Onkelchens Beerdigung
Er war immer ein Aussenseiter in seinem kleinen Dorf gewesen. Bei allen Wahlen hatte immer nur einer die kommunistische Partei gewählt – wer war es ? Das Onkelchen.
Dennoch war er geliebt und geschätzt von allen, weil er Samstag für Samstag frisches Obst ausfuhr und seine Scherze mit allen machte, vor allen Dingen mit den Damen des Dorfes. Weil er ein sehr schöner Mann war, konnte er sich das leisten und wurde auch stets heftigst zurückgeliebt.
Er legte höchsten Wert darauf, nicht geheiratet zu werden, weil die Ehe nach seiner Meinung die Liebe tötet und so hatte er im Laufe seines Lebens viele Affären, die seiner Beliebtheit keinen Abbruch taten – im Gegenteil: jede Affäre steigerte seine Beliebtheit.
Aber irgendwann war auch Onkelchen in die Jahre gekommen und freundete sich im einsamen Alter von 79 Jahren mit Internet und I-phone an, um in diversen Partnerschaftsforen seinen Charme versprühen lassen zu können. Das half ihm, die Alterseinsamkeit als kinderloser Mann zu überwinden. In alle Welt gingen seine e-mails und wenn er unterwegs war mit dem Rad, schaute er in den diversen Kaffeehäusern auf dem I-phon seine e-mails an und hatte Freude an dem direkten Kontakt zur Welt.
An seinem 85. Geburtstag schmerzten ihn erstmals seine Gelenke und er fing an, vergesslich zu werden. Da beschloss er, seine Beerdigung zu inszenieren.
Viele Abende verbrachte er damit, zu überlegen, wer alles kommen und wer nicht kommen sollte.
Er setzte sich in Verbindung mit dem Bestatter des Dorfes und erteilte ihm folgende Aufträge:
Im Familiengrab wollte er beigesetzt werden, traditionell ohne Verbrennung.
Der Leichenschmaus sollte stattfinden an seinem Grab. Hier sollte am freien Rondell des Friedhofes – ganz in der Nähe des Grabes – ein Büffet aufgebaut werden mit Leber- und Blutwurstkränzen und frischem Bauernbrot. Zu trinken sollte es ausschließlich Elblingwein geben und kleine Bitburger Pils-Stubbies. Die Vegetarier sollten halt schauen, wie sie klar kommen.
Die Grabesrede hatte er selbst verfasst. Sie war kurz. Da er in den letzten 10 Lebensjahren sich der buddhistischen Philosophie zugewandt hatte, sollte nichts anderes verlesen werden, als:
„Wir werden alle wiedergeboren. Also, habt keine Angst vor dem Tod. Je eher Ihr geht, desto eher kehrt Ihr zurück !“
Die örtlichen CDU-Mitglieder sollten bei der Beerdigung in der ersten Reihe stehen und die Mitglieder der SPD rechts davon ihren Platz einnehmen.
Die Grünen Frauen des Dorfes sollten in schwarzen Abendkleidern erscheinen – andernfalls würden sie nicht zugelassen.
(Er konnte sich das leisten, weil ihn alle liebten und von daher davon auszugehen sei, das sie auch alle seinen Vorschlägen Folge leisten). (die Setzerin)
Dann beauftragte er namentlich junge Leute, ihn während der Trauerzeremonie am Grab auf fünf verschiedenen I-Phones anzurufen.
Er hatte keine Mühen gescheut und sich tatsächlich noch vier weitere I-Phones zu seinem I-Phone hinzuzukaufen – mit Karte natürlich und ohne Vertrag – und die sollten alle in seinen Sarg gelegt werden.
Auf seinem Stamm-Iphon, das ihn die letzten Jahre so glücklich gemacht hatte, hatte er alle Adressen von unliebsamen Personen gelöscht, bewahrte darauf die Liebes-e-mails seiner letzten Liebe aus Weissrussland, namens Olga und deren Sexy-Fotos. Olga wollte er in Bild und Schrift mitnehmen.
Dann inszenierte er seine Klingeltöne auf den fünf I-phones und die sollten minutiös gestartet werden mittels der Anrufe der beauftragten Youngsters.
Die Inszenierung sah folgendermassen aus – wohlgemerkt, das alles aus dem Sarg heraus !!!
Beim vorbei defilieren am Sarg in der Friedhofskapelle sollte der Klingelton erschallen:
„Junge, komm bald wieder“.
Beim Tragen des Sarges zum Grab war von ihm der Klingelton gewünscht:
„Kirchengeläut“
Bei der Ankunft am Grab:
„I got a brandnew Cadillac“
Beim Einsenken des Sarges in die Gruft:
„Freiheit“ von Marius Müller Westernhagen
Bei den Kondolenzen am Grab, um die vorne stehenden CDU-Mitglieder und die rechts daneben stehenden SPD-Mitglieder zu ärgern:
„Brüder zur Sonne zur Freiheit“.
So hatte Onkelchen sich das vorgestellt und dem Bestatter des Dorfes, der ein Schreiner war, diese Aufträge erteilt.
Das Schicksal war ihm gnädig – kurz, nachdem er diese Aufträge erteilt hatte und kaum noch die Treppen hochsteigen konnte wegen schmerzender Knie und Hüften, erlöste ihn Gott der Allmächtige.
Was soll ich sagen: die Beerdigung fand in seinem Sinne statt und Jahre danach reden sie heute noch im Dorf davon und sagen: „Es war eine schöne Beerdigung !!!“.
Autor:Karin Michaeli aus Düsseldorf |
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