Sind Manieren wichtig im Alltag ?

Das gesellschaftliche Zusammensein muss doch irgendwie funktionieren. Im kommunalen Kontext gibt es Übereinstimmungen, wie wir uns zu verhalten haben. Aber wessen Kontext bestimmt was ? Bei den Kannibalen bestimmter Südseeinseln war es üblich, dem Gast einen Arm abzuhacken, nach Begrüssung und diesen im Feuer zu einem leckeren Abendessen zu grillen. Das kann nachgelesen werden im Buch von Arne Falck-Rönne „Die sieben Wellen der Südsee“. Selbstverständlich machen wir so etwas nicht.

Aber hackt nicht eine Krähe der anderen ein Auge aus, wenn es bei der Begrüssung heisst: „Meine Liebe, Du siehst ja völlig mitgenommen aus – hast Du Streß ?“ Das kommt bei der Empfängerin der Botschaft ebenso unglücklich an wie die Frage: „War der junge Mann mit dem ich Dich letztens an der Bar gesehen habe, Dein Neffe ?“

Manieren sind Wohlwollensbekundungen im weiteren Sinne und Tür aufhalten, Mantel aufhalten, Stuhl zurecht rücken im engeren Sinne.

Manieren sind Höflichkeitsfloskeln, sind Mitleidsbekundungen, Mitlächelsbekundungen bei schlechten Witzen – bei guten Witzen sind wir alle authentisch.

Ich liebe Manieren – Manieren sind wie das Spiegelbild, was wir uns von uns selbst in Szene setzen.

Ganz anders sind die Kameras – die kennen keine Manieren. Da sind wir gnadenlos der Linsenwiedergabe ausgeliefert und erkennen uns manchmal nicht wieder. Wenn dann auch noch der Betrachter solcher unfotogenen Wiedergaben unseres Selbst meint: „Man sieht eben so aus, wie man ist“, dann würden wir uns über Manieren freuen, die dem Betrachter Worte einflössen: „Das ist aber ein exzellent geratenes Foto von Dir. Du siehst darauf sehr gut aus.“ Und schon würden wir uns im Sinne des Konstruktivismus, der uns unsere eigene Welt erklärt, neu definieren.

Ich liebe Manieren ! Sie haben etwas zu tun mit Charme. Der freundliche Mensch, der mir bei der Flaschenabgabe bei REAL den Vortritt lässt, weil ich nur einen Kasten habe und er hat 50 Plastikflaschen im Beutel. „Gähn Sie vor – Sie sind so schneller wie isch“ - dankeschön !!

In der Bahn auf Krücken lande ich an nach Unfall – an die zehn Leute stehen auf: „Kann ich helfen ? Wollen Sie sitzen ?“ - „Herrlisch“, würde der Mönchengladbacher sagen – und stehen bleiben mit dem Bemerken: „Ich kann stehen“. „Aber nein, doch, aber nein doch – setzen Sie sich !“ - schallt es vom Düsseldorfer in der Bahn zurück. Das sind Manieren.

Manieren lernte ich kennen bei den türkischen, griechischen, italienischen und dörflichen deutschen Freunden. Man landet an im Wohnzimmer und sofort wird kredenzt: Kaffee, Wein, Kuchen, Bier, Brote, Wurst – was auch immer: man fühlte sich als Gast.

Anlanden im Land der Unkonventionellen: „Wenn Ihr was trinken oder essen wollt – da ist der Kühlschrank !“ In früheren Jahren lustig, weil unkonventionell – aber heute: für mich undenkbar ! Sofort würde ich die Flucht ergreifen und mir sagen: „Die ticken doch nicht richtig, haben keine Manieren !“

Manieren – ich liebe sie. Sie machen den Alltag bunt, zeigen mir, das ich wertgeschätzt werde und das ist mir doch irgendwie auch wichtig. Ja, wenn mir ein Dingen auf den Boden fällt und jemand Gelenkiger bückt sich schnell, um es mir aufzuheben - „Dankeschön !!!“ Da freue ich mich doch einfach und denke, das diese Person Manieren hat. Ich möchte sie hier nicht fortsetzen an dieser Stelle, die Laudatio an die Manieren. Aber sie machen das Leben wirklich lebenswert !!

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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