Spurensuche: Düsseldorfer Wohn-Visionen

Als wäre Oberkassel nicht weit genug entfernt von Düsseldorfs Mitte: Anfang der 1970er Jahre gediehen Pläne, eine gigantische Halbinsel vor dem linken Flussufer aufzuschütten und mit Wohntürmen zu bedecken.
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  • Als wäre Oberkassel nicht weit genug entfernt von Düsseldorfs Mitte: Anfang der 1970er Jahre gediehen Pläne, eine gigantische Halbinsel vor dem linken Flussufer aufzuschütten und mit Wohntürmen zu bedecken.
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Vorweg: es geht nicht um Einrichtungstipps, das Jugendzimmer im Wandel der Zeiten oder den Dialog zwischen Frankfurter Küche und Gelsenkirchener Barock. Das Stadtmuseum zeigt derzeit, wie sich Architekten, Planer und Strategen mit dem Thema Wohnen in der Stadt beschäftigten, welche Ideen, gar Utopien umgesetzt wurden oder heimlich im Archiv verschwanden.

Einige dieser „großen Würfe“ haben das Planungsbüro nur in Modellform verlassen. Man kann sich das Aufatmen heutigen Oberkasseler lebhaft vorstellen, angesichts einer über 40 Jahre alten Platte aus dem Hause Szabolcs von Adorjanis. Sein Vorschlag einer künstlichen Halbinsel vor dem linken Rheinufer hatte in der 1970er Jahre durchaus Fürsprecher in der Stadtpolitik.
Dieses authentische Dokument einer verhinderten Stadterweiterung zählt sicher zu den spektakulärsten Exponaten, die noch bis Jahresende an der Bilker Allee zu sehen sind. Die gut 150 weiteren Modelle, Pläne oder Fotografien sind allerdings weit weniger visionär bzw. monströs. „Die Auswahl fiel uns nicht leicht, zumal nur ganz wenige Stücke wirklich spektakulär sind“, sagt Bruno Braun, Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten (BDA), der bereitwillig eigene Sammlungen öffnete, um ein breitgefächertes Panorama dieses wesentlichen Teils der Stadtentwicklung zeigen zu können. „Das Außergewöhnliche versteckt sich in Details“, verspricht Braun.
Die Präsentation in frühlingshaft heruntergekühlten Sälen bietet zwei Möglichkeiten der Orientierung. Der Weg führt von den Bauten aus der unmittelbaren Nachkriegszeit bis an den Rand der Gegenwart, einer Stadt, die mitten in einem der umfangreichsten Veränderungsprozesse ihrer Geschichte steckt. Jedes Exponat ist zudem Stadtbezirken zugeordnet, die Häuser und Siedlungen, sofern realisiert, lassen sich dank markierter Kartenausschnitte sicher aufspüren und auf dem nächsten architekturhistorischen Stadtspaziergang ansteuern. So lässt sich diese Ausstellung auf charmant-unmodische Art interaktiv ausgestalten.
Aber man muss nicht zwingend vor die Tür, um den Wendungen des Zeitgeists nachspüren zu können. Arbeiten, sich amüsieren, schlafen gehen: was Stadtplaner früher getrennt und großzügig über die Fläche zu verteilen suchten, rückt sich wieder näher auf die Pelle. Düsseldorfs reger Baubetrieb in jüngster Zeit dokumentiert diesen Trend nachdrücklich. Wohnen, wo sich auch der Rest des Lebens abspielt, ist die Maßgabe. Flankierend müssen natürlich entsprechende Verkehrswege, vorzugsweise unter der Oberfläche, entstehen. „Durchgrünung“ des Lebensraums Stadt hat sich zu einem nicht mehr wegzudenkenden Planungsbestandteil entwickelt. Auf dem Reißbrett entsteht zudem nichts mehr, was nicht als „barrierefrei“ gelten würde. Ob Architekten in allen Bereichen einem gewandelten Bedarf folgen oder ob dieser (auch nicht mehr ganz neue) urbane Akzent beim Nestbau auf die Initiative der Baukünstler zurückgeht – wer wollte das entscheiden?
Einen womöglich 50 Jahre in die Zukunft reichenden Ausblick auf die tatsächlichen oder vermeintlichen Bedürfnisse im Wohnungsbau wagt der Besucher unwillkürlich angesichts der plastisch aufbereiteten Materialfülle. Die Schlossparksiedlung Urdenbach weckt auch über 60 Jahre nach ihrer Fertigstellung positive Assoziationen. So zu wohnen können sich viele nur allzu gut vorstellen. Am anderen Ende der emotionalen Skala finden sich Trabantenstädte, wie sie seit Anfang der 60er-Jahre unter Federführung des damaligen Baudezernenten und Stadtplaners Friedrich Tamms zunächst in Garath, später in Hassels entstanden. „Das waren Irrwege“, so das Verdikt von Thomas Nowatius, Leiter des Amts für Wohnungswesen. „Solche Fehler dürfen sich nicht wiederholen.“
Wie es in jüngster Zukunft weitergeht, dokumentiert ein Blick auf die entstehende Wohnbebauung am Heerdter Krankenhaus Ausstellungsbesucher können also schon jetzt einen Blick auf das künftige Bild von Düsseldorf werfen.
Neben die Expertensicht stellt das Stadtmuseum Ansichten von Laien. Die „Keyworker“, jene rührigen, ehrenamtlichen Mitarbeiter, steuern kontrastierende Stadtansichten bei.

Als wäre Oberkassel nicht weit genug entfernt von Düsseldorfs Mitte: Anfang der 1970er Jahre gediehen Pläne, eine gigantische Halbinsel vor dem linken Flussufer aufzuschütten und mit Wohntürmen zu bedecken.
„Solche Fehler sollten sich nicht wiederholen.“ Wohnraumverdichtung wie in Hassels widerspricht heute den Idealen der Stadtplanung.
Autor:

Henrik Stan aus Düsseldorf

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