig und leise murmelnd ihre Gebete verrichteten, fiel die Jesusfigur plötzlich mit einem lauten Knall vom Kreuz herab auf den Boden.
Erschreckt schauten die Gläubigen auf und verstummten sofort im Gebet. Atemlose Stille machte sich breit in der Kirche. Was tun ? Es geht doch nicht, das am Karfreitag Jesus vom Kreuz fällt. Die Kreuzabnahme ist doch erst in der Osternacht – die im übrigen in Griechenland mit viel Freude am Essen, Trinken und Tanzen zelebriert wird.
In der ersten Reihe der kleinen Kapelle saß nun ein erfahrener Handwerksmeister mit muskulösen Armen. Nach einer Weile des Nachdenkens stand er besonnen auf, schritt zum Altar, nahm die Jesusfigur in die Hand und klopfte sie gewandt und und mit einer einmaligen Sicherheit so fest ans Kreuz, das jedem der Anwesenden klar war: diese Figur würde nie mehr von dem Stück Holz gelöst werden können.
Zufrieden setzten die Gläubigen ihre Zeremonie fort und murmelten still in ihrer Litanei: „Der für uns ans Kreuz geschlagen wurde...“.
Auch dort, wo die Natur noch wild vor sich hin wuchern darf, muß doch alles seine Ordnung haben...
Autor:Karin Michaeli aus Düsseldorf |
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